Zwischen der traditionsreichen Glasmalerei-Werkstatt Hein Derix im niederrheinischen Wallfahrtsort Kevelaer und der Viersener Lehmbau- und Architektenfamilie Breidenbach bestehen langjährige berufliche und private Kontakte. Das beiderseitige Engagement in der Denkmalpflege führte immer wieder zu gemeinsamen Projekten. Mit der Planung des Wohnhauses für die Familie von Derix-Gesellschafter Michael Heymann durch Architektin Inge Breidenbach schloss sich einmal mehr der Kreis. Die Baustoffe der Wahl: Holz und Lehm.
Familienbetrieb in fünfter Generation: Glasmalerei-Werkstatt Hein Derix in Kevelaer
Zu meinem Besuch im Privathaus der Familie Heymann nutzen wir die Mittagspause des vielbeschäftigten Glasmalerei-Fachmanns. Es gibt Kaffee und Schnittchen. Michael Heymann berichtet von der über mehrere Generationen gewachsenen Familienfreundschaft: „Angefangen hat alles schon in den späten 1960er Jahren. Peter Breidenbachs Vater, der Architekt Hermann Breidenbach war treibende Kraft in der eben erst im Entstehen begriffenen Denkmalpflege-Bewegung am Niederrhein. Dadurch gab es immer wieder Berührungspunkte mit der Glasmalerei Derix, in der mein Vater Werner etwa zur gleichen Zeit seine berufliche Heimat fand. Firmen-Patriarch Hein Derix war damals auf der Suche nach einem künstlerischen Leiter für sein Unternehmen. Mein Vater kam 1964 von der Werkkunstschule in Krefeld, wo auch meine Mutter Ursula studierte. Zwischen ihm und Hein Derix stimmte die Chemie auf Anhieb, er erfasste die kreativen Ideen des Seniorchefs wie kein zweiter im Unternehmen. So konnte er nach und nach immer mehr von dessen Führungsaufgaben übernehmen.“
Kooperationen in der Denkmalpflege
Heute vertritt Michael Heymann die zweite Generation seiner Familie beim traditionsreichen Glasmalerei-Fachbetrieb, seit 1999 ist er Gesellschafter. Die Gründerfamilie Derix selber führt in Person von Peter Derix das Unternehmen bereits in vierter Generation. Dessen Sohn Jörg Derix ist, wie Michael Heymann, in die Fußstapfen des Vaters getreten. Gemeinsam stehen beide heute sowohl für den Erhalt historischen Fachwissens als auch für die Erschließung neuer Aufgabenfelder für die Gestaltung mit farbigen Gläsern.
Bleiverglasung Stadtbad Viersen - Abb.: Hein Derix KG
Die enge Verbindung der Familien Heymann und Breidenbach hat weiterhin Bestand, führt doch Architektin Inge Breidenbach die wegweisende Arbeit ihres Mannes im Bereich der Denkmalpflege bis heute mit großem Engagement fort. Eines von vielen Projekten, in denen die Kooperation zwischen Glasmalern und Architekten exemplarisch sichtbar wird, ist das historische Stadtbad in Viersen. Zu dessen aufwändiger historisch-authentischer Restaurierung Mitte der 1990er Jahre schuf das Atelier Derix bleiverglaste Jugendstil-Fenster, gestaltet von Ursula Heymann. Federführende Architektin dieses Bauabschnitts: Inge Breidenbach.
Dass Michael Heymann und seine Frau Anneli für die Planung ihres Familiendomizils in Kevelaer auf das Wissen und die Erfahrung Inge Breidenbachs zurückgreifen würden lag also nahe. Zumal die langjährige berufliche Verbindung die beiden Familien auch privat näher gebracht hatte. Michael Heymann erinnert sich: „Ich kenne Inge Breidenbach schon seit ich im Kleinkindalter war. Als wir 1996 unser Baugrundstück erwarben, war für uns klar, dass sie unser Haus planen sollte. Von unserer Seite gab es dabei zunächst nur zwei konkrete Vorgaben: Die Planung sollte unserer ökologischen Grundeinstellung entsprechen und der Baustoff Lehm sollte eine Rolle spielen.“
Edle Oberflächen zum Leuchten gebracht
Im Entwurf der Architektin entstand in der Folge eine zeitgemäße Adaption der historisch vielfach bewährten Material-Symbiose aus Holz und Lehm. Ein Ständerwerk aus Fichten-Konstruktionsvollholz, das auch als tragende Deckenbalken beide Geschosse überspannt, bildet die Grundkonstruktion. Die Deckenuntersichten bilden sichtbaren Verbretterungen aus breiten Pappel-Bohlen. Alle Zwischenwände sind in Lehmbauweise ausgeführt. Dabei wurden die Außenwände mit Lehmbausteinen ausgefacht, die äußere Hülle des Wohnhauses ist komplett mit unbehandeltem Lärchenholz verkleidet. Ein Satteldach sorgt für die unauffällige Integration in das Gesamtbild des gewachsenen Wohnviertels nahe der Kevelaer Innenstadt.
Lichte Wohnumgebung aus Holz und Lehm: im Privathaus der Familie Heymann in Kevelaer
Licht- und Farbstimmung der Innenräume werden vom hellen Erdfarbton des Lehm-Feinputzes dominiert. Die Ausführung dieses sichtbaren Lehm-Oberputzes hat Michael Heymann bewusst einem Spezialisten überlassen, bei allen anderen Arbeiten, vom Lehmbau bis zu den Installationen war er aktiv an der Ausführung beteiligt. Im Gespräch berichtet Heymann mit ansteckender Begeisterung vom großen Anteil an eigener Arbeitsleistung, mit der er wesentlich zur Fertigstellung des eigenen Heimes beitragen konnte: „Abgesehen von dem spezifischen Können und der handwerklichen Spezialisierung, die für eine perfekt ausgeführte Lehm-Feinputz-Oberfläche unumgänglich sind, kann man, fachkundige Anleitung vorausgesetzt, bei so einem Lehmbau-Projekt vieles selber machen. Voraussetzung ist lediglich gewisse handwerkliche Grundbegabung. Die Verarbeitung ist nicht schwierig, das Baumaterial angenehm und abends braucht man das benutzte Werkzeug nur mit klarem Wasser abzuspülen. Wichtig ist vor allem große Sorgfalt, und es gilt, die notwendigen Trocknungszeiten einzuhalten. Der Lehm will einfach ‚gut behandelt‘ werden.“
Lärchenholz außen, planerisches Detail: Lichteinlass im Obergeschoss
Den Alltags-Test hat das Eigenheim längst bestanden, seit nunmehr zwölf Jahren bewährt sich die Wohnumgebung aus Holz und Lehm zu aller Zufriedenheit, und die Heymanns und ihre Kinder fühlen sich sichtlich wohl in ihrem Heim. Bevor Michael Heymann den Mittagstisch verlässt – ein Kundentermin steht an – versäumt er es nicht, auf die wichtige Rolle seiner Frau bei der Gestaltung der gemeinsamen Wohnumgebung hinzuweisen: „Inneneinrichtung und Gestaltung sind allein ihr Werk. Lassen Sie sich gleich unbedingt noch die anderen Räume zeigen.“ Beim abschließenden gemeinsamen Rundgang mit Anneli Heymann komplettiert sich mein Eindruck einer wohnlichen Familien-Heimstatt mit Wohlfühl-Faktor. Im offenen Wohnbereich des Erdgeschosses sorgt ein zentral platzierter Grundofen für Behaglichkeit. Die angenehme Wohnatmosphäre profitiert von schlicht-eleganter Möblierung, sparsam verteilten Accessoires und schönen Bilder an den Wänden. Im Dielenbereich des Obergeschosses, das Elternschlafzimmer, Bäder und Kinderzimmer beherbergt, fällt die besondere Lichtstimmung auf. Ein Blick nach oben liefert die Erklärung: an einigen Stellen ist die Holzdecke unter dem Spitzboden von einer trittfesten Glasfläche unterbrochen und bietet freien Durchblick auf in die Dachfläche integrierte Oberlichter. Ein wohldurchdachtes planerisches Detail, das auch hier im zentralen Obergeschoss die edlen Lehm-Oberflächen regelrecht zum Leuchten bringt. Gut, wenn man eine erfahrene Architektin zur Freundin hat.