G.Rag Y Los Hermanos Patchekos: Mehrwegplatte

G.Rag Y Los Hermanos Patchekos: MehrwegplatteG.Rag Y Los Hermanos Patchekos
„Wacky Tobacky“

(Gutfeeling)
Es wird wohl nicht so viele Menschen geben, die – abgesehen von den Musikern der Münchner Brasskolchose G.Rag Y Los Hermanos Patchekos selbst – über ein derart breit gefächertes Musikfachwissen verfügen, daß sie Künstler wie Moondog, Delaney Davidson, Captain Beefheart und Saccharine Trust en passant erinnern, zuordnen und bei Bedarf auch noch deren bekannteste Stücke mit eigenwilligen Neubearbeitungen vergleichen können. Schaden kann diese Kenntnis natürlich keinesfalls, wirklich von Nöten ist sie aber auch nicht. Denn bekanntlich kann man sich einem Album (wie auch dem vorliegenden) auf vielerlei Weise nähern. Und manchmal ist es eben auch von Vorteil, läßt man die Originale mal beiseite und erfreut sich ein weiteres Mal an der überbordenden Spielfreude von “Monacos very own Caribbean Trash Orchestra“ (Selbstauskunft).
“Wacky Tobacky” ist wohl eines ihrer kürzesten und zugleich stilistisch vielfältigsten Werke geworden, neben vier Eigenkompositionen folgt die Band hier wieder einmal einer ihrer erklärten Lieblingsbeschäftigungen – dem Streifzug durch die bunte Welt der Musikhistorie. Und damit nun doch zu ein wenig laienhaftem Hintergrundgedöns. Denn andererseits kann es ja auch dem eigenen Horizont nicht schaden, wenn man sich ein wenig mit den Helden beschäftigt, denen die G.Rag’s in offenkundiger Verehrung zugetan sind: Louis Thomas Hardin alias Moondog zum Beispiel, der kautzige Multiinstrumentalist, der nicht wenig Zeit seines Schaffens an Orten wie Hannover, Recklinghausen und Oer-Erkenschwink verbrachte und der es dennoch zur Legende schaffte. Dem gefälligen Swing seines Songs „Paris, Paris“ setzen die Münchner eine recht straffe, jazzige Variation entgegen.

Delaney Davidson trommelt im Nebenberuf ab und an bei den sagenhaften Dead Brothers (so eine Art schweizerische Entsprechung für unser hiesiges, vielköpfiges Kammerorchester), das verschlurfte „5 Bucks“ allerdings stammt von einem neueren Solowerk des Neuseeländers und kommt mit ganz viel Blech und eher sanften Drums daher. Zu Captain Beefheart wiederum muß man nicht mehr viel sagen, „Abba Zaba“ ist eines der bekanntesten Stücke unter vielen des kultisch verehrten, wahnwitzigen Psychrockbluesgenies Don Glen Van Vliet – ganz so wild und ungezügelt wie im Original geht es hier naturgemäß nicht zu, dennoch gibt’s für Wahl und Wagemut einen dicken Bonuspunkt. Saccharine Trust schließlich gehörten, obschon heute noch aktiv, einst zum Dunstkreis von Black Flag und den Minutemen (denen ja auch schon Cover-Ehren aus München zuteil wurden), „Human Certainty“ aus dem Jahr 1981 ist die hohe Schule des Post-Hardcore minus Gitarrenkrach plus Saxophon, zauberhaft.
Wer vorhin bei ‚Horizont‘ ausgestiegen ist und nun wieder in den Text gefunden hat, wird auch über die Runden kommen, denn wie schon erwähnt reicht eigentlich schon die Erkenntnis, daß bei G.Rag Y Los Hermanos Patchekos immer noch lustvoll ein Rädchen ins andere greift und der Spaß am Ausprobieren, Experimentieren, Zumuten das Kollektiv einmal mehr zu neuen, spannenden Ergebnissen geführt hat. Sich selbst treu zu bleiben, indem sie immer wieder neue Ansätze, neue Blickwinkel für die eigene Arbeit wählen, darin haben es diese Musiker in den letztenn Jahren zu erstaunlicher Meisterschaft gebracht. Und ob nun Cumbia, Polka, Gossenpoesie oder Kosmonautentraum, jede und jeder kann den Zugang zu dieser Musik auf höchst eigene Weise finden. Und zwar jedes Mal auf’s Neue. http://www.gutfeeling.de/
18.11.  München, Milla - Plattentaufe I
19.11.  München, Milla - Plattentaufe II

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