Heftplaster gegen Zwangsräumungen beschlossen

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Die gute Nachricht zuerst: Die spanische Regierung konnte den sozialen Druck nicht mehr ignorieren und hat soeben Massnahmen gegen das Zwangsräumungsdrama beschlossen. Bei aller jetzt folgenden Kritik ist das eine gute und wichtige Massnahme. Das neue Dekret beweist allerdings nur eins – wenn es diesen erneuten Beweis noch gebraucht hat: Die Politik produziert mit der heissen Nadel gestrickte untaugliche Lösungen erst dann, wenn das Kind längst im Brunnen liegt. Improvisierte hektische Reaktion statt gestalterischer Voraussicht. Für diese Tatsache ist die heutige Entscheidung beinahe ein Musterbeispiel.

Tagelang haben sie in dieser Woche zusammengesessen, jeweils viele Stunden lang: Dennoch konnten sich PP und die PSOE nicht einigen. Nun hat Rajoys Regierungsmannschaft mittels absoluter Parlamentsmehrheit ihr eigenes Süppchen verabschiedet. Die schlimmsten Fälle innerhalb der Zwangsräumungs-Misere könnten damit eine Regelung erfahren. Von Nachhaltigkeit und einer Lösung des Problems kann allerdings noch lange keine Rede sein. Hier die Beschlüsse im Einzelnen.

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Zwangsräumungen werden für zwei Jahre ausgesetzt, …

* … wenn die Gesamteinkünfte der betroffenen Familie nicht mehr als 19.200 Euro jährlich betragen und das von der Zwangsräumung bedrohte Objekt ihre einzige Immobilie ist, in der sie auch wohnen und die Hypothekenrate 50 Prozent der Netto-Einkünfte übersteigt.

* … wenn es sich um eine kinderreiche Familie handelt

* … bei Alleinerziehenden mit zwei Kindern.

* … wenn mehr als ein Drittel der Familie behindert oder Pflegefall ist.

* … in Familien, in denen die Schuldner arbeitslos sind und keinerlei staatliche Unterstützung mehr erhalten.

* … bei Opfern häuslicher Gewalt.

Die Regierung gründet einen Wohnungs-Pool: Diese Wohnungen sollen zu “vernünftig niedrigen Preisen” an diejenigen vermietet werden, die durch Zwangsräumungen ihre Behausung verloren haben. Vize-Regierungschefin Soraya Sáenz de Santamaría erklärte nicht, wie viele Wohnungen zur Verfügung stehen werden, noch zu welchem Zeitpunkt, noch wer unter welchen Bedingungen Anrecht darauf hat.

Die neuen Massnahmen sind nicht rückwirkend gedacht: Wer seine Wohnung bereits verloren hat, hat Pech gehabt, auch wenn er die genannten Bedingungen erfüllt. Er kann allerdings auf den Wohnungs-Pool zugreifen.

Keine Schuldenbefreiung: Die Regierung hat die wichtigste Forderung der Betroffenen-Vereinigungen abgelehnt. Wer seine Immobilie verliert, sollte damit auch seine diesbezüglichen Schulden los sein. Das wurde nicht ins Dekret aufgenommen.

Keine Zinsdiskussion: Wer mit den Hypothekenraten im Rückstand ist, muss nicht selten ab dem ersten Tag knapp 20 Prozent Zinsen zahlen. Das hält auch Spaniens Richtervereinigung für “missbräuchliche Klauseln der Banken”. Die sozialdemokratische Opposition hatte gefordert, diesen Satz auf “Guthaben-Zinsen plus zwei Prozent” zu begrenzen. Die Regierung lehnte es ab. Die Zinsen bleiben unangetastet.

Wert der Immobilie: Die Regierung ging auch auf einen der wichtigsten Punkte gar nicht erst ein. Die Opposition hatte gefordert, bei einer Versteigerung der Immobilie dürfe der Wert der Immobilie nicht niedriger angesetzt werden als der Schätzwert, auf dem die Hypothekenvergabe basierte (im Klartext: damit sich die Banken die Immobilien nicht mehr billig unter den Nagel reissen können). Auch das fand keine Aufnahme ins Dekret.

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Fazit: Nach einem halben Dutzend Selbstmorden vor oder bei Zwangsräumungen in den vergangenen Wochen, nach öffentlicher Schelte durch die Richter-Vereinigung und durch sozialen Druck aus der Bevölkerung hat die Regierung reagieren müssen und Zwangsräumungen unter bestimmten Bedingungen für zwei Jahre ausgesetzt. Der zuständige Minister De Guindos (ex Lehman-Brothers Chef für Südeuropa) wich elegant der Frage aus, was denn nach Ablauf der zwei Jahre geschehen solle. Keine Antwort, nächste Frage.

Die wichtigsten Aspekte blieben ungeregelt: Unverschämt hohe Zinsen bei Zahlungsverzögerung; Schuldenbefreiung durch den Verlust der Immobilie; beliebige Wertsenkung zum Versteigerungszeitpunkt.

Die PSOE-Opposition wollte nicht zustimmen, bezeichnet die Regelung als “absolut unzureichend”. Dazu ist unbedingt anzumerken, dass kleinere Parteien (IU-ICV, ERC und BNG) in den Jahren 2009, 2010, 2011, 2012 – also unter der PSOE-Regierung von Zapatero wie auch unter der PP-Regierung von Rajoy – solche Massnahmen mehrfach gefordert und als Gesetzentwurf eingebracht hatten. Die beiden grossen Parteien senkten jeweils einmütig den Daumen und schmetterten die Entwürfe einhellig ab. Dafür hat sich die PSOE in den vergangenen Tagen entschuldigt *and thanks for the fish*.

Die Banken bezeichneten das Dekret laut und vernehmlich als “vernünftige soziale Massnahme unter den gegebenen Umständen” … und werden sich bemühen, die Champagnerkorken so leise und heimlich wie möglich knallen zu lassen. Sie konnten sich wieder auf ihre Untergebenen verlassen.

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