Guttenberg vorübergehend nur doppelt gefaltet

Kennen Sie schon die "heilige Dreifaltigkeit des deutschen Bürgers"? Das ist ein Begriff aus der Kaiserzeit. So von 1871 bis 1918 und so. So wie es bei Heinrich Manns Roman "Der Untertan" erklärt wird und worüber sich Arbeiter und Anti-Faschisten immernoch lustig machen. Falls Sie den hundert Jahre alten Klassiker zufällig nicht in der Schule gelesen haben, erteile Ihnen gerne kurz Nachhilfe:

Guttenberg vorübergehend nur doppelt gefaltetIn dem Roman geht es um einen jungen aufstrebenden Mann aus dem gewöhnlichen deutschen Bürgertum und wie sich sein Lebensweg in der Zeit des zweiten deutschen Kaiserreichs abzeichnet. Er wird also geboren, wächst in dem Bewusstsein auf, dass er Stammhalter ist und später Leiter von Papis Firma wird. Und neben dieser hohen Verantwortung hat er noch ganze drei Lebensziele, die ihn von der "Vervollkommnung des deutschen, männlichen Bürgers" trennen.

Das erste ist schnell erreicht: Der deutsche Bürger leistet seinen Wehrdienst ab, dient vielleicht noch ein bisschen länger und wird schließlich "Offizier der Reserve in der kaiserlichen Armee". Das zweite dagegen benötigt geistige Anstrengung und ist ein mit dem "Doktortitel" abgeschlossenes Studium. Die dritte Sache schließlich ist die Erhebung in den Adelsstand. Sie ist zugleich die Schwerste und verlangt ein Leben voller Aufopferung für die Monarchie und das Vaterland.

Und das alles hat der KT Guttenberg erreicht!

Ok. Erreicht gehabt. Von der heiligen Dreifaltigkeit sind grad nur zwei Falten übrig. Im Momentan "ruht" also die eine davon auf seinem Ausweis, auf den Flugzeugtickets sowie in den elektronischen Ausdrucken der CSU und des Bundestags. Macht nix. So einen Barontitel kann man schließlich niemals verlieren! Und er ist ja auch immernoch Reserveoffizier und stützt damit aktiv unser Vaterland gegen alle Feinde dieser Welt die uns niemals angreifen könnten, wenn wir nicht zu denen nach hause fahren und uns ihnen als ungerechte Opfer anbieten!

Zurück aber nochmal zum Onkel Doktor. Warum hat dieser Baron, dieser Unternehmersohn, dieser steuerverschwendende Wehrdienstabsolvent es so nötig gehabt, sich einen akademischen Grad noch zuzulegen? Damit er mit den anderen hohen Alphatieren in Wirtschaft und Politik auf Augenhöhe begegnen kann? Damit deutsche-Inge-Normal-Mensch Respekt vor den weltlichen Leistungen dieses blauen Blutsbruders gewinnt und denkt: "Der sieht ja aber gepflegt aus! Und ist auch von echtem blauen Blut! Aber, nein! Dumm ist der gar nicht! Der hat nämlich was drauf! Im Gegensatz zu all den Royals wie diesen Pinkelprinzen und diesen Türken, Sozis und Gewerkschaftern mit ihren Lehrjahren und dem zweiten Bildungsweg!"

Darf ich Ihnen was verraten? Vor hundert Jahren dachten die Deutschen schon das Gleiche. Der ältere Bruder von unserem bürgerlichen Nobelpreisträger Thomas Mann hatte darüber (s. oben) ein Buch geschrieben.

Und das ist das eigentlich tragische hinter dieser ganzen Plagiatsaffäre

Guttenberg vorübergehend nur doppelt gefaltet

Warum müssen Menschen sich hinknien und der Wissenschaft und dem Establishment jahrelang in den Allerwertesten kriechen wenn sie doch eigentlich etwas wollen, dass man sonst auch durch gute, sinnvolle Taten im wirklichen Leben erreichen kann: Einen guten Ruf und ein bisschen Respekt.

Warum haben wir uns immernoch diesen Untertanengeist bewahrt, wo man denkt, dass jemand mit akademischen Grad viel besser sich als gesellschaftliches Leittier anbietet als jemand ohne? Erst recht mit sowas total überholtem wie diesem Adelstitel?
Ich kann die Frage nicht genau beantworten, würde aber das wohl mit schwärmerischer Schlichtheit und dem ungebrochenen Willen zur Naivität bei den Menschen generell erklären.

Und genau diese großartigen Eigenschaften der Menschen und abermals des deutschen Volkes könnten nachher ihn vom politischen Strick bewahren. Sehen Sie auch dazu das Interview mit Gregor Gysi in der Tagesschau über unterschiedliche Maßstäbe für unterschiedliche Politiker an. Am Ende nimmt der Guttenberg sich noch ein Vorbild an Berlusconi und sagt: "Lieber schlecht getrickst als schlecht frisiert!" und alle Deutschen lieben ihn dafür!

Was tröstliches zum Schluss

Ich jedenfalls freu mich darüber jetzt den Beweis zu haben, dass der KT aus Guttenberg nicht nur ein schlichter Betrüger, sondern auch ein Vollidiot ist, der sich anscheinend die Arbeit von einem Ghostwriter schreiben ließ ohne sie selbst nochmal zu kontrollieren!

Liebe Untertanen! Liebes deutsches Volk! Bitte versteht langsam mal, dass Eure Führer auch alles nur ganz einfache und dumme Gemüter sein können. Und übertollen Respekt bekommt man nicht von einer Uni verliehen, sondern den muss man sich verdienen!

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