Höchst erfolgreich, dabei aber immer unterhaltsam und politisch zugespitzt, so schreibt der ehemalige Nobelpreisträger Günter Grass seit seinen späten Hits "Was noch zu sagen wäre" und "Die Schande von Soundso" hier bei PPQ seinen poetischen EM-Blog.
Mit Papier und Bleistift saß Grass auch gestern gespannt vor dem Volksempfänger, heute nun liefert er seine gedichterte Spielkritik. Doch Kritik? Nein, wo sich andere Begleiter des Weges der deutschen Mannschaft zum Titel dazu versteigen, krümelkackend zu beckmessern, strahlt der Nobelpreisträger Zufriedenheit und Zuversicht aus. "UNbesiegbare Löw-en" nennt er die Elf von Jogi Löw. Sprachlich ist der neue Grass wie immer das Allergrößte, doch auch die Analyse und das nationale Pathos kommen nicht zu kurz.
Im Schatten der Schande
die ich empfände
wenn ich Holländer wär
schreibe ich dies
glücklich dass ich keiner bin
sondern Sieger wundgelegen
im eigenen Angstschweiß
den ich zapfe als Tinte
für diese Hymne
an die unbesiegbaren Löw-en
von Jogi Löw
dem Domteur unserer Träume
dem schreienden Boten
unserer Sehnsucht
nach Punkten aus Stalins Panzerstadt
Was für ein Abend
was für Gefühle die ich
spüre als Gomez trifft
in mir hat ich staune
ein anderes Deutschland
eine Chance
ich gönne den Nachbarn
heute nichts
Es läuft bei den Löw-en
Lahm flink wie Windhund
Khedira präsent
Schweini erholt
und wie Özil rennt
nicht alles gelingt
nicht jeder spielt stark
doch Robben verzweifelt
und Sneijder gibt auf
für ein Rettungspaket
ist es längst zu spät
in Charkow Charkiv Kharkiv
wie immer sie heißt
die Stadt aus Hitze
meine Fanverkleidung
ist mein blutendes Herz
Lemberg wir kommen über Danzig
schrieb ich vorab
und nun sind wir wieder unterwegs
ohne Stahlhelm ohne Zweifel
das Ziel ist der Weg
der Titel ganz nah