Griechenland: Der Neoliberalismus kämpft um das Überleben

An und für sich dürften vielen Bürgern in der EU seit der Griechenland-Krise bzw. der “zerstörerischen Austeritätsorgie” (=überzogenes Sparprogramm, das zur Nachfragerückgang und weiterer Arbeitslosigkeit führt) der TROIKA, voran Deutschland, klar sein, dass es um mehr als nur die Rettung des EURO geht. Zur Debatte steht die AGENDA 2010 sowie, einhergehend damit, die Umverteilung von Vermögen und Einkommen von unten nach oben bei gleichzeitiger Schwächung der Wettbewerbsfähigkeit der anderen EU(RO)-Länder.

In einem Streitgespräch zwischen Prof. Heiner Flassbeck und Prof. Thomas Straubhaar wird die derzeitige Lage in Europa, auch vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Absichten, offenkundig.

Während Prof. Heiner Flassbeck zukunftsorientiert argumentiert, hält Prof. Thomas Straubhaar an der Regierungslinie fest; er will die Hinweise / Tatsachen bzw. die Bedeutung des in Deutschland praktizierten “Lohndumping”, einhergehend mit der AGENDA 2010 bzw. dem enormen Anstieg von “Billigst-Arbeitsplätzen”, nicht mehr hören. Bekanntlich lässt sich gegen die allseits nachvollziehbaren Fakten schlecht “neoliberal” argumentieren.

Während Prof. Flassbeck auf den Neuanfang Griechenlands setzt, deshalb analytisch die Beendigung der Ursachen für die Wettbewerbs-schwächen der anderen EU(RO)-Länder fordert, verharrt Prof. Thomas Straubhaar in der bekannten Verweigerungshaltung der Bundesregierung. Er sträubt sich zuzugeben, dass die  weit überzogene SPARPOLITIK Griechenland noch tiefer in die Krise mit enormem Schuldenanstieg getrieben hatte und die Politik des weiteren Sparens nur noch Öl in den ökonomischen (Euro-)Flächenbrand gießen würde, den die TROIKA mit zu verantworten hat.

Auch Dr. J. Jahnke betreibt auf seiner Homepage eine Art “Stückwerktechnologie” (nach Prof. Dr. Erich Staudt: Planung als Stückwerktechnologie), wenn er lediglich die Vergangenheit Griechenlands, mit den unbestreitbaren Fehlentwicklungen, geschickt aufarbeitet, dabei aber die aktuelle Thematik völlig ausblendet, nämlich, plakativ gesprochen, die Fortsetzung der neoliberalen Politik mit dem Ziel, mindestens 1/3 der Bevölkerung (europaweit) in Armut zu halten, oder die soziale Marktwirtschaft auf EU-Ebene durchzusetzen. Die Bürger in Griechenland hatten die Fragestellung verstanden und konsequent den neoliberalen Zeitgeist und die alten Oligarchie-Strukturen abgewählt; die Bürger in Spanien und Frankreich sind ebenfalls aufgewacht und haben sich auf den Weg gemacht, die demokratiefeindliche Ideologie der Umverteilung von unten nach oben ein Ende zu bereiten.

Er trägt – gewollt oder ungewollt – mit der rückwärtsgewandten Analyse dazu bei, den Blick für die notwendige Erneuerung der EU zu verstellen. Die “Stückwerktechnologie” besteht darin, punktuell richtig analysierte Fakten darzustellen, die allerdings nur punktuell die Fehlentwicklungen der Vergangenheit bestätigen. Wenn solchen Stückwerk-Analysen und Grafiken in der aktuellen Situation bzw. Weichenstellung – Grexit oder Verbleib Griechenlands im Euro – ein Sinn abgewonnen werden soll, dann besteht er allenfalls darin, bekannte / erkannte Fehler nicht zu wiederholen bzw. die Konsequenzen daraus zu ziehen.

Mit dem emotional ausgetragenen Streit zwischen den Spitzenpolitikern Deutschlands und Griechenlands wird deutlich, dass es um vielmehr als ein paar Milliarden Euro für Griechenland geht: Es geht vielmehr darum, ob sich Griechenland insbesondere der in Deutschland vorangetriebenen neoliberalen Politik der gezielten Verarmung / Versklavung von etwa 1/3 der Bevölkerung beugt, damit die oberen Zehntausend weiterhin nahezu leistungslos ihr Millionen- und Milliarden Geldvermögen erhalten können.

In der KRISE hatte der “neoliberale Zeitgeist” das wahre Gesicht gezeigt, als die unbeteiligten Bürger sogar für die toxischen Spekulationen und kriminellen Bankgeschäfte in die Haftung genommen werden. Die EU hat, was eigentlich aus rechtlichen Gründen unglaublich ist, die Haftung der Unbeteiligten sogar in Regelwerke zur Bankenabwicklung überführt.   Die Niedrigzinspolitik als Instrument der Bankenrettung führt jedenfalls zu erheblichen Kaufkraftverlusten für den Mittelstand und die Rentner. Derzeit ist (noch) nicht absehbar, ob damit den Lebensversicherern nicht ein “Bärendienst” erwiesen wurde. Denn es ist davon auszugehen, dass einige Versicherungen die Finanzierung der “Alt-Verträge” (Auszahlung der Versicherungssumme) nur bewerkstelligen können, wenn in ausreichendem Umfang neue Versicherungen abgeschlossen werden können.

Kern der EU, das dürfte einige überraschen, ist die EWIGKEITSVORSCHRIFT bzw. GARANTIE der Freizügigkeit des Kapitalverkehrs!!! Die FINANZWELT hat sich in den EU-Verträgen an exponierter Stelle verewigt; Einschränkungen bzw. regulierende Ergänzungen sind nicht möglich.

Das ist ein Grund dafür, dass die vollmundig angekündigten “Bankenregulierungen” an und für sich wirkungslos sind und die toxischen Spekulationen im größten Spielcasino der Welt, nämlich dem sog. FINANZMARKT, noch extensiver betrieben werden, als vor der Krise.

Es liegt auf der Hand, dass die Staatsverschuldung der EU-Länder eine andere Entwicklung nehmen würde, wenn die KREDITSCHÖPFUNG an die volkswirtschaftliche Leistung gekoppelt wäre und die Finanzierung im Wesentlichen über die EZB erfolgen würde. Auch die AUSBEUTUNG über exorbitant hohe Zinsen würde ein Ende haben bzw. über “angemessene Zinsen” müsste grundlegend nachgedacht werden. Wenn TTIP tatsächlich abgeschlossen wird, dann könnte sogar die FINANZWELT die EZB verklagen, weil nach Lissabon-Vertrag die Freizügigkeit des KAPITALVERKEHRS durch solch ein Politik tangiert werden würde.

Fraglich ist derzeit, ob Teile der UNION auf die Auflösung des EURO setzen, weil nach einem GREXIT gegen die volkswirtschaftlich derzeit schwächsten EU(RO)-Länder verstärkt spekuliert werden würde, einhergehend mit hohen Zinsforderungen bei Neukrediten.

Der Euro würde schnell ein Ende finden, wenn größere EU(RO)-Länder den Euro aus Gründen des Selbstschutzes aufgeben müssten, auch weil der politische Umschwung bei Neuwahlen keine andere Möglichkeit mehr zulässt.

Fatal wäre, wenn die EU bzw. Deutschland in den zurückliegenden Jahren nicht darüber nachgedacht hat, wie die von Prof. Heiner Flassbeck und anderen Ökonomen  aufgezeigten Schieflagen, die durch die vorschnelle Euro-Einführung entstanden sind, beheben will.

Es gibt seit Jahren konstruktive Vorschläge, die zukunftsweisend sein könnten. Dazu gehört beispielsweise der Vorschlag, den  EURO als übergeordnete EU-Währung zu erhalten und auf EU-Länder-Ebene die Nationalwährung wieder einzuführen. Der vor wenigen Monaten verstorbene Prof. Wilhelm Hankel hatte dazu ein Buch geschrieben. Das würde dazu führen, dass ein Stück weit die schwächere Wettbewerbsfähigkeit durch Abwertung gegenüber anderen EU-Landeswährungen ausgeglichen werden könnte.

Andererseits wäre es blauäugig anzunehmen, dass jedes EU-Land kurzfristig die Leistungsfähigkeit der starken Exportländer, insbesondere Deutschland, erarbeiten könnte. Das braucht Zeit und einige Voraussetzungen, die hier nicht weiter ausgeführt werden können.

Ähnlich wie in Deutschland, entwickeln sich  die REGIONEN in Europa höchst unterschiedlich. Entscheidend für die Bürger aber ist, ob die EU verdeckt weiterhin den “Raubtierkapitalismus” präferiert, der die Konkurrenz und die Bürger vernichtet, oder aber auf ein Europa der unterschiedlichen Regionen setzt und die auf Sicht verbleibenden Ungleichgewichte durch eine gesteuerte Marktpolitik, auch aus dem Blickwinkel der Beschäftigungspolitik mit beispielsweise unterschiedlichen Schwerpunkten, zumindest teilweise ausgleicht.

Die an und für sich entscheidende Frage ist, ob zukünftig eine Politik verfolgt wird, die auf eine WIRTSCHAFT setzt, die für den Bürger da ist, nicht umgekehrt, wie es der neoliberale Zeitgeist verlangt.

Derzeit hungern und sterben die Bürger in Griechenland. Viele Bürger haben ihre Wahlstimme dafür eingesetzt, eine grundlegende Änderung der Politik herbeizuführen, die sich gegen den zerstörerischen neoliberalen Zeitgeist richtet.

Niemand in Europa sollte sich wünschen, dass die griechische Regierung einknickt. Denn die EU der Bürger wird derzeit nur durch Tsipras und Varoufakis gefordert, während Deutschland und andere große EU-Länder auf die EU der ELITEN setzen, mit der im EU-Einheitsstaat zementierten Umverteilung von unten nach oben.

Das ist derzeit die Auseinandersetzung hinter den Kulissen.

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