Heiße Tage, lange Nächte in Sydney

… Sooo, nach kurzer Unterbrechung (Sommerloch) geht’s nun endlich weiter!!!

Sharon hatte uns am Weihnachtsabend kurz erzählt, dass sie am nächsten Tag mit den Kindern zu ihrer Mutter führe und auch dort übernachte. Chris war sowieso ab um fünf am Ersten-Weihnachtsfeiertag-Morgen für drei Tage als Pilot in Australien unterwegs und so hatten die zwei Franzosen das Haus für sich und was noch besser war: Chris und Sharon hatten Jere und mich am Abend zuvor gefragt, ob wir noch ein paar weitere Tage bei ihnen bleiben wollten. Zum einen schätzten sie unsere Hilfe sehr und außerdem wollten sie Chris’ Mutter Anu entlasten, die ja noch (mindestens) sechs andere Wwoofer im Haus hatte (vier weitere waren auch schon angekündigt). Natürlich stimmten Jere und ich zu, weil die Familie und die Franzosen so nett und das andere Haus eh zu voll waren. So hatten wir vier Helfer (so nannten sie uns immer) am nächsten Tag das große Haus für uns und weitestgehend frei. Wir reinigten nur noch ein wenig das Haus und wässerten den Garten, aber ansonsten relaxten wir an diesem sehr heißen Tag, aßen Truthahn und Blutwurst mit Sauerkraut (ja, es gab tatsächlich auch „deutsche“ Speisen zu Weihnachten) und schauten am Abend eine DVD zusammen. Auch der nächste Tag ging entspannt los und Sharon traf erst am frühen Nachmittag mit den Kindern ein.

In den nächsten Tagen blieb die Weihnachts-Sommerferien-Entspannungs-Stimmung erhalten und die Arbeit war weitestgehend entspannt. Wir hatten zwar noch eine weitere lange Strecke Sand zu schaufeln und wegzukarren, aber Regenunterbrechungen und die Gesellschaft von Gwena und Christopher machten die Sache erträglicher. Bad putzen, auf die Kinder aufpassen und Garten wässern waren außerdem ein paar unserer Aufgaben. Am besten war der kulinarische Ausstausch: Sharon und Chris genossen es sehr, wenn sie abends nicht kochen mussten (mittags gab es immer Sandwiches) und so wechselten wir uns mit den Franzosen ab und machten Quiche, Strudel und diverse Nachtische.

Die Tage vergingen schnell und wenig später stand die nächste Party an: Anus Geburtstag. Dies war gleichzeitig der Tag unserer Rückkehr in das volle Haus von Anu und Jimmy. Da wir erst abends bei Anu erwartet wurden, schlugen uns Sharon und Chris vor, mit den Kindern und den beiden Franzosen im Olympiapark in Sydney eine Fahrradtour zu machen. Ein weiterer Vorteil der Arbeit bei Sharon und Chris war nämlich, dass wir pro Woche einen Tag frei hatten. Uns stand es uns also frei, doch wir wollten unbedingt diesen letzten Tag in dieser Familie mit ihnen zusammen verbringen. Sie hatten viele Fahrräder, so dass nur Christopher und ich uns vorort ein Fahrrad mieten mussten (unsere erste wirkliche Investition in Australien und ganz schön teuer.) Helmpflicht besteht hier genau so wie in Neuseeland. Ich war ja ein bisschen skeptisch, wie lange der drei Jahre alte Tommy durchhalten wird. Ich glaub, ich konnte mit drei Jahren nicht mal Fahrrad fahren. Doch das Unfassbare geschah: Wir fuhren 15 Kilometer in 3 ½ Studen, machten ein paar lange Pausen an Aussichtspunkten, Fontainen und Klettergitterseilen und Tommy meckerte nicht einmal rum oder machte schlapp auf seinem Minifahrrad ohne Stützräder. Die Jungs sind einfach so trainiert vom vielen rumtoben mit dem Vater und total fit. Es ging teilweise wirklich steil bergauf. An der BMX-Strecke hatten sie auch noch genügend Kraft, um ein paar mal über die Huppel zu rasen. Leider fielen sie beide hin, wobei sie sich blutige Ellenbogen und blaue Flecken holten. Das war ein kleiner Tiefkunkt, aber nach einem Pflaster und einem kleinen Bonbon ging es wieder weiter.

Die Olympiade kommt mir noch gar nicht so lange her vor. Ich kann mich noch sehr gut an das kleine Mädchen erinnern, dass im Stadion vor so vielen Leuten die Nationalhymne (oder so, vielleicht ist es doch schon eine Weile her) gesungen hat. Der Park sieht aber zum Teil bereits so aus, als wäre seit zwanzig Jahren niemand mehr mit einer Heckenschere hindurchgelaufen. Wenn man die alten Bilder sieht, dann ist er jetzt jedoch natürlicher, weil die Bäume gewachsen sind und alles nicht mehr so angelegt aussieht. Mit dem Fahrrad lässt sich alles sehr schön erkunden. Pip (Philippa, derzeitige Gastmutter) erzählte uns, dass dieses Gebiet zuvor industriell genutzt wurde und alles ganz schrecklich aussah. Die Olympiade hat diesen Teil Sydneys also wirklich verschönert. Eine Kohlemiene kann man noch heute von einem erhöhten Steg aus betrachten. Pip erwähnte außerdem, was ich sehr spannend fand, dass die Olympiade neben den positiven Errungenschaften, wie einer verbesserten Infastruktur auch negative Folgen hatte: Die Unterstützung für lokale Hilfsaktionen z.B. für Frauenhäuser wurde stark gekürzt, um den Ausbau finanzieren zu können. Mich würde ja mal interessieren, was dann in China alles gekürzt wurde.

Am Ende der Radtour waren wir alle ziemlich verschwitzt, denn es war ein wirklich heißer Tag in Sydney. Wir gaben die Fahrräder zurück und fuhren mit den zwei Autos, die wir benötigten, um alle unter zu bringen, zu Chris’ Mutter Anu. Auf dem Weg dort hin erzählte Chris uns noch ein paar Insiderinformationen aus seinem Pilotenjob:

  • Piloten wird manchmal langweilig, dann reden oder essen sie. Sie müssen aber auch viele Sachen wie Wetter, Kurs, Benzinverbrauch etc. checken.
  • Sie essen immer unterschiedliche Sachen (damit höchstens einer eine Lebensmittelvergiftung bekommt).
  • Sie setzen sich manchmal über Befehle des Flughafens hinweg, wenn sie entscheiden, dass etwas zu gefährlich ist.
  • Sydney ist ein „gefährlicherer“ (trotzdem alles noch in Grenzen) Flughafen, weil hier die besseren (sicheren) Landebahnen oft geschlossen werden, auf Grund von Lärmreduktion für die Anwohner.
  • Diese Schließungen verursachen oft Verspätungen der Flugzeuge, weil mehrerer Flugzeuge in der Luft warten müssen. Auf diese Weise werden tonnenweise mehr Abgase produziert und unglaublich viel Geld (tausende von Dollar pro Flug) in die Luft geballert.

Ich fands interessant!

Als wir bei Anu und Jimmy ankamen, unserer Heimat für die nächsten Tage, standen wir direkt in der Einfahrt schon vor unserem neuen Zuhause: Ein uralter Wohnwagen (aus Blechplatten). Das Bett war ungefähr 1,10 Meter breit, das Ding stand außerdem schräg in der Einfahrt (so dass man fast aus dem Bett rollt) und wir mussten nachts über das ganze Grundstück laufen, um aufs Klo zu gehen. Wir hatten schon mit so etwas gerechnet, denn es wurden immer mehr Helfer angekündigt und der Ausdruck „we just squeeze everybody in“ (wir quetschen alle schon irgendwie rein) fiel häufiger. Dass wir also nicht wieder in unser Doppelbett im seperaten Zimmer zurück können, hatten wir schon befürchtet. Wenigstens mussten wir nicht irgendwo mit in einem anderen Zimmer auf dem Boden schlafen. Und was das Wichtigste war, womit wir uns immer wieder aufheiterten, wenn wir nachts nicht schlafen konnten, weil des Blut in den Kopf stieg (wir mussten beide verkehrt zueinander schlafen, so dass der Oberkörper genug Platz hatte) oder man fürchtete vom Bett zu kullern (Mitleid jetzt!!): Wir hatten zumindest einen kostenlosen Platz zum Übernachten, während viele andere Reisende horrende Summen in Hostels (z.T. den dreifachen Preis) und überhöhte Supermarktpreise zahlten. Durch die große Anzahl an Helfern war auch nicht wahnsinnig viel Arbeit zu erledigen: Anu hatte ja pro Tag ca. 32-40 Arbeitsstunden zu vergeben, das hätte sie wohl auch vollkommen gestresst.

Aber bevor es losging, kam erst einmal der Abend von Anus Geburtstag. Jere und ich nutzten eine ruhige Minute, um uns vom Schweiß der Fahrradtour zu befreien. Anschließend setzten wir uns zu den zwei Franzosen, die sich im Garten bereits einen gemütlichen Platz ausgesucht hatten. Die anderen Helfer wimmelten um uns herum, hängten Lichterketten auf, verteilten Getränke auf die verschiedenen Sitzmöglichkeiten (insgesammt wurden bis zu fünfzig Gäste erwartet und es war nicht mal ein runder Geburtstag), schnitten Zutaten oder kauften noch schnell Zutaten für zusätzlichen Teig. Der Pizzasteinofen war auch ein Projekt ehemaliger Helfer. Ein befreundeter Boss eines Pizzarestaurants, in das sie jede Woche gehen, hatte bereits Teig geliefert, doch es sah so aus, als würde es bei weitem nicht für die erwartete Anzahl reichen. Also wurde noch einmal dreimal so viel Teig gemacht. Am Ende entsorgten Jere und ich, soweit ich das überblicken konnte und Anhand der Masse an Teig, am nächsten Tag diesen und sogar noch einen Teil des ursprünglichen Teigs. Man unterschätzt die Menge wirklich schnell.

Es wurde langsam dunkler, die Gäste aller Altersstufen trafen ein, der Ofen wurde angefeuert, alle gruppierten sich, wie es aussah nach Alter, um die Tische. Ein älterer Herr gesellte sich am Anfang noch zu uns und als wir ihm von unserem Ausflug in den Olympiapark erzählten, blühte er auf: Er hatte bei der damaligen Olympiade in Melbourn als Turner teilgenommen. Er schilderte die damaligen Bedingungen, dass kaum Trainingsgeräte vorhanden waren und das Vorturnen auf blankem Beton statt fand. Bei der Olympiade in Sydney hat er sogar die Fackel ein Stück getragen. Das war für uns kaum fassbar, denn vor uns saß ein Man,n der auf seinen Krückstock angewiesen zu sein schien. Aber die Sydney-Olympiade ist ja auch schon wieder zehn (!) Jahre her.

Den Rest des Abends saßen wir am Helfertisch mit den anderen Deutschen und Gwen und Christopher. Wir sprachen viel mit den Franzosen und lachten uns fast zu tode, als wir versuchten, uns gegenseitig ein paar Brocken der jeweils anderen Sprache beizubringen. Nach viel leckerer Pizza und guten Gesprächen wurde es, anscheinend für Australien typisch, ziemlich schnell leer. Die Gäste verabschiedeten sich, vielleicht weil es keine Musik zum Tanzen gab oder weil sie alle früh ins Bett mussten. Wir Helfer räumten ab, wuschen Geschirr und machten sauber. Jere und ich fielen danach nur noch erschöpft vom Tag in unseren Wohnwagen.

Am nächsten Tag waren die anderen Helfer den Vormittag in der Stadt unterwegs. Jere und ich standen früh auf, um noch vor der Mittagshitze unsere Aufgaben zu erledigen. Denn wir hatten großes vor: Roland und Yvi waren bereits seit einigen Tagen in Sydney, aber weil Chris und Sharons Haus so weit außerhalb lag, konnten wir uns erst jetzt mit ihnen treffen. Eine Schwierigkeit in der Kommunikation bestand darin, dass Rolands Antwort-SMS niemals ankamen. Doch mit kurzen Telefonaten trafen wir uns schließlich vor der überfüllten Oper am vorletzten Tag des Jahres.

Nun schon von der neuseeländischen und australischen Sonne verwöhnt und in absoluter Urlaubslaune kamen sie über den großen Platz auf uns zu gelaufen. Automatisch stellte sich wieder ein Stück Heimatgefühl ein. Um der Hitze ein wenig zu entkommen, setzten wir uns in ein Café und holten all die spannenden Dinge auf, die wir seit unserem letzten Treffen in Neuseeland erlebt hatten. Die zwei waren leider nicht so glücklich mit dem Wetter gewesen, so dass die Südinsel zum größten Teil in Wolken gekleidet war. Nach einem Eiskaffee liefen wir durch die Stadt, die Jungs vorne weg, Yvi und ich hinterher und redeten über Gott und die Welt. Dabei nahmen wir unsere Umgebung kaum war. Irgendwann waren wir plötzlich auf einer Brücke, auf der wir auf der Bank saßen und weiter redeten, bis die Sonne unterging. Anschließend liefen wir erneut los, fanden uns irgendwann im Einkaufszentrum unter dem Skytower herumirren und als der Souvenirshop geschlossen wurde, suchten wir uns einen Pub in der Nähe, um noch ein bisschen weiter zu quatschen. Später in der Nacht verabredeten wir uns für den nächsten Tag: Dem letzten Tag des Jahres.

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