Was tun mit den vielen letzten frischen Zwetschen in dieser Saison? Meine Güte, ist das eine Luxusfrage. Und mir geht das Herz auf, weil ich sie erstmals in meinem Leben stellen kann.
Die Antwort habe ich im Buch "Unsere Harz-Küche" gefunden. Seit ich hier bin, ist für mich der regionale Gedanke ja sehr zentral geworden und ich beschäftige mich inzwischen nicht nur privat damit - aber dazu später mehr (wenn es "spruchreif" geworden ist).
Harz und Zwetschen gehören für mich seit meiner Kindheit zusammen. Wenn ich mich richtig erinnere, dürfte meine liebe Mutter damals eine Zeit lang die gleiche Luxusfrage gestellt haben. Und dass ich mit der Verbindung Harz/Zwetschen richtig liege, bestätigt mir der Autor der "Harz-Küche", der Blogger Reiner Langwald ("Harzer Groller") mit einem außergewöhnlichen Rezept für einen Zwetschenkuchen.
Das außergewöhnlichste daran sind der hohe Butteranteil im Teig und die Verwendung von "nackten" Zwetschen. Die Früchtchen werden nämlich gehäutet, entsteint, wieder in Form gebracht und dann auf dem Teig ausgelegt. Im Rezept werden die Zwetschen allerdings zunächst in Puderzucker gewälzt, bevor sie auf den Teig kommen. Das habe ich in der ersten Version auch gemacht, fand das Vorgehen im Nachhinein aber gar nicht unbedingt nötig für das köstliche Ergebnis (was es zweifellos war). Beim zweiten Versuch (hatte nämlich viel zu viel Teig und außerdem noch immer ein paar "Was-tun-mit-den-letzten-Zwetschen") - beim zweiten Versuch also habe ich die gleiche Menge Zucker teils auf den Boden, teils auf die Zwetschen gestreut. Das Ergebnis war sogar noch ein bisschen leckerer, weil der Zucker auf dem Rand dadurch knusprig karamellisert wurde.
Wahrscheinlich hat sich jetzt aber schon der eine oder die andere gefragt: "Zwetschen enthäuten? Wie blöd ist das denn?" Ja, meine erste impulsive Reaktion war das auch. Erst recht vor dem Hintergrund, dass ich bekanntermaßen eine große Anhängerin davon bin, alle Lebensmittel so naturbelassen wie möglich zu verwenden. Aber - und jetzt komme ich auf die eingangs gestellte Luxusfrage nochmal zurück - wenn du Zwetschen im Überfluss hast und jeden Tag sowieso mindestens ein Pfund Zwetschen (mit Haut!) einfach so essen magst, dann darfst du dir das Weglassen der Ballaststoffe einfach mal gönnen. Finde ich. Und Vitamine sind nach dem Backvorgang - ob mit oder ohne Haut - ja sowieso kaum noch drin.
Die Arbeit des Enthäutens hat sich gelohnt. Glücklicherweise lebe ich ein Leben, dass nicht nur Luxusfragen aufwirft sondern auch noch einen Luxusblick auf meinen herbstlichen Garten aus dem Küchenfenster heraus bietet. Und Zwetschenenthäuten mit Luxusblick und der Muße, dabei den Gedanken nachzuhängen, lässt ein Gefühl à la "Der-Aufwand-lohnt-sich-nicht" gar nicht erst aufkommen. Die "nackten" Zwetschen auf dem fertigen Kuchen erinnern von Form und Farbe her an Datteln. Der Geschmack ist aber eindeutig köstliche saftige Zwetsche und in Kombination mit der Butter einmalig - da vermisse ich noch nicht mal Schlagsahne (und eigentlich ist ein Zwetschenkuchen ohne Sahne für mich undenkbar).
Im Originalrezept ist von Weizenmehl die Rede und ich gehe davon aus, dass damit nicht Vollkornmehl gemeint ist. Mit Weißmehl aber kann ich mir (diesen) Kuchen gar nicht vorstellen - das gäbe bei dem hohen Butteranteil (die zum Teil beim Backen "herausschmilzt" und sich köstlich mit Zwetschensaft und Puderzucker verbindet) sicher einen furchtbaren Matsch. Es sei denn, man verwendet - wie im Rezept angegeben - für eine Springform die fast dreifache Teigmenge. Aber einen zentimeterdicken Mürbeteig unter den Zwetschen? Och nö. Mit anderen Worten: Dieser Kuchen scheint mir wie geboren für einen Einstieg in die Vollkornbäckerei. Der nussige Geschmack des Einkorns (das ich hier verwendete) passt hervorragend zu den feinen Zwetschen. Und eine Befürchtung, das Vollkornmehl könnte den Kuchen grob oder/und "staubig" machen, ist hier völlig unbegründet. Nebenbei bemerkt: Alle meine Backrezepte enthalten ja das volle Korn und keines davon schmeckt grob oder staubig ;-)
Harzer Zwetschenkuchen
Zutaten
(ausreichend für 1 Tarteform)
Teig
- 200 g Einkorn, fein gemahlen
- 180 g kalte Butter
- 40 g Rohrohrzucker
- 1 Pr. Salz
- evtl. etwas Wasser oder Eigelb
- 1 kg Zwetschen (nur Früchte verwenden, die sich leicht vom Stein trennen lassen)
- 100 g Rohrohrzucker
- 1 gestr. Tl. Zimtblüten
- 1/4 Tl. gem. Vanille
- ca. 3 geh. El. Pflaumengelee, ein anderes rotes Fruchtgelee oder auch Tortenguss mit Pflaumensaft angerührt
- Mehl mit Salz, Zucker und der in Stücke geschnittenen Butter vermischen (möglichst nicht kneten, sondern lieber ein Teigmesser verwenden, damit die Butter nicht so warm wird). Sollte der Teig zu trocken sein, etwas Wasser oder Eigelb zufügen.
- Teig zu einer Kugel formen und abgedeckt in den Kühlschrank stellen.
- Zwetschen portionsweise in kochendes Wasser geben, kurz darin lassen und mit einer Schaumkelle o.ä. wieder herausnehmen. Abtropfen lassen.
- Zwetschen enthäuten, eine Längsseite vorsichtig aufschneiden und den Stein entfernen. Früchte wieder zu einer ganzen Frucht zurechtdrücken.
- Rohrohrzucker zusammen mit den Zimtblüten zu Staubzucker vermahlen, anschließend mit der Vanille vermischen.
- Backofen auf 200°C vorheizen.
- Durchgekühlten (und dadurch recht festen) Teig aus dem Kühlschrank nehmen, auf ein Brett legen und mit einem scharfen Messer in ca. 5 mm dicke Scheiben schneiden. Eine Tarteform so damit auslegen, dass die Scheiben auch den Rand locker bedecken. Nun die einzelnen Teigabschnitte durch leichtes Drücken mit den Händen gut miteinander verbinden, dabei den Rand ausformen.
- Die Hälfte des Puderzuckers mit Hilfe eines Siebs gleichmäßig auf dem Boden verteilen. Boden auf der mittleren Schiene des Backofens 10 min vorbacken.
- Kuchen aus dem Ofen nehmen und die Tarteform kreisförmig (von außen nach innen) mit den Zwetschen belegen. Den Rest des Puderzuckers darüber sieben.
- Kuchen in ca. 30 min fertig backen.
- Fruchtgelee leicht erwärmen, glattrühren und mit einem Kuchenpinsel vorsichtig auf dem heißen Kuchen verteilen. Alternativ: Tortenguss nach Packungsaufschrift zubereiten und nicht zu dick auf den Kuchen gießen (die schöne Form der Zwetschen sollte nicht eingeebnet werden)