Gnade für gute Genossen

Gnade für gute GenossenNach ihm wurden die als Hartz-Konzept bekannten Arbeitsmarkt-Reformen benannt, er war es auch, der die Puffreisen seines SPD-Genossen und VW-Betriebsratsvorsitzenden Klaus Volkert mit Firmengeldern sponsorte. Natürlich, Peter Hartz ist Mitglied der SPD, er war es auch noch, als er 2007 wegen Untreue verurteilt wurde. Und er ist es bis heute. Keine Parteigliederung wollte ihn wegen parteischädigenden Verhaltens ausschließen, ebensowenig, wie jemand versuchte, den Berliner SPD-Mann Ralf Hillenberg loszuwerden, nachdem dessen Firmen von der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft Aufträge in Millionenhöhe ohne Ausschreibung erhalten hatten und dabei aufgeflogen waren.
Es ist ein illustrer Kreis, den der "Stern" da in einer peinlichen Situation beschreibt, in der gute Genossen sagen müssen, "ja, der ist auch einer von uns". Ist ja auch schrecklich, was sich so in der deutschen Sozialdemokratie sammelt: Hans-Harald Ehlert etwa fuhr im Maserati auf Kosten der von ihm selbst erfundenen Treberhilfe durch Berlin, ein Arbeiterführer auf dem Egotrip ins abseits. Dann kamen Staatsanwaltschaft und Steuerfahndung und die Treberhilfe wurde aus den Dachverbänden Paritätischer Wohlfahrtsverband und Diakonisches Werk ausgeschlossen. Doch Ehlert nicht aus seiner Partei, der SPD, in der auch Vural Öger bleiben durfte, nachdem er in einem Interview gesagt hatte: „Die Türken erobern Deutschland genauso, wie die Kosovaren das Kosovo erobert haben: durch eine höhere Geburtenrate".
Falsch, Fehler, halt, das war natürlich ein Zitat von Thilo Sarrazin, der wegen solcher Sprüche selbstverständlich aus der Partei von Bebel und Brandt ausgeschlossen werden sollen musste. Der sozialdemokratische Reiseunternehmer Öger dagegen hatte nur gesagt: "Im Jahr 2100 wird es in Deutschland 35 Millionen Türken geben. Die Einwohnerzahl der Deutschen wird dann bei ungefähr 20 Millionen liegen. Das, was Kamuni Sultan Süleyman 1529 mit der Belagerung Wiens begonnen hat, werden wir über die Einwohner, mit unseren kräftigen Männern und gesunden Frauen verwirklichen." Das ist selbstverständlich etwas völlig anderes als Sarrazins schrecklicher Satz, der allen Grundwerten der Sozialdemokratie Hohn spricht. Weshalb Öger auch nie fürchten musste, aus der SPD ausgeschlossen zu werden.
Im Normalfall, wenn jemand keine 1,5 Millionen Bücher verkauft und sich im Fernsehen weigert, zuzugeben, dass er manche Dinge, die er gar nicht gesagt hat, auch nicht so meinte, wie sie verstanden worden sind, kennt die älteste deutsche Partei eigentlich gar keine Ausschlussgründe. Gute Genossen dürfen huren, hinterziehen, Steuergelder verschwenden, lügen, bestechen und bestochen werden. Das Parteibuch nimmt ihnen niemand weg.
So scheiterte Ingolf Deubel etwa beim Umbau des Nürburgring zu einem Freizeit- und Businesszentrum. Die Allgemeinheit kostete das Millionen, die Partei nur ein Lächeln. Freilich, die Staatsanwaltschaft ermittelt. Aber die Partei schweigt. Aus solchen Gestalten baut sie sich doch ihre Helden: Unter den Augen des damaligen Finanzministers Peer Steinbrück, der gleichzeitig oberster Aufseher der deutschen Staatsbanken war, saugten sich West LB, Bayern LB und KfW mit amerikanischen Schrottkrediten voll.
Steinbrück gilt deshalb in seiner Partei als möglicher nächster Kanzlerkandidat. Frank Steinmeier dagegen attestierte dem später als "Diktator" enttarnten libyschen Machthaber Gaddafi noch 2006, "dass sich in Libyen viel verändert habe". Fünf Jahre danach spricht er selbstbewusst "von der dritten Kehrtwende der deutschen Außenpolitik in drei Wochen" und meint nicht seine eigene, sondern die der Regierung. Parteichef, Pop-Beauftrage und McDonalds-Vegetarier Sigmar Gabriel schließlich prangert das zögerliche Eintreten der EU für Demokratiebewegung in Nordafrika an, die das Joch der Tyrannen gerade erst abgeschüttelt hat - sicher auch mit Hilfe des SPD-eigenen SPD-Reiseservice, der, so lange Mubarak, Ben Ali und Co herrschten, netten "Urlaub mit viel Spaß, guter Laune und ein bisschen Erholung vom Alltag" (SPD) in den grausamen Diktaturen anbot.
Jetzt, wo die Lage unsicher geworden ist, reisen Sozialdemokraten mit dem Parteireisebüro nur noch in lupenreine Demokratien. Gute Kuba-Reisen haben sie da.
Wann wir streiten Seit an Seit


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