Müde schieben die beiden Straßenfeger ihre Besen vor sich her. Sie foppen einander ein wenig, vielleicht aus Langeweile, dann wird aus ihrer Mülltonne eine wandelbare Requisite, ihre Besen werden zu Vogelschwingen und sie selbst schließlich zu römischer Wagenlenkerin und Zugpferd – in Zeitlupe, wohlgemerkt. Das Duo Gi-Jo aus den Niederlanden und aus Österreich begeistert beim 17. Straßentheaterfestival in Ludwigshafen mit einer Mischung aus Clownerie, Akrobatik und Illusion durch eine schier unendlich wandelbare Requisite. Dieser Mix aus körperlichem Können, Humor und Fantasie begeistert das breit gefächerte Publikum am Rathausplatz. Das renommierte Festival in der Metropole am Rhein ist bekannt für die große Kunst internationaler Ensembles aus den unterschiedlichsten Genres von Tanz, Pantomime über Theater, Illusion bis zu Musik und Walk-Acts.
Wir lassen uns treiben, so, wie es von den Veranstaltern wahrscheinlich auch gedacht ist. Auf sieben verschiedenen Plätzen in der Ludwigshafener Innenstadt kann man an diesen Tagen auf Clowns und Harlekine, Giraffen, scheinbar sich selbständig machende Maschinen oder schräge Walking Bands treffen. Am Vorabend haben Sturm und Starkregen dafür gesorgt, dass die Veranstaltung abgebrochen werden musste. Jetzt scheint wieder die Sonne, die Fußgängerzone um den Rathausplatz ist gut gefüllt, und wir bleiben erst mal beim Duo Gi-Jo, Anja van Wijngaarden und Johannes Fischer, hängen. Nah an der Idee des Straßentheaters, treten ihre zwei Figuren als Straßenfeger auf, die den Platz reinigen. Die anfänglich überwiegende pantomimische Clownerie geht nach und nach immer mehr in Akrobatik über, die die beiden Künstler in ganz unterschiedliche Szenerien einbauen. Diese wiederum entwickeln sie aus einem kleinen, aber fantasievoll wandelbaren Fundus an Requisiten: zwei aufgescheuchte Hühner mit Besenschwingen jagen sich über den Platz, ein römischer Streitwagen dreht seine Runden und schließlich schweben die Akrobaten wie chinesische Artisten an den Stangen eines zweiten, überdimensionierten Besenpaars.
Vom Rathausplatz biegen wir in die Bismarckstraße ab. Zwischen den Bäumen der Fußgängerzone treffen wir auf einen der erste Walk-Acts des Festival: die wunderschönen und eleganten Giraffen des Teatro Pavana. Das Stelzentheater aus Venedig hat sehr lebensnahe Giraffenkostüme geschaffen, die vor allem die Kinder faszinieren. Zutraulich lassen sich die Figuren ihre schönen Köpfe streicheln, marschieren dann immer wieder weiter, scheinen an den Bäumen zu knabbern und kommen allzu fotografiereifrigen Erwachsenen mit ihren Smartphones auch mal ein bisschen zu nahe. Die Illusion aber ist auch hier perfekt: Die ansonsten eher triste Innenstadt von Ludwigshafen bevölkert von exotischen, sanften Riesentieren – das hat eine ganz eigene Wirkung.
Schließlich können wir uns losreißen und wenden uns auf Empfehlung dem Karl-Kornmann-Platz zu. Hier wartet unter einem roten Tuch die riesige Maschine von Ulik Robotik. Der Industrieroboter wird von den Trommelklängen des Menschen zum Leben erweckt und von dem Tuch befreit. Eine weit riesigere Trommel ist an dem schwenkbaren Kran befestigt. Ulik, der Mensch, provoziert die Maschine mit seinem Trommeln und diese tritt in ein faszinierendes Duell mit dem Mann, der in dessen Verlauf schließlich hoch oben erst in, dann vor der großen Trommel landet. Diese neue Art der Interaktion zwischen einem Roboter und einem Menschen ist faszinierend, spannend, zum Teil witzig und atemberaubend. Dem Kind ist das Ganze leider dann doch zu unheimlich, sodass wir frühzeitig aufbrechen und uns wieder in Richtung Bismarckstraße wenden.
Wir finden Trost im nächsten Walk Act, dem bunt kostümierten mobilen Orchester „La Fanfarniente della Strada“ aus Kanada. Das zwölfköpfige Ensemble erinnert mit seinen zirkustartigen Kostümen und dem vielen Blech unwillkürlich an Balkan-Ska-Formationen. Aber das Repertoire ist weit breiter. Eingebettet in eine kleine, skurrile Handlung, werden die Genres von Walzer, Ska, bis zu Salsa, Polka und Klezmer wild gemixt. Dabei wird auch das Publikum integriert und zum Tanzen animiert. So werden ein Stierkampf, eine klassische Liebesgeschichte zwischen Prinzessin und Ritter, aber auch die heimliche Revolte der Musiker gegen den despotischen, leicht durchgeknallten Orchesterleiter musikalisch und mimisch dargestellt.
Auf dem Heimweg lassen wir uns noch ein wenig vom Glockenspiel der spanischen „Cia la Tal“ verzaubern. Wie Puppen bewegen sich die Figuren des Carillons rein pantomisch zu den Spieluhrklängen, scheinbar angetrieben von einem riesigen Uhrwerk, kommen und gehen durch die Türen und präsentieren eine verzauberte andere Welt mit Harlekinen, Damen und Rittern. Das ist das Ziel der spanischen Kompagnie, die ursprünglich mit reiner Clownerie angefangen, und mittlerweile mit Illusionsspielen wie dem Carillon ganz eigene Welten erschaffen will.
Auf das nächste Straßentheaterfestival in Ludwigshafen müssen wir ein Jahr warten. Viele der internationalen Künstler treten aber auch auf anderen Festivals in Deutschlands auf – ein Blick auf die Webseiten lohnt sich.