Wissenschaftler Joe Brody (Bryan Cranston, links) und sein Sohn Ford (Aaron Taylor-Johnson, rechts) in Gareth Edwards’ “Godzilla”
Der fulminante Halo-Sprung der US-Soldaten aus einem Flugzeug war bereits Bestandteil des ersten Trailers zu der Neuauflage des Ur-Monster-Films Godzilla. Eine ausgewählte Gruppe von Spezialisten stürzt sich aus schwindelerregender Höhe auf ein San Francisco hinunter, dass gerade arg unter dem Kampf Godzillas mit ebenso monströsen Widersachern zu leiden hat. Überall schlagen Flammen empor, ganze Gebäudezüge der Großstadt sind zerstört, ein einziges Trümmerfeld legt sich vor dem Auge des Zuschauers dar. Die Darsteller, darunter Breaking Bad-Alumni Bryan Cranston und Aaron Taylor-Johnson als dessen Sohn, wirken wie Ameisen, wenn sie sich gemeinsam mit dem 110 Meter großen Ungetüm die Leinwand teilen müssen. Sicherlich keine gleichberechtigte Rollenverteiltung.
Über diese Trailerbilder hinaus, entfaltet der Film eine noch viel größere endzeitliche Stimmung. Von Japan bis in die USA folgt Regisseur Gareth Edwards seinem Ungetüm über die Welt. Das letztes Budget des Filmemachers betrug noch 500.000 US Dollar (für die 2010er Indie-Produktion Monsters), jetzt wurde es für die zweite amerikanische Neuinterpretation (besser vergessen: Roland Emmerichs 1998 Versuch einer Godzilla-Echse auf Speed) auf stattliche 160 Millionen US Dollar angehoben. Scheinbar hat sich Edwards dadurch aber nicht aus der Ruhe bringen lassen. Mit einem zarten Blick auf seine menschlichen Protagonisten, steuert er sowohl seinen Godzilla als auch die Mutos, insektenähnliche Giganten irgendwo zwischen Alien und Cloverfield, durch seinen Film.
Ford und seine Ehefrau Elle (Elizabeth Olsen)
Die Figuren fallen dabei nicht sonderlich arg ins Gewicht. Die Darsteller haben Standard-Blockbuster Rollen auszufüllen und tun dies im Falle von Bryan Cranston oder Ken Watanabe recht gut. Letztgenannter verkörpert Dr. Ichiro Serizawa, eine Rolle die der Film aus dem 1954er Original gerettet hat (dort gespielt von dem verstorbenen Akihiko Hirata). Er darf die wohl bezeichnendste Drehbuchzeile verlauten lassen. Während das US-Militär eine atomare Bekämpfung der Monsterbedrohung vorsieht, stärker noch als die, die einst lediglich gegen Godzilla zum Einsatz kam und im Vorspann zum Film bildlich erklärt wird, lehnt Serizawa diese Methode ab. Ein halb wütender, halb verzweifelt wirkender David Strathairn (als befehlshabender Offizier) möchte eine Alternative hören und bekommt als Antwort ein „lasst sie kämpfen“ zu hören.
Das ist der Moment wo klar werden sollte, dass die menschlichen Figuren hier nur beiläufig dabei sein dürfen, wie dieser Koloss aus dem Meer stampft um die Natur wieder in ihr Gleichgewicht zu bringen, aus den Wogen gebracht durch das unbedachte Handeln der Menschen. Außer Aaron Taylor-Johnson, das Abziehbild eines gehorsamen und pflichtbewussten Soldaten, der mit den inzwischen aufgebauten Muskeln sicher nicht mehr als Nerd-Held Kick-Ass funktionieren dürfte, bekommt dabei vermutlich niemand so viel Screentime wie Godzilla selbst. Und dieser ist nicht unbedingt oft zu sehen. Die Menschen bleiben Randfiguren, die dabei zusehen müssen wie die Natur ihre Probleme unter sich auskämpft. So gerne man eingreifen möchte, schon Godzilla muss sich ohne eine Bedrohung darzustellen – er ist einfach nur da – den Raketen der US-Kriegsmaschinerie stellen. Der Finger der Menschheit ist hier sehr locker am Abzug ihrer Waffen gelegen.
Der Clue ist dann das geschickte Spiel mit dem Nicht-Sehen. Godzilla offenbart sich erst nach geraumer Zeit in seiner kompletten Größe dem Publikum. Der erste Kampf mit einem Muto wird gar ausgelagert, nur in den Fernsehnachrichten thematisiert. Dadurch behält Gareth Edwards sich vor, immer wieder einen neuen Spannungsbogen aufzubauen, nicht vorzeitig alles zu Grunde gehen zu lassen, wie es dieser Tage zu viele Blockbusterfilme machen, die mit Krach und Spektakel zu beeindrucken versuchen. Aber es geht gar nicht darum, das technisch Mögliche so oft es geht vorzuhalten, sondern geschickt damit zu spielen. Und dass hat Gareth Edwards wunderbar gelöst.
Wissenschaftler Dr. Ichiro Serizawa (Ken Watanabe) und seine Gehilfin Vivienne Graham (Sally Hawkins)
Dennoch muss der Zuschauer keine Angst vor zu wenig Godzilla haben. Am Ende stürzt er sich in den Handicap-Kampf gegen ein fliegendes und ein Muto am Boden. Und immer wieder holt Edwards eine neue Überraschung aus seinem Monster hervor. Ein mächtiger Schlag mit dem Schwanz, die Wrestling-Choreographie die an die armen Männer erinnert, die sich viele Jahre lang in den Godzilla-Gummianzügen quetschen mussten, natürlich auch der Feueratem, mit dem er sich hier wirklich als Alpha-Predator behauptet. Es ist aber auch kein Monster, dem man nicht etwas Nähe abverlangen dürfte. Godzilla geht auch schon mal zu Boden. Liegt dann dort und wirkt fast mitleiderregend. Mit seinen müden Augen erinnert er dann an ein erschöpftes Hundchen, dass man gerne aufmunternd streicheln würde.
Die Reanimation Godzillas kann man als fast perfekt bezeichnen, nur den menschlichen Randerscheinungen hätte Gareth Edwards etwas mehr von all dem lebendigen Filmschaffen abgeben können, dass in dem Film steckt. Gerade die erste halbe Stunde demonstriert sehr stark, wie Edwards auch in der Lage ist, dem Zuschauer Menschen näher zu bringen. Dann lässt er sich aber doch auch ein wenig gehen. Aber wer würde das mit 160 Millionen US Dollar nicht machen?
„Godzilla“
Altersfreigabe: ab 12 Jahren
Produktionsland, Jahr: USA, 2013
Länge: ca. 123 Minuten
Regie: Gareth Edwards
Darsteller: Aaron Taylor-Johnson, Bryan Cranston, Ken Watanabe, Elizabeth Olsen, Sally Hawkins, Juliette Binoche, David Strathairn
Kinostart: 15. Mai 2014
Im Netz: Godzilla
Bilder © Warner Bros. Pictures Germany