Mit Brüssel kann man alles und nichts verbinden. Für Liebhaber der Stadt ist die belgische Metropole jeden Cent wert, für andere überteuert. Brüssel-Fans finden die Kontraste allgegenwärtigen Kontraste spannend, andere abstoßend. Wer Kunst und gutes Essen mag, wird ein Fan der Stadt werden. Besonders Freudne des Jugendstils werden Victor Horta huldigen wollen. Der weltberühmte Architekt errichtete in der Rue Américaine im Brüsseler Viertel St. Gilles sein Wohnhaus und Atelier, dessen Besuch ein Glanzpunkt im Leben jedes Jugenstil-Fans sein dürfte. Wer Comics etwas abgewinnen kann (Stadtplan mit eingezeichnetem "Comic-Rundgang" ist in der Tourist-Information erhältlich), kommt an Brüssel ebenso nicht vorbei wie Anhänger der Malkunst von Henri Magritte.
Doch neben einigen glanzvollen Superlativen gibt es auch dunkle Seiten der EU-Hauptstadt. Wer wie ich seit mehr als 25 Jahren die belgische Metropole regelmäßig besucht, erschrickt zunehmend. Europas Herz wächst sich zunehmend auch zur Hauptstadt des Verbrechens aus. Mit Abstand erst folgen im Ranking der gefährlichsten europäischen Metropolen London, Amsterdam, Tallinn und Kopenhagen. Die Liste der no-go-areas bei Dunkelheit würde lang werden. Taschendiebstähle und Raubüberfälle sind leider bereits bei Tage zur Normalität geworden, Gewalt bei Nacht sowieso. Die Polizei wird von Jahr zu Jahr machtloser. Anderlecht oder Schaerbeek pulsiert bei Tage ebenso wie Molenbeek, doch sobald die Lichter angehen, wird es nicht selten eine unerfreuliche Gegend für Besucher und Einwohner gleichermaßen. Aber:
Ein Narr, wer jetzt glaubt, um Brüssel eine großen Bogen machen zu müssen. Eine Besonderheit: Dort muss man die Sinne etwas mehr schärfen als anderswo. Nicht mehr, nicht weniger. Wer nie in Brüssel war, hat etwas verpasst in seinem Leben!
Anreise
Z. B. mit dem Flugzeug für kleines Geld (ca. 65 Euro) mit easyjet von Berlin-Schönefeld. Auch von Hamburg kommt man nonstop in die belgische Metropole. Mit der Bahn ( Thalys, ab 78 Euro von Köln) oder von Frankfurt am Main. Ich empfehle, am Gare du Nord auszusteigen, der Gare du Midi ist nicht so zentral gelegen.
Mit dem Auto sind es von Frankfurt am Main ca. dreieinhalb Stunden. Die Parkplatzsituation in Brüssel ist angespannt - das Hotel sollte möglichst eine Tiefgarage haben. Wer mit dem Wohnmobil gen Brüssel reist, sollte in Sachen Stellplatz ebenso kreativ wie nachts frei von Angst sein. Es geht! Kostenfreies Overnight-Parken funktioniert z. B. unmittelbar am Atomium. Der nächstgelegene Campingplatz, von dem man mit dem Bus nach Brüssel fahren kann, befindet sich in 1850 Grimbergen/Bruxelles ( Link).
Fortbewegung in der Stadt: DieMetro nutzen (10 Fahrten kosten 14 Euro)! Taxis sind teuer und kommen in den Spitzenzeiten schlecht voran. Wer ein zentral gelegenes Hotel bucht, kommt im Zentrum fußläufig gut zurecht.
Sightseeing:
Wenn man sich auf Schusters Rappen durch das historische Zentrum begibt, beginnt am am besten an der Kathedrale. Eine weitere Möglichkeit, in kurzer Zeit viel zu sehen, ist die Fahrt mit dem Bus (inkl. Erläuterungen über Kopfhörer - Link).
Das Brüsseler Rathaus wurde im 15. Jahrhundert in nur 20 Jahren erbaut. Erst ein paar Jahre später (1455) entstand der heutige 96 Meter hohe Rathausturm (Belfried). Der Prachtbau auf dem Grote Markt ist ein bedeutsamer Bau der Brabanter Gotik und diente als Vorbild weiterer Rathäuser. Die an der Fassade zu sehenden Skulpturen sind Reproduktionen (die Originale stehen gegenüber im Stadtmuseum).
Der Große Markt ist mit zahlreichen Straßencafés und Restaurants "bepflastert" und gewinnt am Abend noch an Charme hinzu, wenn die historischen Fassaden eindrucksvoll illuminiert werden. Im Juli endet auf dem Platz der sogenannte Ommegang, eine Prozession in historischen Kostümen, die bereits seit Mitte des 14. Jahrhunderts stattfindet. Alle zwei Jahre wird auf dem Großen Markt ein riesiger Blumenteppich ausgebreitet.
Geht man vom Grote Markt am Rathaus vorbei in eine kleine Gasse, steht man wenige Dutzend Meter weiter an einem weiteren "Wahrzeihen" der belgischen Hauptstadt: Petit Jean heißt das kleine Kerlchen, das als Manneken Pis besser bekannt ist. Das nur 60 Zentimeter kleine Männchen, zieht winters wie sommers alltäglich Tausende an und ist stets dicht umlagert. Mutmaßlich ist das Manneken Pis das meistfotografierte Motiv in ganz Brüssel! Seit 1998 wird das Kerlchen auch eingekleidet - rund 800 Kleidungsstücke soll es bereits getragen haben. Mit dem Besuch beim kleinen Pinkelmännchen sollte man es belassen - diese Gasse ist die Krönung von Nepp und Betrug in Brüssel!
Etwas ruhiger als im Herzen der Stadt geht es bereits wenige hundert Meter weiter zu - gut erkennbar an deutlich weniger Touristen! Unweit der sehenswerten Kirche Sainte-Catherine befinden sich entlang des ehemaligen Fischmarkts (Foto) zahlreiche Restaurants mit einem bedeutend besseren Preis-Leistungs-Verhältnis als rund um den Markt! Gestärkt kann man dann in die Metro steigen und zum Heyselpark fahren. Neben dem Atomium befinden sich dort das Mini-Europa, ein Spaßbad, das Fußballstadion sowie die Gebäude der Weltausstellung (1958). Auf dem Rückweg vom Heyselpark unbedingt der Nationalbasilika des Heiligen Herzens (Basilique Nationale du Sacré-Cœur) einen Besuch abstatten! Die im Art-Deco-Stil zwischen 1905 und 1970 erbaute Basilika gilt als fünftgrößte Kirche der Welt.
Übernachtung
Bevor man einen Trip gen Brüssel bucht, sollte man sich ansehen, wann die versammelten Eurokraten mal nicht vor Ort sind - dann fallen nämlich die Hotelpreise teils ganz erheblich! In Europas Hauptstadt den Cent zum Kupferdraht zu drehen, dürfte dennoch schwer fallen! Das Hotel Albert glänzt mit halbwegs zentraler Lage und einem preiswerten Frühstück (6 Euro p. P.), über die Herbergen mit Schlafsälen höre ich sehr durchwachsene Meinungen. Am besten kamen The Captaincy Guesthouse und das hello hostel weg.
Zentrumsnah kann ich guten Gewissens im mittleren Preissegment das Ibis unweit der Grand Place ebenso empfehlen wie das ruhigere Ibis (Rue Joseph Plateau N°2) ein paar hundert Meter entfernt. Im sehr zentral gelegenen NH Brussels Carrefour de l´Europe macht man nichts falsch, was auch für das Hotel Mozart gilt.
Wer Mondänes nicht nur haben möchte, sondern auch gern bezahlt: Das Rocco Forte Hotel Amigo ist ebenso eine Luxus-Sünde wert wie das Hilton Brussels Grand Place oder dem etwas ab vom Schuss gelegenen Hotel Odette en Ville.
Wer abends noch gewillt ist, ein paar Kilometer aus Brüssel wieder hinauszufahren, findet sicherlich auch noch Sparpotenzial.
Essen & trinken
Es sollte sich herumgesprochen haben, dass man in Belgien ebenso gut speisen kann wie beim Nachbarn Frankreich. Immer wieder werde ich von Landsleuten gefagt, wo man "gut und billig" essen kann. Meine Standard-Antwort: Nirgendwo auf der Welt - und in Brüssel schon mal gar nicht. Ein Hauptgericht für Gourmets, bei dem Maggi & Co. ebensowenig wie andere Geschmacksverstärker beteiligt waren, der Fisch und das Fleisch erstklassig und die Beilagen genießbar sind, wird man unter 35 Euro wohl nicht finden. Belgische Fritten (Fritkot) sind legendär. Der einzige Grund, sich in die Nähe des Europaviertels zu bewegen, heißt deshalb definitiv Maison Antoine.
Wer mit gutbürgerlicher Küche am Abend gut leben kann: Liebhaber von Fisch und Krustentieren werden bei Bij den Boer (am Fischmarkt) nichts zu meckern haben, denn ein Drei-Gang-Menü gibt es bereits ab 24,50 Euro. Den kleinen Hunger stillt man gut bei La Mer du Nord nahebei. Wer unweit vom Fischmarkt einen unbändigen Appetit auf Fleisch hat: La Brasserie du Jaloa (Place Sainte-Catherine 5-7).
L'Idiot du Village muss man erlebt haben, schwer zu beschreiben. Wer keinen Humor hat, sollte fern bleiben!
Wer sich zu den Feinschmeckern zählt (und gut bei Kasse ist!), wird im Bruneau (nicht weit von der Basilika) selig werden. Speis & Trank sind ebenso excellent wie die Preise gesalzen sind. Eine erste Gourmet-Adresse ist La Villa Lorraine (Avenue du Vivier d'Oie 75). Das Essen ist Spitzenklasse, dumme Gesichter der Brüsseler Aristokratie und von EU-Spesenrittern gibt es umsonst. Die gastliche, außerhalb liegende Stätte setzt voraus, dass neben dem Trinkgeld noch genügend Kleingeld für die Taxifahrt ins Zentrum vorhanden ist.
Was wäre Belgien ohne seine Pralinen? Neben den Geschäften die Neuhaus, Godiva oder Leonidas anbieten, lohnt es sich, in der Weltklasse-Chocolaterie von Pierre Marcolini (Rue Des Minimes 1 - am Place du Grand Sablon) einzukaufen.
Zum Bier-Paradies Belgien werde ich mal an anderer Stelle ausschweifen, nur so viel: Am Délirium Café sollte man nicht vorbeigehen. Diese Bar wurde aufgrund ihres extrem vielfältigen Bierangebots ins Guinness-Buch der Rekorde aufgenommen. Der Name geht auf das Flaggschiff der belgischen Privatbrauerei Huyghe zurück - das Starkbier Delirium tremens. Das gastliche Haus befindet sich im Getrouwheidsgang, ganz in der Nähe des Großen Markts. Die Verkostung eines Trappisten-Biers sollte in Brüssel nicht versäumt werden!
Mehr als originell, wenngleich nicht wirklich zentral gelegen: The Flat (Rue de la Reinette 12), eine Bar, die wie eine Wohnung aussieht! Kostenloses WLAN, bezahlbare Getränke. Technik-Fans sollten den Weg zum Jubelpark (Parc du Cinquantenaire) nicht scheuen. Neben dem sichtbarsten Baudenkmal - dem Triumphbogen (Foto) - befindet sich dort das Autoworld Museum mit einer großen Oldtimer-Sammlung. In einer weiteren historischen Halle das Musée Royal de l'Armée (Militärmuseum) untergebracht.
Wer einen etwas längeren Spaziergang nicht scheut, geht auf Schusters Rappen zum Justizpalast, genießt den Blick hinab aufs Brüssels historisches Zentrum und geht dann zur Kathedrale Notre Dame du Sablon (vor allem für Liebhaber der Abteilung "Kunst & Krempel" ist die Gegend jetzt sehr empfehlenswert, Stichwort: Flohmarkt auf der Place du Grand Sablon jeden Samstag von 9 bis 18 Uhr und jeden Sonntag von 9 bis 14 Uhr). Das Magritte-Museum ist nicht weit weg, ebenso der Königliche Palast.
Wer jetzt genug flämisches "Blut" geleckt hat, kann getropst genBrügge weiterreisen.
Schreibender vielreisender Backpacker und Reisemobilist