Hans-Joachim Watzke: Und nun die nächste Neid- und Leitkulturdiskussion

Hans-Joachim Watzke: Und nun die nächste Neid- und Leitkulturdiskussion

© Klaus-Uwe Gerhardt / pixelio.de

Hans-Joachim Watzke, seines Zeichens Geschäftsführer in Dortmund bei der dortigen Borussia (die, was vielleicht in der Diskussion ja durchaus von Wichtigkeit sein könnte, im Jahre 1909 und damit 13 Jahre nach Hannover 96 gegründet worden ist), fällt nicht zum ersten Mal als geistiger Querschläger auf; aber seine nunmehrigen verbalen Ausfälle sind selbst bei wohlwollender Betrachtungsweise nur noch als wirr zu bezeichen:

Zunächst gehört dieser Zeitgenosse ja bekanntermassen zu den ärgsten Kritikern des Vereinschefs von Hannover 96, Martin Kind, der die 50+1-Regel reformieren will (Klick): in diesem Zusammenhang senkt Herr Watzke regelmässig sein Argumentationsniveau auf Stammtischhöhe; neuerdings bricht er eine Leitkulturdiskussion vom Zaun – nicht ohne vorher noch einmal seinen vor wenigen Jahre nur mit äusserstem Wohlwollen des DfB (einige Veine im Osten der Republik sind da nicht so mitfühlend behandelt worden…) an der Pleite vorbeigeschrammten Club zum neuen Krösus der Liga hoch zu stilisieren:

„Du kannst auch Sponsoren im 50+1-Modell gewinnen. Wir haben doch welche. Und wir nehmen jeden weiteren gern ins Auto, aber am Steuer möchten wir schon gerne selbst bleiben. 2006 haben wir 54 Millionen Euro Investorengeld reinbekommen, ohne dass wir den Autoschlüssel abgeben mussten. Herr Kind ist bereit, für 15 bis 20 Millionen für Hannover den Autoschlüssel abzugeben. Aber wenn du den abgibst, kommst du nie wieder zurück ans Steuer. Und es kann doch nicht sein, dass sich in Saudi-Arabien oder in China in irgendeiner Teestube acht Leute zusammensetzen und sagen: Das ändern wir jetzt in Deutschland. Für mich ist der Fußball, und das gerade hier im Ruhrgebiet, auch ein Kulturgut. Er gehört auch den Leuten“, sagte Watzke in Anspielung auf den Hannoveraner Vereinschef Martin Kind, der sich für die Abschaffung der 50+1-Regel stark macht (Klick).

Na klar, Herr Watzke, es ist natürlich viel besser, wenn wirtschaftlich allenfalls interessierte Laien in Vereinsvorständen zusammen mit solchen „Managern“ wie Ihnen in bierduftgeschwängerten Kneipenhinterzimmern oder in auf Pump hochgezogenen VIP-Bereichen die Millionen für Bundesligaspieler verbrennen als wenn dasselbe in irgendwelchen Teestuben im Ausland passiert… na, immerhin ist nicht das Wort Türkei gefallen, denn dann hätte Watzke vollständig mit Sarrazin und Seehofer auf einer äusserst niedrigen Stufe gestanden. So geht es nur gegen die bösen Araber und die gelbe Gefahr – Russen (wie ein paar Dörfer weiter) würde er wahrscheinlich mit Handkuss nehmen….

Aber immerhin, den Hinweis auf die Ruhrgebiets-Leitkultur konnte sich der fesche Herr Watzke nicht verkneifen. Jau, deutscher Fussball den Deutschen, die Bundesliga und auch die Nationalmannschaft bestehen ja nur aus Deutschen in 12. Generation…

Aber in der Sache, man mag es kaum glauben, tönt der Verteidiger der fussballerischen Leitkultur dann plötzlich, als habe er bei Herrn Kind abgeguckt (wobei unser Martin sich definitiv nicht negativ über andere Vereine geäussert hat):

Nach Watzke sei die Aufstockung des Etats bei den Fußballern aus der Autostadt Wolfsburg (Mensch, was werden denn da für Autos gebaut?) ein Beleg dafür, dass man mit viel Geld den Erfolg in gewisser Weise doch kaufen könne. Der VfL habe „kaum eine Chance gehabt, in den UEFA-Cup zu kommen, und dann hat sich auf einmal sein Budget verdreifacht, und er ist Meister geworden“.

So ein Kraftakt ist nach Ansicht von Watzke aber nur möglich, wenn man einen großen Konzern im Rücken hat: „Wenn ich mir da leisten kann, nach Millioneninvestitionen in der vergangenen Saison vor dieser Spielzeit für einen dritten Stürmer noch einmal 10,5 Millionen hinzulegen, merkt man, welche Wirtschaftskraft im VfL steckt. Und das ist so, weil Martin Winterkorn, der Vorstand von Volkswagen, gesagt hat: Jetzt will ich es mal allen zeigen.“ (Klick).

Ach, wenn der VFL Wolfsburg mehr Geld von seinem 100%-igen Aktionär kassiert als sein BVB (nämlich der Volkswagen AG, die auch ein grosses Werk in Hannover hat, ohne dass 96 davon überproportional partizipiert), dann ist das natürlich für Herrn Watzke böse, aber wenn ein Verein, der weniger Sponsoreneinnahmen hat, für Fairness der Rahmenbedingungen streitet, dann findet er es doof. Verstehe das, wer will!

Gut, bis hierhin ist das zwar alles ziemlich wirr, aber nun wird es auch noch lächerlich:

Denn nun fordert Hans-Joachim auch noch eine Veränderung des Verteilungsschlüssels zur Vergabe der TV-Gelder. Nach seiner Ansicht sollten die Klubs mit den meisten Fans vor den Bildschirmen auch entsprechend entlohnt werden. „Ich habe nicht gesagt, ein Klub soll mehr Geld kriegen, weil er große Tradition hat. Ich habe für Verursachungsgerechtigkeit plädiert. Das Geld kommt überwiegend vom TV. Es gibt Messinstrumente, wie viele Fans von welchem Klub zuschauen. Und danach sollte man zumindest einen Teil des Fernsehgeldes verteilen“, sagte Watzke in einem Interview mit der WAZ. „Wenn zehn- oder zwanzigmal so viele Fans des BVB zum Beispiel Abonnenten von Sky sind und Spiele gucken, dann muss das im Sinne der Verursachungsgerechtigkeit für uns einen Erlös bringen. Wir sind doch gemeinsam mit Schalke, Bayern, Hamburg und ein paar anderen die, die den Boom erzeugen.“ (Klick).

Klar, deswegen waren auch gestern gegen den 1. FC Köln ja „nur“ über 40.000 Zuschauer im Stadion in Hannover… und auch in den anderen Stadien herrscht gähnende Leere, wenn nicht gerade die supertollen Bundesligaprofis aus Lüdenscheid-Nord aufschlagen und ihre überall beliebten Fans mitbringen… Und was macht denn der superschlaue Herr Watzke dann mit den vielen Fans, die in Flensburg wohnen und trotzdem den Bayern die Daumen drücken? Klar, im Herzen sind alls Sky-Abonnenten Fans seines Clübchens…

Im übrigen, Herr Watzke, selbst wenn es so wäre, wie Sie sagen! Mit 4 Mannschaften kann man keine Liga bestreiten, und mit 4 starken Mannschaften und 14 Vereinen als Kanonenfutter ebenfalls nicht. Und in manchen Gegenden in Deutschland wohnen eben ein paar mehr Menschen pro Quadratkilometer, dafür gibt es wiederum an anderen Stellen ein paar Witschaftsunternehmen, die mehr Geldreserven haben – das nennt man, auch in Zeiten der unsäglichen Leitkulturdiskussion: Vielfalt.

Schön, dass Bayern München als tatsächlicher Leitwolf in der Liga (sind die Bayern nun einmal, das müssen wir alle fair anerkennen… auch das schwatz-gelbe Biene-Maja-Gesumms aus dem Westen) sachlich bleibt und nicht auch noch in diese geistigen Tiefflüge aus dem Ruhpott einstimmt. Der deutsche Rekordmeister will die große Solidarität innerhalb der Liga beibehalten. „Hoffenheim, Wolfsburg und Leverkusen haben auch eine Tradition, auf die ihre Fans stolz sind“ (Klick) kommentiert Karl-Heinz Rummenigge: „Ich finde das respektlos. Leverkusen zum Beispiel hat mit seinen internationalen Punkten mehr für die Bundesliga getan als Dortmund“, so der FCB-Vorstandsboss in der „BamS“.


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