Grün

Natürlich rede ich mir ein, meine in den vergangenen Jahren gewachsene Liebe zum Gärtnern sei auf meinem ureigenen Mist gewachsen und selbstverständlich weise ich mit einem gewissen Stolz darauf hin, dass ich schon in meiner Kindheit den Drang ins Grüne verspürte. Damals, als ich täglich meine Runde ums Haus drehte, um nachzusehen, ob alles wie gewünscht grünte und blühte. Es muss noch irgendwo diesen Schulaufsatz geben, der belegt, dass der Same meiner heutigen Leidenschaft in den frühen Achtzigern gesät worden ist.

Es soll mir also keiner kommen und behaupten, ich sei einfach eine der vielen, die mitreiten auf der Welle des Urban Gardening, des Topfgärtners, dem Ruf nach mehr Biodiversität, dem Schrei nach mehr Grün in der Betonwüste. Natürlich mache ich mir vor, meine Ziele seien höher als jene der grossen Masse, die mit Gummistiefel und Gartenschaufel einfach nur hip sein wollen. Mir liegt daran, den Kindern etwas weiterzugeben, was sie heute nicht mehr so selbstverständlich mitbekommen wie wir damals; der Umschwung ums Haus, der irgendwann – wohl in den Siebzigern – mit Steinplatten zu einem pflegeleichten, aber toten Aussenraum verunstaltet wurde, soll zum Lebensraum für Pflanzen und Kleingetier werden. Ja, so hehr sind sie, meine Ziele. 

Und doch schleckt keine Geiss weg, dass ich mit meiner Lust am Gärtnern einmal mehr ein Kind meiner Zeit bin. Genau so, wie ich mit zwölf ein Kind meiner Zeit war, als ich über das Robbenschlachten heulte, mit vierzehn, als ich Michael Jackson anhimmelte, mit sechzehn, als ich ein Austauschjahr in den USA machte und   über den plötzlichen Fall des Eisernen Vorhangs staunte, mit zwanzig, als ich wortgewaltig über die Chancengleichheit zwischen Mann und Frau palaverte, mit dreiundzwanzig, als ich Bio-Produkte zu kaufen begann und mir trotz anfänglicher Bedenken ein Handy zulegte, mit vierundzwanzig, als ich einen ersten Internetanschluss in der Wohnung installieren liess, mit fünfundzwanzig, als ich eine überzeugte aber tolerant gegenüber Andersdenkenden auftretende Verfechterin der natürlichen Geburt und des Stillens wurde und von einer Wassergeburt träumte, mit sechsundzwanzig, als ich die Angst vor dem Millennium-Bug belächelte, mit achtundzwanzig, als ich über George W. Bush schimpfte, mit dreissig, als ich zu Apple konvertierte, mit zweiunddreissig, als ich immer lauter über die ungerechte Situation der Familien in der Schweiz zu lamentieren begann, mit vierunddreissig, als ich mir ein Blog einrichten liess, mit siebenunddreissig, als meine Ablehnung der Atomkraft durch Fukushima noch mehr Schub bekam. Und jetzt greife ich eben vermehrt zu Harke, Rechen und Gartenschaufel, lege einen Komposthaufen an und mache mir Gedanken, wie “unser” Grund und Boden zum Guten verändert werden kann. So wie viele, die in den Siebzigern geboren, in den Achtzigern und Neunzigern aufgewachsen und im neuen Jahrtausend erwachsen geworden sind. 

Natürlich, all dies habe ich mit meinen ganz persönlichen Eigenarten und Empfindungen gelebt, ich habe nicht alles mitgemacht – Techno war nicht mein Ding -, war zuweilen meinen Altersgenossen voraus, hinkte dafür in anderen Fällen weit hinter ihnen her, immer wieder mal eckte ich auch an, weil meine Meinung sich nicht immer nach dem Mainstream richtete. Ja, ich bin ich selbst, aber eben auch Produkt der Zeit, in der ich geprägt und geformt worden bin und deshalb wird auch von mir die Rede sein, wenn man später mal sagt: “In der Generation unserer Eltern wurde vermehrt Wert auf Ökologie, nachhaltiges Handeln und sorgsamen Umgang mit den Ressourcen gelegt.” 

Ich hoffe sehr, dass es nicht bloss beim Trend bleibt, sondern dass es uns gelingt, der kommenden Generation einen natürlicheren und grüneren Start ins Leben zu bieten. 

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