gmp Architekten: Interview mit Hans-Georg Esch

Grand Theater Chongqing (Fotografie: Hans-Georg Esch, Architektur: gmp Architekten)

Das Architekturbüro gmp von Gerkan, Marg & Partner gehört zu den Global Playern und konnte mit zahlreichen realisierten Bauvorhaben in der ganzen Welt Maßstäbe setzen. Alle fertig gestellten Projekte werden ausführlich dokumentiert, hierzu beauftragt das Büro immer wieder führende Architektur­fotografen. Im Mitarbeiter-Magazin concrete gmp werden vier Fotografen in einer Interview-Reihe vorgestellt. Teil 1: Hans-Georg Esch.

Freundlicherweise darf ich die Interviews aus dem Mitarbeitermagazin gmp concrete (Ausgabe 03/09.2011), das sich dem Schwerpunktthema Architekturfotografie widmete, hier im Architekturfotoblog wiedergeben.

Die von Christian Füldner mit den Fotografinnen und Fotografen geführten Gespräche beginnen jeweils mit einem Bild, das exemplarisch für die Zusammenarbeit zwischen Fotograf und gmp Architekten steht. Interessant sind die Beschreibungen zur Herangehensweise der Fotografen an die spezifischen Aufträge, aber auch die Aussagen zu den grundsätzlichen fotografischen Positionen. Neben Hans-Georg Esch wurden auch Heiner Leiska, Julia Ackermann und Marcus Bredt interviewt. Mehr dazu in Kürze hier im Blog.

Hans-Georg Esch im Interview

Dieses (oben gezeigte) Motiv steht aus Ihrer Sicht für die Zusammenarbeit zwischen Ihnen und gmp – wie kam es zu dieser Aufnahme?

Ende 2009 bekam ich die Möglichkeit, nach Jahren wieder für gmp zu arbeiten. Die Oper in Chongqing zu fotografieren, war eine große Herausforderung, da ich mit den örtlichen Wetterverhältnissen umgehen musste – das heißt bestimmte Perspektiven waren nur möglich, wenn der Nebel genügend Fernsicht zuließ. Wir sind mehrmals nach Chongqing gereist, um alle Gebäudeansichten fotografieren zu können. Bei dieser Aufnahme war es mir wichtig, die exponierte Lage des Gebäudes zu zeigen: Die Oper steht genau an der Stelle, wo die Flüsse Jangtse und Jialing zusammenfließen – diese besondere geografische Situation ist auf der Fotografie zu erkennen.

Auf welche Weise erschließen Sie sich Ihr Objekt, um zu entscheiden, wie Sie ein Foto aufbauen werden?

Da ich mit vielen meiner Auftraggeber schon lange zusammenarbeite, weiß ich zum Beispiel, welche Perspektiven bestimmte Kunden bevorzugen. Nach gewissenhaftem Studium der jeweiligen Briefings versuche ich mir jedoch immer einen frischen, neugierigen Blick zu bewahren. Im Gegensatz zum Film, kann ich mir in meiner Fotografie mit einem überschaubar technischen Aufwand eine hohe Flexibilität leisten: Ich kann schnell auf Lichtwechsel reagieren oder andere Besonderheiten vor Ort in das Foto aufnehmen. Ich gebe auch gerne zu, dass ich dabei sehr intuitiv vorgehe, um wach und aufmerksam das zu fotografierende Objekt abzubilden. Ich denke, dass gerade diese oft von Spontaneität geleitete Arbeit bezeichnend für meine Fotografie ist.

Sind Gebäude rein statische Objekte oder lässt sich mit ihnen auch fotografisch eine Geschichte erzählen?

Die meisten Architekturen, die ich fotografiere sind für Menschen gebaut. Wenn ich den Auftrag erhalte, ein Gebäude zu dokumentieren, sind die Bauten oft schon in Betrieb. Genau dann geht es ums Geschichtenerzählen. Nicht nur die ästhetische Sensation steht im Zentrum meines Interesses, sondern die Menschen in der Architektur, die dort arbeiten, sich ein Konzert anschauen oder sich einfach nur vor Ort aufhalten. Diese Aufnahmen zeigen Architektur und erzählen, wie diese von den Menschen angenommen wird. Der Wunsch, mit meinen Bildern diese Geschichten zu zeigen, führte jüngst dazu, dass ich – auch durch die Unterstützung von gmp – meine ersten Architekturfilme realisieren konnte. Die Filme über den Berliner Hauptbahnhof und das Olympiastadion in Berlin behandeln genau das Bestreben, die Objekte in Betrieb zu zeigen.

Welche Prozesse – organisatorisch, logistisch, technisch – spielen sich ab zwischen der Beauftragung und dem Betätigen des Auslösers?

Nun, die Prozesse sind da routiniert ähnlich. Nach der Beauftragung erfolgt, wenn terminlich möglich, eine Begehung des Objektes. Mithilfe eines detaillierten Briefings setze ich mich dann mit dem Gebäude auseinander und gehe gedanklich verschiedene Standpunkte durch. Vor Ort nehme ich mir Zeit und arbeite die geplanten Einstellungen an den realen Gegebenheiten ab. Wenn die Perspektiven und Standpunkte feststehen, müssen alle Locations „organisiert“ werden, sodass ich sie zu den optimalen Tageszeiten (die mir der Sonnenstand vorgibt) wie gewünscht nutzen kann. Hier hat sich – gerade im Ausland – unsere Hartnäckigkeit bewährt. Wir versuchen mit der Devise „Geht nicht, gibt es nicht“ Zugang zu Hochhausdächern und Wohnungen zu bekommen, um die bestmögliche Perspektive nutzen zu können. In den meisten Fällen sind wir da auch erfolgreich.

Digitale Bearbeitung: Inwiefern ist sie auch ein gestalterisches Mittel?

Wir sind recht früh, ich glaube 2007, auf die rein digitale Fotografie umgestiegen – wo wir zuvor mit der Plattenkamera und jeder Menge Equipment unterwegs waren, reisen wir jetzt mit erheblich weniger Gepäck. Viele Perspektiven und Standpunkte wären zur analogen Zeit nicht möglich gewesen, da ich nicht so schnell reagieren konnte, wie es mir heute möglich ist. Insofern hat die „digitale Revolution“ meine Fotografie beeinflusst. Die digitale Bearbeitung der Fotografien findet allerdings nur insofern statt, dass die Raw-Dateien zu reproduzierbaren Daten aufgearbeitet werden müssen und dass im Auftrag des Kunden Retuschen, zum Beispiel an noch nicht ganz fertiggestellten Objekten, vorgenommen werden. Auch in Zeiten, in denen alle denkbaren digitalen Verfremdungen oder Eingriffe möglich sind, verändern oder schönen meine Fotografien nicht die Realität – meine Fotos zeigen die Objekte so, wie sie im Moment der Aufnahme waren.

Ist es möglich, fotografisch die Realität abzubilden?

Ich denke, dass Fotografie von einer Realität zeugt, die zum Zeitpunkt der Aufnahme real war. Fotografien zeigen einen Moment, einen Ausschnitt, der auf Wirklichkeit verweist.

Vor welche Probleme kann man vor Ort gestellt werden, vielleicht haben Sie eine Anekdote für uns?

Es gibt natürlich Situationen, in denen ein gewünschter Standpunkt unerreichbar scheint. Als wir für gmp die Oper in Qingdao fotografiert haben, erschien uns eine Perspektive wichtig, die nur aus einem Hochhaus möglich war, dass in einer „Gated Community“ stand. Nachdem es für uns keinen Zutritt vorbei am Wachpersonal gab, haben wir Bewohner angesprochen, sie nach ihrem Stockwerk und der Himmelsrichtung ihrer Fenster gefragt. In China trifft man bei Aktionen dieser Art selten auf Englisch sprechende Menschen, so gestalten sich diese Befragungen oft als schwierig, die Gastfreundschaft, im Besonderen der Chinesen, macht aber dann doch vieles möglich. So trafen wir auf einen Mann, der mit seiner Familie im 20. Stock unserer gewünschten Location wohnte. Wir durften schließlich zu verschiedenen Tageszeiten in die Wohnung, wo wir von Kindern und Großeltern umringt unsere Aufnahmen realisieren konnten. Gekrönt wurde diese Aktion mit der Einladung, am familiären Abendessen teilzunehmen.

Welche Rolle spielt Geduld?

Geduld spielt in der Architekturfotografie eine sehr große Rolle und beinhaltet nicht selten auch einen kontemplativen Aspekt – wir warten viel! Auf den richtigen Sonnenstand, auf optimale Wetterverhältnisse, auf die Dämmerung oder einfach nur auf das Wegfahren eines Lkws, der die Sicht versperrt.

Wenn Sie Ihre Bilder mit einem Attribut versehen sollten – welches wäre das?

Mir gefällt für meine Fotografie tatsächlich die Bezeichnung intuitiv, denn trotz aller Planung und allen Wissens über das zu fotografierende Objekt, ordne ich mein handwerkliches Können situativen Eingebungen unter. Ich versuche wach und aufmerksam zu sein, um nicht in eine Routine zu verfallen und flexibel, um mich immer wieder neuen Gegebenheiten und Situationen stellen zu können.

Wie wurden Sie Architekturfotograf?

Seit meinem zwölften Lebensjahr beschäftige ich mich mit Fotografie. Als mir mein Vater dann eine Kamera gekauft hat, begann ich zunächst Burgen und Schlösser meiner Heimat zu fotografieren. Nach einer klassischen Fotografenausbildung habe ich während eines kurzen Praktikums bei einem Modefotografen realisiert, dass ich Architektur interessanter und spannender finde und beschlossen, mich als Architekturfotograf selbstständig zu machen – das ist nun schon über 20 Jahre her und den Entschluss habe ich bisher noch keine Sekunde bereut!

Die Fragen stellte Christian Füldner.

Vita Hans-Georg Esch

Hans-Georg Esch, geboren 1964 in Neuwied, absolvierte eine klassische Fotografenausbildung. Seit 1989 arbeitet er als freischaffender Architekturfotograf für nationale und internationale Architekturbüros und zählt heute zu den renommiertesten Vertretern seines Fachs. Neben Auftragsarbeiten ist dabei ein eigenständiges OEuvre freier künstlerischer Arbeit getreten, in dem Esch den Blickwinkel auf die gesamte Stadt öffnet. Bekannt wurden die vielfach international ausgestellten und in mehreren Buchpublikationen veröffentlichten Serien wie „Megacities“, „City and Structure“ oder „Cities Unknown“, die sich mit heutigen Boomcities westlicher wie insbesondere auch asiatischer Prägung beschäftigen. Esch lebt und arbeitet in Hennef/Stadt Blankenberg.

- Website des Architekturbüros gmp von Gerkan, Marg & Partner
- Mitarbeiterzeitschrift concrete gmp Ausgabe 03/09.2011 (PDF-Dokument)
- Website des Architekturfotografen Hans-Georg Esch
- Mehr über den Architekturfotografen H.G. Esch im Architekturfotoblog


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