Gewalt und Gegengewalt

By Barhoum, 15/04/2012 11:01

Am letzten Sonntag war das Zentrum von Tunis Schauplatz gewaltsamer Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Polizei. protestierende aller Altersgruppen wollten unbedingt auf der Straße Habib Bourguiba den 9. April feiern. Der Gedenktag an die Proteste vom 09. April 1938, die von der französischen Besatzungsmacht blutig niedergeschagen wurden, wurde nun auch im postrevolutionären Tunesien zu einem “schwarzen” Tag. Damals wie heute durften die Demonstranten nicht auf die symbolträchtige breite Straße im Herzen von Tunis. Doch heute kämpften Tunesier gegen Tunesier, Polizei Schulter an Schulter mit Hooligans gegen Demonstranten, die kein anderes Ziel hatten, als Habib Bourguiba zu stürmen, und den Beschluss des Innenministeriums – dieses hatte Demos auf dem Habib Bourguiba Tage zuvor verboten – zu brechen. “Wir müssen Habib Bourguiba befreien” skandierten die Demonstranten kopflos. Die Polizei wollte aber nicht einlenken. So kam es zum Crash. Tränengas wurde abgefeuert, Polizisten jagen den Menschen in Nebenstraßen hinterher, verprügelten manche, bewarfen sich mit Demonstranten mit Steinen gegenseitig. Das Ergebnis: viele Verletzte Zivilisten, einige Polizisten und eine Schlacht, die keinem wirklich genutzt hat. Sicherlich hat sich das Innenministerium mit dem Verbot ein Problem ins Haus geholt. Oppositionelle wittern geradezu solche Chancen. Dass auch Kriminelle der Polizei bei der Bekämpfung von Demos helfen, ist ein Skandal für das längst überforderte Innenministerium. Aber zu den Eskapaden am 09.04. hat auch die intellektuelle Elite beigetragen. Mit viel Körpereinsatz und Kriegsparolen führten sie die Menge und wollten auf die Habib Bourguiba. Sie waren nicht gesinnt, die Gewaltausbrüche zu verhindern. nein sie provozierten die Gewalt. Wie wäre es aber, wenn man gegen den Beschluss des Innenministeriums anders protestierte? Wie wäre es, wenn man nicht direkt die körperliche Konfrontation gesucht hätte. Mann kann schon über die Medien viel Druck machen. Man kann Kundgebungen anderswo veranstalten und gegen den Beschluss vernünftig arbeiten, bis Innenministerium den blöden Beschluss rückgängig macht und Habib Bourguiba zu Protesten wieder frei gibt. Muss es sein, dass schnell Blut vergossen wird, dass die ohnehin reizbare Volksseele in Wallung kommt. Mit großen Demos haben wir schon den Diktator gestürzt. Das war gut. Wenn der anhaltende Protestwahn aber zur Lebensform wird, dann stürzen wir am Enden das Land selbst in einen Abgrund.


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