“Gone Girl” von David Fincher

Ben Affleck ist in David Finchers

Ben Affleck ist in David Finchers “Gone Girl” auf der Suche nach Rosamund Pike

Was Regisseur David Fincher mit seiner US-Variante der Millennium-Trilogie-Erstlingsepisode Verblendung verwehrt geblieben ist – einen dichten, spannenden Thriller mit Gänsehaus-Charakter zu inszenieren – das macht er nun mit Gone Girl mehr als wieder gut. Man mag die Menschen verrückt strafen, die über einen 150 Minuten andauernden Film mit Ben Affleck in der Hauptrolle behaupten, es sei ein perfekter Film, aber so sei es nun einmal, eine Menge Menschen werden sich fortan als durchgeknallt bezeichnen müssen.

Dabei ist es gar nicht so abwegig Ben Affleck zu mögen. Ganz gleich ob als Regisseur (Gone Baby Gone, The Town, Argo) oder als Darsteller (Company Men, Spurwechsel, Dogma), der Mann wird quasi chronisch unterschätzt. Und ein Regisseur wie David Fincher wird das ganz genau gewusst haben, als er Affleck in die Rolle des mittelmäßig erfolgreichen Autors aus einem mittelmäßigen Staat wie Missouri gecastet hat. Nick Dunne lächelt auf Zuruf der versammelten Presse vor dem Foto seiner vermissten Ehefrau, nur um sich hinterher aus dieser Geste ein mediales Strick drehen zu lassen. Er zeige die falschen Emotionen vor dem Hintergrund der vermeintlichen Ermordung seiner Frau.

Ben Affleck als Nick Dunne in

Ben Affleck als Nick Dunne in “Gone Girl”

Man darf nicht viel weiter als in die ersten zehn Minuten gehen um über die Handlung von Gone Girl – basierend auf dem gleichnamigen Roman von Gillian Flynn – zu sprechen. Dunne kommt nach Hause, findet ein kleines Chaos vor, seine Frau ist spurlos verschwunden. Was Fincher von hier an inszeniert ist ein Thrill, ein Krimi, ein mediales Schaulaufen, bei dem aus einem Ehemann ein Mörder mit inzestuöser Beziehung zu seiner Schwester wird, ein Ehebrecher, ein abscheulicher, von allen Menschen gehasster Mann. Danke liebe Medien. Mehr haben wir euch nie gehasst. Die Boulevard-Journalistin-Frutte, die sich an dem Fall der verschwundenen „Amazing Amy“ so aufhängt, folgt natürlich nur der Story, berichtet immer über die Indizien, die ihr gerade zugespielt werden. Hinzu kommt immer ein wenig Eigeninterpretation, die allerdings von der breiten Massen nur zu gerne wie dahin geworfenes Fressen durchgekaut wird.

„Amazing Amy“ ist auch die Figur eines Kinderbuches, dass der wirklichen, nun vermissten Amy Dunne in ihrer Kindheit zu reichlich Ruhm verholfen hat. Ihre Eltern sind immer darauf bedacht, nur das beste Bild von ihr in den Medien zu zeigen. Ganz gleich wem man hier zusieht, allesamt wirken ein wenig medial verdorben, ein wenig psychotisch, nie um den Menschen besorgt, sondern immer um das Bild, das er oder sie in den Medien repräsentiert. Ein von Tyler Perry gespielter Strafverteidiger ist sogar mehr darauf getrimmt seine Klienten auf die Presse vorzubereiten als dass er das Arbeitsverhalten eines Anwalts an den Tag legen würde.

Und hier wirft Gone Girl mit verstörenden Bildern nur so um sich. Wir werden den Medien nie wieder so trauen, wie zuvor (wenn wir ihnen überhaupt einmal getraut haben). Wir werden unserem Gegenüber nie wieder so vertrauen wie zuvor. Wir werden immer und überall, bei Freunden, Verwandten und unserer Liebsten und unserem Liebsten immer wieder hinterfragen, ob wir nun gerade dessen reales Ich vor uns haben, oder ein Abbild dessen, wen der Andere glaubt, wen wir dort gerne vor uns sehen würden.

Rosamund Pike als Amy Dunne in

Rosamund Pike als Amy Dunne in “Gone Girl”

David Fincher ist eine Art Meisterwerk des modernen Selbstinszenierungszwangs gelungen. Dabei erzählt er unfassbar ruhig, macht nur eine Ausnahme die umso schrecklicher hervor tritt und nach Verblendung eine weitere verstörende Schlafzimmerszene in Finchers Schaffenswerk brennt. Einen großen Anteil zu dieser merkwürdigen Atmosphäre, die immer spannend und aufwühlend zugleich daherkommt, schafft die Musik von Trent Reznor und Atticus Ross, die Fincher seit The Social Network in seinen Stab an Festangestellten aufgenommen hat. Ein großes Dankeschön muss auch an die hier viel zu kurz kommende Rosamund Pike gehen, die in ihrer Darstellung der Ehefrau Amy Dunne Ben Affleck noch aussticht. Überhaupt hat Fincher es vollbracht – oder eher Laray Mayfield, die für das Casting verantwortlich war – eine Besetzung zusammen zu stellen, die bis in die letzte Filmminute ebenso perfekt erscheint wie das fertige Endprodukt.

Gone Girl
150 Minuten, freigegeben ab 16 Jahren, Kinostart: 2. Oktober 2014
im Netz: Offizielle Homepage zum Film
alle Bilder © Twentieth Century Fox of Germany GmbH


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