Tag 47. Donnerstag 20. Juni 2013. Von St.-Julien-Molin-Molette bis in die Berge bei Les Setoux.
Frühstück gibt es wieder auf der Terrasse über den Dächern der Altstadt. Sogar Käse wird aufgetischt. Die Frau, die am liebsten englisch redet, zeigt uns ein kleines Kätzchen. Leider ist im Rucksack kein Platz mehr.
Dann wandern wir recht zeitig los, es geht sofort den Berg hinauf. Der Himmel ist bewölkt, später gibt es mehr und mehr blaue Stellen. Es weht ein frischer Wind. Der GR 65 zieht sich am Hang entlang parallel zur Durchfahrtsstraße. Auf einer Paßhöhe (673 m) überqueren wir die Straße. An großen Maronenbäumen vorbei sehen wir schon hinüber nach Bourg-Argental. Der Blick erinnert an ein breites Schwarzwaldtal: Dunkle Wälder, sanfte Linien, leuchtend gelber Ginster. Bourg-Argental ist ein lebendiges kleines Zentrum in der Bergen der Haute-Loire. Im Zentrum ist Markttag und so ist erst mal ein Cappu und ein Panaché angesagt. Wir haben ausgiebig Gelegenheit, die Leute zu beobachten: Die Älteren sitzen bei einem kleinen Gläschen Wein beisammen, andere haben eingekauft und bestellen einen Café, zwei Gendarmen marschieren in voller Montur die Straße entlang.
Später werfen wir noch einen Blick in die alte Kirche und auf die zahlreichen alten Häuser. Ein Wegweiser an einer alten Platane teilt den Wanderern mit, dass es noch 1605 km nach Santiago geht.
Dem Tal entlang führt der GR 65 stetig aufwärts, zieht sich auf der linken Talseite hinauf. An der sanften Steigung und der schön ausgebauten Trasse erkennen wir bald, dass wir auf einer ehemaligen Bahnlinie geführt werden. Dann folgen stillgelegte Tunnels zur Linken. Sogar ein Viadukt ist dabei: gut dass wir da nicht durch die tiefe Schlucht da unten stapfen müssen! Das Viaduc de Poulotte (Hühnchen-Viadukt) ist in den Jahren 1880 bis 1882 gebaut worden. Auf der gegenüberliegenden Talseite sehen wir die Häuser von Saint-Sauveur-en-Rue. Im Weiler La Gare rasten wir ausgiebig an einem ehemaligen Bahnhof, der als Rastplatz angelegt worden ist. Nikolaus spendiert zum Abschluss einen selbstgemachten Kirsch aus seiner eigenen Brennerei.
Nach einigen Kilometern verlässt der GR 65 dann die Bahntrasse und steigt deutlich kräftiger bergan. Auf breiten, steinigen Forstwegen geht es aufwärts und aufwärts. Einige Tropfen fallen und wir hoffen, dass der Regen nebendran vorbei zieht. Eine Parkwache (Ecogarde) überholt uns im Fahrzeug. Es wird richtig kalt und die Regentropfen werden dichter. Also packen wir nun doch die Regenmäntel aus bevor der richtige Regen einsetzt. Wir sind richtig hoch oben und fern der Zivilisation. Als der Navi 1.205 Meter Meereshöhe anzeigt haben wir den höchsten Punkt für heute überschritten. Hier oben überschreiten wir die Grenze zum Département Haute-Loire. Der Regen lässt nach, die Sonne blitzt zwischen den Wolken hervor. Dann öffnet sich der Wald und gibt den Blick frei nach Westen. Nebelschwaden steigen auf, Wolken formieren sich fotogen, wie frisch gereinigt wirkt der blaue Himmel. Der Blick auf die Vulkanberge der Auvergne ist unvergleichlich. Vor uns sehen wir einige Häuser: Das ist der Weiler Les Setoux, wo es zweierlei gibt: Die Bar La Riboule und Die Gite d’etape Le Combalou. Dort probieren wir gleich die Spezialität des Hauses: Kir mit eigenem Walderdbeer- oder Himbeer-Fruchtsirup. Als wir zur Gite gehen wird eine Kuhherde durchs Dorf getrieben: Ab in den Stall über Nacht! In der Gite belegen wir dann unsere Betten im großen Schlafsaal und lernen dabei Marc aus Karlsruhe kennen, der wenig Englisch und kein Französisch spricht. Beim Abendessen gesellen sich noch Richard und Ersillia Hughes zu uns. Richard ist 81 Jahre alt und stammt aus Australien. Ersillia und er haben in Nürnberg mit ihrer Jakobstour begonnen und erzählen begeistert von ihren Erlebnissen. Das Backpacker-Hostel in Thun (CH) hat bei ihnen offenbar die negativsten Eindrücke hinterlassen.
Das Abendessen ist reichlich und schmackhaft. Ich versuche, die Chance zu nutzen dass es hier einen Webzugang gibt, um bei meinem Provider wieder Geld aufzuladen.
Der gut gefüllte Magen lässt das Schnarch- und Schnauf-Konzert vergessen. Wir sind auf 1154 Metern Höhe und schlafen tief und fest.
23,6 Kilometer waren es heute, dabei 903 Höhenmeter Aufstiege. Unser Durchschnitt (mit Pausen) liegt bei etwa 2,9 kmh. 991 Kilometer sind jetzt beisammen.