Jetzt bleibt mir also auch noch ein bisschen Zeit, mit der Vergangenheit aufzuholen …
Am Sonntag, den 12. wird in Condega (und ich glaube in ganz Mittelamerika) das Fest der Virgen de Guadalupe gefeiert. Also, die Jungfrau Maria, die vor langer Zeit einem lateinamerikanischem Bauern erschien. Es gibt in Condega einen Stadtteil, der Guadalupe heißt, logisch also, dass der Festzug dort beginnt. Angefangen wird offiziell schon am Abend des vorhergehenden Tages, wo sich Männer in Guadalupe einfinden um die Statue der heiligen Jungfrau Maria bewachen. Angeblich kommen da neben einer Menge Männer auch mindestens ebensoviel Alkohol, also eine eher feuchtfröhliche Angelegenheit.
Am nächsten Tag wird dann um zwei Uhr nachmittags eine Messe in der großen Kirche im Viertel Guadalupe abgehalten, die wie eine Kirche ohne Wände aussieht, also ein Dach auf Stelzen. Nachdem zu dem religiösem Teil ein indigenes Fest dazu kommt, ist ein großer Teil der Besucher als indigene Ureinwohner verkleidet und geschminkt. Uns arglosen Ausländern wird daraufhin geraten sich auch zu verkleiden, um nicht vor Ort mit Farbe beschmiert zu werden. Um 12 Uhr kommen wir drauf, dass ich keine Hose habe, die zu meinem indigenen Hemd passt, also hetzen wir durch die Stadt und suchen was. Am Ende wird in absoluter Rekordzeit von eineinhalb Stunden aus ein paar Metern Stoff eine absolut fabulöse Leinenhose genäht, die zwar ganz schön weit ist, aber gerade deshalb ganz schön indigen aussieht.
Um halb vier kommen wir beim Fest an und ganz nach nicaraguanischen Verhältnissen ist natürlich die Messe immer noch im Gange. Die ist etwas kontrovers, wenn man bedenkt, dass ein katholischer Pfarrer gegen die spanischen Konquisitoren schimpft. Und das in einem Stil, wie man ihn aus Hollywood kennt, wenn schwarze Priester und Prediger gezeigt werden: Mit Herzblut und Überzeugung, nur die Musik fehlt. Kontrovers deshalb, weil der katholische Glauben vorher in Lateinamerika einfach inexistent war – jedenfalls, soweit ich das verstanden habe. Jedenfalls ist außerhalb des Kirchenpavillions nicht viel religiöses zu entdecken, wenn man all den Eis-, Ball- und Hutverkäufer beim Heiserschreien zusieht.
Viertel nach vier (also eine Fünfviertelstunde nach Plan) beendet der Pfarrer seine Predigt und ganz langsam bewegt sich die Masse in Richtung Stadtzentrum. Ein paar der noch nüchternen Männer vom Vorabend nehmen die Statue auf ihre Schulter und tragen sie unter viel Gesang und Tanz im Fluss der Menge Richtung Panamericana, von der aus es dann zum Stadtpark geht. Es wird, wie bei der Parade der Schultrommler, wieder einmal sichtbar, wieviele Menschen in Condega und näherer Umgebung wohnen.
Ganz gewaltig sieht man auch die Kluft zwischen Arm und Reich: Die Reichen stehen mit ihren Kameras in der Hand in der Nähe ihrer Pick-Ups und Jeeps während der riesige Rest sich im Getümmel befindet. Während aber die Reichen – das dürfte eine Regel sein – dreinschauen, als würden sie gezwungen hier zu sein, aber eigentlich interessiert es sie nicht, geht im Herzen des Menschengewühls richtig die Post ab, Menschen werfen Zuckerl durch die Gegend, Kinder versuchen sie zu fangen und es wird viel zur Musik der Band getanzt. Und weil es ja so schönes Wetter hat, ist gerade ein Schmetterlingschwarm nach Norden unterwegs. Das heißt, tausende kleine weiße und gelbe Schmetterlinge begleiten die Prozession – und der Großteil der Menschen schreibt dies dem religiösem Fest und dessen Übervater zu
Nach fast zwei Stunden und satten zwei Kilometern kommen wir im Stadtzentrum an, wo noch eine Runde gedreht wird, bevor die Prozession in der Kirche verschwindet. Währenddessen wird das – für meine Erlebnisse in Condega – bisher größte Feuerwerk gezündet, bei dem zum ersten Mal mehr Farben als Krach zu erleben sind.
Aber jetzt, damit man sich auch in Europa was darunter vorstellen kann: Bilder!
Das große Warten vor der "Kirche"
Die Menge bewegt sich durch das Viertel Guadalupe, wo auch La Fraternidad zuhause ist
- So und ähnlich sehen die verkleideten Frauen aus
- Männer hingegen präsentieren sich so bis völlig schwarz bemalt
- An jeder Kreuzung und unter jedem größeren Baum wird Halt gemacht und sich im Kreis gedreht
- Die Kinder unter der Trage habe ich erst auf dem Foto entdeckt
- Um 18:00 erreichen wir den Hauptplatz – fast zwei Stunden für zwei Kilometer
Und morgen gibts den Bericht der bisher interessantesten, längsten und überhaupt, besten Reise in Nicaragua.