Gibt es Zen für Agnostiker?

In einem Kommentar zum Blog vom 2. März fragte "Beginner": "Gibt es eine Form des Zen, die auch für Agnostiker verdaulich ist? ... Gibt es also eine Form des Zen, die man eher als Philosophie und nicht als Religion auffassen kann? Falls ja, kannst du mir diesbezüglich eine Orientierungshilfe geben? Wer (auch Englisch Sprechende) praktiziert Zen so? Welche Literatur geht in diese Richtung? ... Ein Konterpart zu 'Kritisierte Lehrer' wäre wirklich hilfreich."

Ich will die Gelegenheit zu einer ausführlicheren Antwort nutzen, die noch einmal klar machen dürfte, was mich auch zu diesem Blog bewegt hat.Zunächst ist zu klären, wo man steht. Ich bevorzuge den Begriff "Nicht-Theist". Der Gnosis, so man sie nicht als Geheimwissen versteht (man denke an den klassischen Zen-Satz "Offene Weite, nichts von heilig"), sondern als "Erkenntnis", bin ich nicht per se abgeneigt, auch wenn der Ausdruck religionswissenschaftlich in der Regel mit Bezug aufs Christentum verwendet wird. Im Zen ist Erkenntnis satori, also "Verstehen". Hier im Blog wurden häufig Formen des Buddhismus kritisiert, die religiöse, rituelle und kommerzialisierte Züge angenommen haben. In vielen Fällen handelt es sich schlicht um Formen des Profitstrebens, die nicht einmal liefern, was sie vorgeben zu besitzen (nämlich Erkenntnis oder Weisheit). Die rituell-religiösen Praktiken finden sich aber in praktisch allen Zen-Dojos, deshalb kann man von mir auch keine prinzipielle Empfehlung erwarten, irgendwo hinzugehen. Ich habe zwar ein paar Lehrer kennengelernt, die mir sympathisch waren (Muho und Genpo Döring zum Beispiel), oder sie so gelesen und ihnen aus der Ferne zugehört, dass ich einen tieferen Erkenntnisgrad zugestehen will (Taisen Deshimaru, Shunryu Suzuki, Joshu Sasaki und Eido Shimano sind da zu nennen), aber entweder sind diese als Priester auch in den rituellen Kontext eingebettet oder sie haben, wenn sie noch leben, große Schwächen (wie Shimano seine Geldgier). Ich plädiere strikt für ein Laienzen, bei dem man sich weder einem Lehrer ausliefern noch viel Geld ausgeben noch einem rituellen Überbau widmen muss. Ich rate dazu, sich ein paar Fragen zu stellen, dann kann man meine Position vielleicht nachvollziehen.1) Warum will man sich dem Buddhismus widmen? Will man fertige Antworten als Stützkorsett, oder sucht man nach einer Methode, um zu tieferen Einsichten über sich und die Welt zu gelangen? Ist ein Philosophiestudium oder Lektüre womöglich besser geeignet als der "buddhistische Weg"? Ist die buddhistische Ethik wirklich etwas Besonderes, muss man sie tatsächlich "üben" oder weiß man bereits, was zu tun ist?2) Warum will man sich einem Lehrer unterordnen oder anvertrauen? Steckt ein Mangel an elterlicher Zuwendung dahinter, die  Suche nach einem Ersatzvater oder einer Ersatzmutter? Ist man biographisch so vorbelastet, dass vielleicht eine Psychotherapie oder ähnliches angebrachter wäre?3) Ist "Erleuchtung", "Erwachen", lebensverändernde Erkenntnis für mich wichtig oder nicht? Muss sie gesucht werden oder kann ich erwarten, dass mein Leben selbst diese für mich bereithält, ohne dass ich mich einer bestimmten Religion zuwenden muss?

Die den Religionen gemeinsamen Werte ähneln sich sehr (etwa Nicht-Töten, Nicht-Stehlen, Nicht-Lügen usw.). Der buddhistische Übungsweg ist, in seine einzelnen Bestandteile zerlegt, zunächst also nichts Besonderes. Selbst Achtsamkeit müssen wir alle jeden Tag üben, und dass die Dinge miteinander verbunden sind, wird uns auch immer wieder klar. Vieles, was uns Buddhisten als Besonderheit anpreisen, ist also eine Binsenweisheit. Zazen hingegen ist Teil einer bestimmten Religion. Es ist nicht Bestandteil aller Religionen. Im Grunde handelt es sich um eine Form der Selbsttherapie, mit der man seine eigenen Denk- und Gefühlsprozesse zu durchschauen lernt. Man kann diese Methode so praktizieren, wie sie im Zen empfohlen wird, bis hin in strikte Haltungsdetails. Oder aber gleich im Alltag anwenden und sich dabei immer wieder bewusst machen, wie sich Gedanken aufbauen und ein Anhaften daran entsteht, wie sie aufgebauscht werden zu Hass, Gier, Verliebtsein usw. Unsere Bedürfnisse, wie lange wir formell den Meditationssitz einnehmen wollen, sind sicher unterschiedlich, aber der eigentliche Prüfstein dieser Übungsmethode ist der Alltag, den wir leben - wenn wir also nicht für uns oder mit anderen sitzen, sondern uns an anderen reiben und uns mit ihnen auseinandersetzen. Ich habe im Lauf meiner nun über 30jährigen Hinwendung zum Buddhismus, speziell zum Zen, festgestellt, dass Meditierende in der Regel auch nach vielen Jahren keine größere Sozialkompetenz besitzen als andere Menschen. Viele begeben sich überhaupt nur zu Lehrern, um in der Szene "Karriere" zu machen, also sich selbst buddhistischen Status zu verschaffen. Ich schließe daraus, dass es besser ist, die Meditation möglichst im Alltag anzuwenden und dabei "achtsam" besonders auf die gedanklichen Vorgänge zu sein, die sich in einem selbst abspielen. Das Zusammenspiel hier Zazen und da Alltagsleben scheint mir überwiegend nicht so recht zu funktionieren. Genau wie bei der Übung ethischer Konzepte (z. B. Mitempfinden, Geduld usw.) scheinen mir viele Buddhisten aus einer Mücke einen Elefanten zu machen, d. h. sie komplizieren etwas unnötig, das einfach sein sollte. Sie machen sich über alles Mögliche einen Kopp, obwohl gerade die Meditation sie gelehrt haben müsste, dass dies der falsche Weg ist (ich möchte vermeiden, hier für alles Beispiele zu bringen, das dann ggf. im Kommentar, weil der Beitrag sonst zu lang wird). Statt "loszulassen" von Gedanken und Gefühlen sowie dem buddhistischen Überbau, versteifen sie sich immer wieder auf Konzepte, Ideen, bestimmte "Praxis".Die "Form des Zen", die auch für Agnostiker verdaulich ist und nach der du fragst, "Beginner", ist deshalb die "formlose". Da das westliche Zen vor allem von - oft stufenhaft begriffener - Koan-Schulung (Rinzai) und "Zazen ist Erwachen" (Dôgen) bestimmt wird, also von späteren Verkrustungen in der Entwicklung des Zen, weise ich hier im Blog immer wieder durch Textauszüge auf korrigierende Ansichten aus dieser Tradition hin. Das ist für mich die "Philosophie", nach der du fragtest. Aber fast niemand "praktiziert Zen" so, denn zur Philosophie gehört ja auch die "Logik", die die Mehrzahl der Buddhisten außen vor lässt, wenn es um die Verteidigung ihrer in irgendwelchen Schriften geäußerten Dogmen geht. Zen-Praxis scheitert also meist an der Dummheit ihrer Praktizierenden, oder an einem Mangel an Erkenntnisfähigkeit (zu der zumindest im philosophischen Sinn nicht nur der metaphysische Aspekt gehört). Letztlich musst du also Zen selbst als Philosophie - d. h. als logischen und metaphysischen Erkenntnisgewinn mit sichtbarem ethischem Lebenswandel - betreiben, das wird dir niemand abnehmen können. Ich wüsste selbst nicht, weshalb ich irgendeinen Lehrer aufsuchen sollte, ich habe keine wichtigen Fragen, brauche keinen Rat und keine Anleitung. Darum kann ich auch keinen empfehlen, ja nicht einmal den Glauben an sich, einen buddhistischen Lehrer am Anfang des 21. Jahrhunderts noch zu benötigen. Wovon ich jedoch überzeugt bin ist, dass in der Zengeschichte stets ein "Schlüsselerlebnis" für die Zenübenden wesentlich war und ihrem Leben einen tieferen Sinn oder sagen wir besser: einen neuen Drive, eine umfassendere Freiheit (von und in Gedanken) verlieh. 

Es genügt also nicht, sich einfach an irgendwelche Anweisungen einer legendenhaften Figur (wie Shakyamuni Buddha) zu halten, seien es solche zur Meditation, zur Achtsamkeit oder zu ethischen Tugenden. Dieser Weg mag an sich befriedigend sein und der Menschheit insgesamt nutzen (?), aber er ist nicht das, was im Zen als entscheidender Durchbruch sich in den Biografien so vieler hier zitierter Meister findet. Es mag nicht nötig oder sogar hinderlich sein, nach "Erwachen" explizit zu streben, doch es macht in meinen Augen einen entscheidenden Unterschied, ob einem dieser Durchbruch gelingt oder nicht. Nicht nur im Sinne tiefer Erkenntnis, sondern auch in dem, was als (ethische) "Praxis" bezeichnet wird. Für mich setzt diese angemessene Praxis Erkenntnis voraus, nicht umgekehrt (denn die Praxis nach der Erkenntnis erweist sich als vom Korsett jedes Buddhismus befreit). Ironischerweise war das beim legendären Buddha genau so - auch er musste zunächst erwachen, bevor sich eine - in seinem Fall vor allem "belehrende" - Praxis ergab. (Es ist natürlich ein Irrtum zu glauben, dass jeder erwachte Mensch zu der gleichen Praxis wie einer vor zweitausendfünfhundert Jahren käme.) Darum befinden sich auch die meisten buddhistischen Lehrer m. E. heutzutage in einer Sackgasse, selbst wenn sie es gut meinen. Sie praktizieren ohne jene tiefe Erkenntnis, und ihre Schüler/innen tun es ihnen gleich. Und sie praktizieren Buddhismus zuweilen in der stillen Hoffnung, so doch irgendwann zu dieser Erkenntnis zu gelangen. Das dürfte ein trauriger Zirkelschluss sein.



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