Gewaltfreie "Wutbürger" geht das? Mahatma Gandhi
Wutbürger ist von der deutschen Gesellschaft für Sprache zum Wort des Jahres 2010 gewählt worden. (http://www.tagesschau.de/inland/wortdesjahres106.html).
Wie bei allen Schlagworten sind sich zwar alle einig, sie augenblicklich häufig zu verwenden, jedoch meist uneins, was sie so genau bedeuten:
http://de.wikipedia.org/wiki/Wutb%C3%BCrger
Als "verbissener Blogger gegen das Böse in der Welt" fühlt man sich mit der Thematik ja auch gleich selbst betroffen.
Noch mehr Unterzund bekommt man durch Wortmeldungen, wie der des 93-jährigen Stephane Hessel, Widerstandskämpfer, KZ Buchenwald Überlebender und Mitverfasser der Menscherechtserklärung 1948:
"Wir alle müssen darüber wachen, dass unsere Gesellschaft eine Gesellschaft bleibt, auf die wir stolz sein können."
"Ich wünsche jedem Einzelnen von ihnen ein eigenes Empörungsmotiv. Denn das ist kostbar. Wenn etwas Sie empört, wie mich der Nazismus empörte, werden Sie militant, stark und engagiert."
http://derstandard.at/1295571430771/Franzoesische-Streitschrift-Empoert-euch
Gleichzeitig verlangt er , dass diese Empörung gewaltfrei sein soll...
Und wie bitte soll denn das funktionieren, fragt sich Otto Normalverbraucher, der sich die Empörten nur entweder hektisch bombenbastelnd oder nikotinsüchtig und ergebnislos herumdiskutierend vorstellen kann.
Das gibt einem die seltene Möglichkeit aus aktuellem Grunde sein Herrgottswinkerl zu befüllen.
Mohandas Karamchand Gandhi (http://de.wikipedia.org/wiki/Mohandas_Karamchand_Gandhi) hat mit seiner Theorie und Praxis gezeigt, wie so was gehen kann.
"Die Grundbedeutung von Gewaltfreiheit ist Festhalten an der Wahrheit, Kraft der Wahrheit (Satyagraha). [...] Bei der Anwendung von Gewaltfreiheit entdeckte ich schon sehr früh, dass die Wahrheitssuche es nicht erlaubt, dem Gegner Gewalt anzutun. Er muss vielmehr durch Geduld und Mitgefühl von seinem Irrtum abgebracht werden."
http://de.wikipedia.org/wiki/Gewaltlosigkeit
Natürlich klingt das im Zeitalter der Selbstmordattentäter und Massenvernichtungswaffen fast ebenso kindisch wie mein Lieblingsartefakt zur Geschichte Gandhis: Man findet es in einem Haus in Bombay in dem er einige Jahre zu Gast war, dem Manibhavan http://www.gandhi-manibhavan.org/
Gandhi schrieb am Vorabend des 2. Weltkrieges an "Herr(n) Hitler, Berlin, Germany" in eindringlichen Worten, dass er es in der Hand hätte, der Welt einen Krieg zu ersparen und er den Appell eines Menschen ernst nehmen soll, der für sich der Gewalt entsagt hat.
http://dusktodusk.co.uk/wp-content/uploads/2010/07/ghandi-s-letter-to-hitler1.jpg
(So nebenbei ist das Dokument ein netter Gegenbeweis gegen alle, die noch immer behaupten, man hätte nicht wissen können, dass Hitlers Politik zu Krieg führen würde. Ein Anwalt im fernen Indien hat das offenbar schon wissen können ... Gleiches gilt für seinen Artikel gegen die Judenverfolgung in Deutschland aus 1938 ....)
OK, bei "Herrn Hitler" hat der "Wutbürger" Gandhi versagt, aber sein primärer Empörungsgrund, das damals noch starke Britische Empire, gab letztlich Indien auf. Wesentliche Schritte waren so simple Aktionen wie das britische Verbot zu mißachten und seine Stoffe selbst und nicht in Manchester zu spinnen und das Salz am eigenen Strand zu gewinnen und nicht zu importieren.
http://de.wikipedia.org/wiki/Salzmarsch
http://www.chacha.com/question/what-was-ghandi’s-spinning-wheel-campaign
Man sitzt zwar viele Jahre im Gefängnis, aber gewaltloser Widerstand kann funktionieren, auch wenn eine andere Ikone der Bewegung (Nelson Mandela) in seiner Biografie zugibt, dass er nach Jahren frustraner Diskussionen selbst Gewalt als Mittel des Widerstandes anerkennen musste, aber das ist eine andere Geschichte.