Bisher lag mein literarischer Augenmerk auf Science-Fiction. Mein nächster Roman führt den Leser aber nicht in die Zukunft, sondern in die Vergangenheit, genauer gesagt ins Paris der 20er Jahre. Eine faszinierende Epoche mit jeder Menge Kuriositäten.
Weiße Musiker mit Farbe im Gesicht
In den europäischen Metropolen wie Berlin oder Paris war Jazz schwer angesagt, auch wenn die Europäer wenig Ahnung davon hatten. Zu der Zeit zog es viele Amerikaner nach Paris, auch schwarze Musiker, weil dort eine größere Freiheit und Toleranz herrschte als in der Heimat, wo Rassismus und Prohibition den Alltag bestimmten. Außerdem genoss Paris den Ruf, die künstlerische und intellektuelle Hauptstadt Europas zu sein. Bahnbrechende Neuerungen in den Bereichen der Literatur, der Malerei und der Musik entstanden hier. Doch es waren vor allem auch ökonomische Gründe, die schwarze Musiker dazu veranlassten, nach Paris zu kommen. Gute Musiker konnten 250-300 Dollar die Woche verdienen! Im Vergleich dazu: Lous Armstrong bekam zu der Zeit in Chicago etwa 75 Dollar die Woche und gehörte schon zu den Besserbezahlten.
Boxchampions am Schlagzeug
Die außergewöhnliche Beliebtheit von schwarzen Musikern in Paris trieb mitunter seltsame Blüten. Weil die Franzosen dachten, schwarze Amerikaner seien automatisch Jazzmusiker, malten sich weiße Musiker das Gesicht dunkel an, um engagiert zu werden. Noch skuriller war das Verhältnis des Publikums zum Schlagzeug. Damals galt es nicht als Instrument, sondern als etwas Exotisches, das Krach machte. Als einer unter vielen legte sich daraufhin der in Paris lebende Boxer Gene Bullard ein Schlagzeug zu, um zwischen den Kämpfen etwas Geld dazuzuverdienen – obwohl er nicht spielen konnte. “Ich glaube, ich war ganz erbärmlich”, berichtete er später. “Aber es schien so, dass jedes Tanzlokal einen farbigen Jazz-Schlagzeuger haben wollte.”
Kuhglocken und komische Grimassen
In den Klubs wurden lieber Schwarze engagiert, die kein Schlagzeug spielten, als Weiße, die es konnten. Mit dem Ergebnis, dass einfach nur Lärm verursacht wurde. Die Möchtegern-Musiker warfen Stöcke in die Luft, schnitten lustige Grimassen und streckten die Zunge heraus. Manche hatten sogar Kuhglocken dabei, um noch mehr Lärm zu veranstalten. Das Publikum jedenfalls war begeistert! So musste Jazz schließlich sein. Erst nach Jahren begriffen die Menschen, dass das Schlagzeug ein Instrument zur Begleitung der Musiker war. Bis dahin spielten die Schlagzeuger einfach, was ihnen einfiel. “Das Schlagzeug machte gewöhnlich einen derartigen Lärm, dass ich mich wunderte, wie die Leute danach tanzen konnten. Denn es gab überhaupt keinen Rhythmus”, erklärte der schwarze Trompeter Arthur Briggs. “Ein schwarzes Orchester zu haben, gehörte einfach zum Stil der Zeit; sozusagen als Ornament. Erst gegen 1935 waren all diese schlechten Musiker von der Bildfläche verschwunden.”
Quelle: That’s Jazz – Der Sound des 20. Jahrhunderts, Häusser Media 1997