Grenzwertig: Die erlaubte Vergiftung von Lebensmitteln

Es gibt mal wieder einen Lebensmittel-Skandal. Diese Mal ist es bloß das Tierfutter, das mit Dioxin belastet ist, aber die Tiere, die das Zeug fressen müssen, liefern Fleisch und Eier für die menschliche Ernährung. Interessanterweise soll die Verseuchung durch eine dioxinbelastete Mischfettsäure von dem Biodiesel-Unternehmen Petrotec in Emden verursacht worden sein. Wohlgemerkt: Biodiesel! Da sieht man doch wieder, was für ein Schindluder mit der Vorsilbe „Bio“ getrieben wird. Petrotec erklärte, die an den Futtermittelhersteller Harles & Jentsch in Uetersen verkaufte Mischfettsäure sei nur „nur zur technischen Verwendung bestimmt“ gewesen, nicht aber für die Lebensmittelindustrie.

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Photo. bgottsab

Das ist ja beruhigend. Das Zeugs ist gar nicht für die Futtermittelproduktion vorgesehen. Aber irgendwie ist es doch ins Futter gekommen. Das erinnert mich an die mit Melamin verseuchte Babymilch in China – die Industriechemikalie Melanin ist definitiv kein Lebensmittel, genauso wenig wie Dioxin. Oder an BSE. Oder an den Ekelkäse aus verdorbenen Resten, das umetikettierte Gammelfleisch, mit Frostschutzmittel gepanschten Wein oder das mit Maschinenöl gepanschte Olivenöl in Spanien, mit dem 1981 über 25.000 Menschen vergiftet wurden – 750 starben, die anderen erlitten zum Teil schwerste Schäden.

Unsere Nahrungsmittel sind voll von Scheiß, der eigentlich gar nicht der Ernährung dient. Das fängt bei Farbstoffen an, die manchmal sogar unschädlich sind, das Zeug aber netter aussehen lassen, und hört längst nicht bei allerlei Hilfsmitteln auf, die beispielsweise dazu dienen, dass sich die für die Produktion genutzten Maschinen leichter reinigen lassen.

Und das alles, damit billiger und effektiver produziert werden kann. Ja, auch hier ist wieder der Kapitalismus schuld, sowohl am Schimmelhemmer im Brot, als auch am „naturidentischen“ Aromastoff im Kuchen. Wer ein komplettes Brathühnchen für 2,99 Euro kauft, muss sich letztlich nicht wundern, wenn es mit ausrangiertem Schmierfett gemästet wurde. Aber ich will an diese Stelle nicht in die vom mir kürzlich erst kritisierte Konsumentenbeschimpfung verfallen. Wer dank Hartz IV mit 4,28 Euro pro Tag für Nahrungsmittel auskommen muss (Bei Kindern unter 14 sind es nur 2,57 Euro!) hat keine andere Wahl, als immer nur das billigste Zeug zu fressen. Und die Industrie lässt sich allerhand einfallen, um den Billigfraß noch billiger zu machen. Weitere Gammelfleisch und Giftskandale sind vorprogrammiert.

Ganz nebenbei: Dass der Grenzwert für Dioxin im Tierfutter in diesem Fall dreimal so hoch gewesen sein soll wie zulässig, lässt darauf schließen, dass es schon in Ordnung geht, wenn ein ganz kleines bisschen Dioxin (oder welches Gift auch immer) in der Nahrung drin ist. Denn mit der Festsetzung eines Grenzwertes wird ja eine Vergiftung der Menschen prinzipiell zugelassen, sie darf nur nicht so doll sein, dass zu viele Leute krank werden oder gar sterben. Aber eine gewisse Vergiftung gehört halt dazu, wenn man einen ordentlichen Kapitalismus machen will.


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