Martin Shkreli war im Dezember abermals das Herzchen des Monats in den Vereinigten Staaten. Wie schon zuvor im September erntete er Empörung, weil er völlig ohne Moral an der Krankheit anderer verdienen wollte. Doch eventuell brauchen wir nicht weniger, sondern im Gegenteil viel mehr von der Sorte.
Im Herbst des letzten Jahres zog sich der Hedgefondmanager und Unternehmer Martin Shkreli die Wut der Öffentlichkeit zu, weil eine seiner Firmen für ein lebensrettendes Medikament gegen die Infektionserkrankung Toxoplasmose, plötzlich nicht mehr 13,50 Dollar sondern 750 Dollar pro Tablette haben wollte. Im Dezember erwarb eine weitere seiner Firmen die US-Rechte an einem Mittel gegen die Chagas-Krankheit. Der Preis sollte pro Behandlungszyklus bei bis zu 100.000 Dollar liegen – in Südamerika kostet dasselbe Medikament ein Tausendstel davon. Natürlich gab es einen erneuten Aufschrei, man erklärte ihn sogar zum »meistgehassten Mann Amerikas«. Donald Trump dieser Tage in den Schatten zu stellen, muss einem erstmal gelingen. Der Hass gegen seine Person schlug hohe Wellen. Mittlerweile wurde er aufgrund einer älteren Geschichte verhaftet und man ist zufrieden, die Gerechtigkeit habe schließlich doch noch gewonnen.
Es ist schon interessant, dass in jener Nation, in der jeder Verteilungsakt zugleich als sozialistischer Rückgriff verunglimpft wird, plötzlich Leute an den Pranger geraten, die die Logik des Kapitalismus einfach nur umsetzen. Shkreli rechtfertigte sich nämlich, dass Märkte eben amoralisch seien, die Entitäten Gut und Böse keinerlei Bedeutung in diesem Kontext besäßen. Er pervertierte ja nicht mal die Logik des Marktes, sondern folgte ihr einfach nur konsequent. Trotzdem erzürnt das die Menschen in der kapitalistischen Hochburg jenseits des Atlantiks. Hillary Clinton kündigte darauf an, dass unter ihrer etwaigen Präsidentschaft eine Deckelung des monatlichen Eigenanteils bei chronisch Kranken auf 250 Dollar eingeführt werden soll. Und der Gierhals Shkreli, dieses amoralische Marktwesen, würde vielleicht so zu einem Kniff der hegelianischen Philosophie: Zur »List der Vernunft« nämlich.
Der olle Schwabe hatte es ja mit dem Weltgeist. Er war Optimist, dachte alles füge sich zum Guten, zum »Fortschritt im Bewußtsein der Freiheit«, wie er dazu schwerfällig sagte. Aber irgendwann dämmerte ihm, dass die Geschichte der Menschheit ja nicht nur ein fortlaufendes Aufwärts darstellte, sondern viele Niedergänge darin enthalten waren. Hegel war nun mal Philosoph und die Welt sollte sich bitte an seiner Weltsicht orientieren und nicht andersherum. Also erfand er diese List, die immer dann am Werk war, wenn der Fortschritt urlaubte und sich von einer Rückwärtsentwicklung vertreten ließ. In solchen Phasen würde im Grunde ein neuer Aufschwung vorbereitet und irgendein Individuum handle gewissermaßen im Auftrag einer höheren Notwendigkeit. Diese sophistische Finesse mit der List rettete ihm das ganze Gedankengebäude. Er konnte wieder ruhig schlafen und weiterhin ohne Gewissensbisse endlose Schachtelsätze zur höheren Ehre der Philosophie drechseln.
Da hat die Menschheit Medizin erfunden und jeder könnte daran partizipieren. Aber unvermittelt kommt einer wie der Shkreli um die Ecke, der verdienen, nicht Kranke gesunden lassen will. Die unsichtbare Hand des Marktes ist halt zuweilen eine Klaue. Und erst jetzt fühlt sich plötzlich das Primat der Politik, sonst nur mutlos zurückhaltend in Marktfragen, aufgerufen, regulativ einzuschreiten. Aus dem Bauch heraus könnte man jetzt ja hoffen, dass es noch mehr von diesen Shkrelis gibt, von diesen fleischgewordenen Vernunftslisten, die wir brauchen, damit wir nicht nur Rückschritte, sondern dringend benötigte Fortschritte machen. Wir brauchen vielleicht diese völlig amoralischen Typen, die uns beweisen, dass das System eben nicht gerecht und ethisch ist, damit das politische Primat mal seinem Gestaltungsauftrag nachkommt.
Hegelianer müsst' ma sein und glauben können. Aber Hegel war ja dann auch schnell aus der Mode. Marx stellte Hegel dann vom Kopf auf die Füße und machte den Klassenkampf zum Motor der Entwicklung. Irgendwie stimmt das aber auch nicht mehr, denn vieles ist in der Welt, aber der Klassenkampf ist ein Saurier, der schon lange ausgestorben ist. Und Shkreli kommt sicher nicht als Klassenkämpfer daher. Die Philosophen haben die Welt halt nur verschieden interpretiert. Sie haben unterschätzt, wie verrückt die Dynamiken da draußen eigentlich sind.
Im Herbst des letzten Jahres zog sich der Hedgefondmanager und Unternehmer Martin Shkreli die Wut der Öffentlichkeit zu, weil eine seiner Firmen für ein lebensrettendes Medikament gegen die Infektionserkrankung Toxoplasmose, plötzlich nicht mehr 13,50 Dollar sondern 750 Dollar pro Tablette haben wollte. Im Dezember erwarb eine weitere seiner Firmen die US-Rechte an einem Mittel gegen die Chagas-Krankheit. Der Preis sollte pro Behandlungszyklus bei bis zu 100.000 Dollar liegen – in Südamerika kostet dasselbe Medikament ein Tausendstel davon. Natürlich gab es einen erneuten Aufschrei, man erklärte ihn sogar zum »meistgehassten Mann Amerikas«. Donald Trump dieser Tage in den Schatten zu stellen, muss einem erstmal gelingen. Der Hass gegen seine Person schlug hohe Wellen. Mittlerweile wurde er aufgrund einer älteren Geschichte verhaftet und man ist zufrieden, die Gerechtigkeit habe schließlich doch noch gewonnen.
Es ist schon interessant, dass in jener Nation, in der jeder Verteilungsakt zugleich als sozialistischer Rückgriff verunglimpft wird, plötzlich Leute an den Pranger geraten, die die Logik des Kapitalismus einfach nur umsetzen. Shkreli rechtfertigte sich nämlich, dass Märkte eben amoralisch seien, die Entitäten Gut und Böse keinerlei Bedeutung in diesem Kontext besäßen. Er pervertierte ja nicht mal die Logik des Marktes, sondern folgte ihr einfach nur konsequent. Trotzdem erzürnt das die Menschen in der kapitalistischen Hochburg jenseits des Atlantiks. Hillary Clinton kündigte darauf an, dass unter ihrer etwaigen Präsidentschaft eine Deckelung des monatlichen Eigenanteils bei chronisch Kranken auf 250 Dollar eingeführt werden soll. Und der Gierhals Shkreli, dieses amoralische Marktwesen, würde vielleicht so zu einem Kniff der hegelianischen Philosophie: Zur »List der Vernunft« nämlich.
Der olle Schwabe hatte es ja mit dem Weltgeist. Er war Optimist, dachte alles füge sich zum Guten, zum »Fortschritt im Bewußtsein der Freiheit«, wie er dazu schwerfällig sagte. Aber irgendwann dämmerte ihm, dass die Geschichte der Menschheit ja nicht nur ein fortlaufendes Aufwärts darstellte, sondern viele Niedergänge darin enthalten waren. Hegel war nun mal Philosoph und die Welt sollte sich bitte an seiner Weltsicht orientieren und nicht andersherum. Also erfand er diese List, die immer dann am Werk war, wenn der Fortschritt urlaubte und sich von einer Rückwärtsentwicklung vertreten ließ. In solchen Phasen würde im Grunde ein neuer Aufschwung vorbereitet und irgendein Individuum handle gewissermaßen im Auftrag einer höheren Notwendigkeit. Diese sophistische Finesse mit der List rettete ihm das ganze Gedankengebäude. Er konnte wieder ruhig schlafen und weiterhin ohne Gewissensbisse endlose Schachtelsätze zur höheren Ehre der Philosophie drechseln.
Da hat die Menschheit Medizin erfunden und jeder könnte daran partizipieren. Aber unvermittelt kommt einer wie der Shkreli um die Ecke, der verdienen, nicht Kranke gesunden lassen will. Die unsichtbare Hand des Marktes ist halt zuweilen eine Klaue. Und erst jetzt fühlt sich plötzlich das Primat der Politik, sonst nur mutlos zurückhaltend in Marktfragen, aufgerufen, regulativ einzuschreiten. Aus dem Bauch heraus könnte man jetzt ja hoffen, dass es noch mehr von diesen Shkrelis gibt, von diesen fleischgewordenen Vernunftslisten, die wir brauchen, damit wir nicht nur Rückschritte, sondern dringend benötigte Fortschritte machen. Wir brauchen vielleicht diese völlig amoralischen Typen, die uns beweisen, dass das System eben nicht gerecht und ethisch ist, damit das politische Primat mal seinem Gestaltungsauftrag nachkommt.
Hegelianer müsst' ma sein und glauben können. Aber Hegel war ja dann auch schnell aus der Mode. Marx stellte Hegel dann vom Kopf auf die Füße und machte den Klassenkampf zum Motor der Entwicklung. Irgendwie stimmt das aber auch nicht mehr, denn vieles ist in der Welt, aber der Klassenkampf ist ein Saurier, der schon lange ausgestorben ist. Und Shkreli kommt sicher nicht als Klassenkämpfer daher. Die Philosophen haben die Welt halt nur verschieden interpretiert. Sie haben unterschätzt, wie verrückt die Dynamiken da draußen eigentlich sind.