Zum Thema Street View wollte ich in diesem Blog eigentlich gar nichts schreiben. In den letzten Monaten wurde alles zum Thema gesagt, darunter zwar sehr viel Unsinn, aber man hatte den Eindruck, die Hysterie hätte sich nun endlich gelegt. Mit Veröffentlichung von Fotos aus 20 deutschen Städten hat die Diskussion nun wieder eingesetzt.
Da ich regelmäßig Gebäude ohne persönliche “Freigabe” der Eigentümer fotografiere und die Bilder sogar im Internet veröffentliche betreffen mich die Vorwürfe, mit denen Google konfrontiert ist, letztlich auch. Immer wieder muss ich mich – neuerdings – dafür rechtfertigen, Außenaufnahmen von Gebäuden zu machen. Anscheinend haben die oft unsachlichen Berichte über den Google-Service Street View dazu geführt, dass sich in der Bevölkerung die Meinung festsetzen konnte, Gebäudefassaden seien Privatsachen.
In aller Regel klärt sich der Sachverhalt sehr schnell auf, wenn man erklärt, an der Architektur des Gebäudes interessiert zu sein. Lästig sind die Rechtfertigungen und Erklärungen aber trotzdem. Deshalb hier noch einmal kurz zusammengefasst einige Informationen:
Jedes orstfeste Gebäude darf in der Bundesrepublik Deutschland (mit wenigen Ausnahmen abgesehen, etwa in militärischen Sicherheitsbereichen) vom öffentlichen Verkehrsraum aus fotografiert und veröffentlicht werden. Eine Einverständniserklärung des Eigentümers oder gar eines Mieters ist nicht erforderlich (es gibt allerdings ein paar umstrittene Grenzfälle). Geregelt ist diese so genannte “Panoramafreiheit” im Urheberrechtsgesetz (UrhG). Eingeschränkt ist diese Regelung lediglich bei Eingriffen in die grundgesetzlich garantierten Persönlichkeits- oder Eigentumsrechte. So darf (selbstverständlich) zum Fotografieren ein privates Grundstück nicht betreten werden. Auch Aufnahmen mit Teleobjektiven in private Wohn- oder Betriebsräume oder in geschützte Gartenbereiche sind (ebenfalls selbstverständlich) verboten.
Die Panoramafreiheit gilt zudem ausschließlich für solche Fotos, die ohne Hilfsmittel wie etwa Leitern oder Podeste aufgenommen werden. Hier besteht sicher Interpretationsspielraum, was mit Hilfsmitteln gemeint ist und wo die Grenzen liegen. Aus meiner Erfahrung kann ich sagen, dass ich häufig gerne eine etwa ein bis eineinhalb Meter höhere Kameraposition bevorzugen würde um über Autodächer hinweg Gebäudesockel fotografieren zu können. Nur so lässt sich ein Gebäude in seiner gesamten architektonischen Ausprägung erfassen.
Die Höhe der Kameraposition dürfte der einzige angreifbare Punkt gegen die von Google erstellen Bilder sein. In der Praxis zeigt sich aber, nachdem seit ein paar Tagen Street-View-Bilder online sind, dass die Höhe der Google-Kameras – wenn überhaupt – nur mäßige Bedeutung zu haben scheint. Mir sind bei meinen ersten virtuellen Rundgängen durch Hamburg und Dortmund jedenfalls keine Fotos aufgefallen, die zu intolerablen Eingriffen in die Privatsphäre führen. Das gilt für Geschäftsstraßen und Gewerbegebiete ebenso wie für Reihenhaussiedlungen und Villenvororte. Lediglich einige Gesichter von Passanten könnten etwas besser geschützt werden.
Die recht überschaubare Zahl an unkenntlich gemachten Fassaden stört bei den Stadtspaziergängen kaum. Zunächst klingt die Zahl von rund 250.000 Widersprüchen zwar sehr hoch, aber wie Google mitteilt handelt es sich gerade mal um rund drei Prozent aller Gebäude. Wenn man einige der “verpixelten” Gebäude kennt fragt man sich: wozu die Hysterie, denn auch auf Klaransichten dieser Häuser wäre rein gar nichts privates oder persönliches zu erkennen gewesen, was sich nicht auf andere Weise ergründen ließe. Man fragt sich, ob sich die Bewohner dieser Gebäude nicht viel eher für die oft als Argument gegen Street View genannten Einbrecher interessant machen, wenn sie die Straßenfassaden ihrer Häuser unkenntlich darstellen lassen.
Einige Kuriositäten sind natürlich in den ersten Tagen auch schon aufgedeckt worden, etwa der Mann im Kofferraum oder das noch nicht im U-Bahn-Schacht versunkene Kölner Stadtarchiv.
Wie auch immer man zum Unternehmen Google steht (es gibt hinsichtlich der Datensammelwut ganz sicher Gründe das Geschäftsmodell genau zu beobachten) scheint Street View eine insgesamt recht harmlose Dienstleistung zu sein, die ich gern und häufig nutzen werde, um meine eigenen Fototouren zu planen und Bauwerke für mein Bildarchiv zu recherchieren. Zusammen mit weiteren Geoinformationsdiensten wie zum Beispiel Bing Maps lassen sich im Moment (kostenlos!) Dienste nutzen, von denen man vor ein paar Jahren nur träumen konnte.
Abschließend möchte ich noch zwei Texte zum Thema Street View und zur Panoramfreiheit empfehlen, die den Sachverhalt aus Sicht des Computerjournalisten Jörg Schieb (mit Hinweis auf eine Aktion zur Wiederherstellung “verschollener Häuser”) und aus persönlicher Erfahrung des Fotografen und Journalisten Benedikt Hotze darstellen:
- Jörg Schieb: Aktion “Verschollene Häuser”
- Bendikt Hotze: Panoramafreiheit – eine Anmerkung zu Google Street View