Getreidefreie Hundeernährung – die eierlegende Wollmilchsau?

Vor einiger Zeit hat eine Meldung der U.S. Food and Drug Administration (FDA) für Aufsehen und Unruhe gesorgt. In der Meldung ging es um ein gehäuftes Auftreten der Herzerkrankung Dilatative Kardiomyopathie bei Hunderassen, für die diese Erkrankung eher nicht typisch ist. Diese Hunde wurden scheinbar über längere Zeit mit getreidefreien Futtermittelsorten gefüttert, die dafür verschiedene Hülsenfrüchte und Kartoffeln enthielten.

Verursacht getreidefreies Futter Herzerkrankung?

Getreidefreie Hundeernährung – die eierlegende Wollmilchsau?

Die Meldung wurde von vielen aufgenommen und scheinbar teilweise auch falsch wiedergegeben. Manche Berichterstatter schlussfolgerten, eine getreidefreie Ernährung könnte nun beim Hund das Risiko für FDA erhöhen. Natürlich ist das falsch, bzw. es gibt bisher keine Untersuchungen dazu, geschweige denn Ergebnisse. Denn selbst wenn die Futtermittel mit der gehäuft aufkommenden FDA in Zusammenhang stehen, kann man nicht sagen, welche im Futter enthaltene oder eben nicht enthaltene Komponente dafür verantwortlich ist.

Damit wäre das Thema eigentlich erst mal vom Tisch … eigentlich.

Ist es gesünder für den Hund, getreidefrei zu füttern?

Einige Tierärzte nutzen die Gelegenheit, die getreidefreie Hundeernährung ein wenig auf den Prüfstand zu schicken. Denn – viele Hundehalter, die dem Trend der Vermeidung von Getreide im Futternapf folgen, wissen eigentlich gar nicht wirklich, warum sie das tun.

Bis vor einigen Jahren war getreidefreies Hundefutter eine Seltenheit. Das hat sich geändert. In Amerika liegt der Anteil an getreidefreiem Hundefutter mittlerweile bei beinahe 50%. Besonders beliebt ist getreidefreies Hundefutter bei Menschen, die ein vermeintlich naturnahes Hundefutter suchen. Der Wolf, von dem der Hund abstammt, frisst ja schließlich keine Getreidekörner.

Welche gesundheitlichen Vorteile bringt eine getreidefreie Ernährung?

Diese Frage lässt sich mit einem einzigen Wort beantworten: Keine. Aber schauen wir etwas näher hin.

Verursacht Getreide Allergien?

Allergien werden beim Hund durch Futterkomponenten ausgelöst, die der Hund über einen längeren Zeitraum häufig frisst. Das Allergen ist dabei natürlich nicht die Ursache der Allergie, diese liegt im Organismus selber. Hunde haben für kein einzelnes Nahrungsmittel eine signifikant höhere Allergenität als für andere. Rindfleisch, Geflügel, Getreide, Kuhmilch, Soja, Eier und Fisch werden bei uns als die am häufigsten identifizierten Futterallergene genannt.

Getreidefreie Hundeernährung – die eierlegende Wollmilchsau?

Es gibt auch regionale Unterschiede, in England, wo viele Hunde Hammel- oder Lammfleisch fressen, ist Hypersensitivität gegen Hammel oder Lamm verbreitet. Jede beliebige Futterkomponente ist eigentlich ein potentielles Allergen, jedoch treten in der Regel Reaktionen auf Proteine auf.*

Können Hunde Getreide schlecht verwerten?

In einer Studie** fanden Wissenschaftler 2016 heraus, dass Hunde schon vor 7000 Jahren die Fähigkeit entwickelt haben, Stärke zu verdauen. Die Ausbildung der Fähigkeit war abhängig vom Standort. Dort, wo Ackerbau betrieben wurde, entwickelten die Hunde – parallel zum Menschen – entsprechend hohe Anzahlen der Kopien dieses Stärkegens. Hunde, die aus nördlichen Regionen stammen, haben dementsprechend heute noch eine eher geringe Fähigkeit der Stärkeverdauung, die jedoch trotzdem noch über der des Wolfes liegt. Dagegen haben Hunde, die aus Regionen stammen, in denen viel Ackerbau betrieben wurde, eine sehr hohe Fähigkeit der Stärkeverdauung.

Die Anzahl der Genkopien kann variieren, je nachdem woher die Hunderasse stammt. Die Mehrzahl der Hunde (aus Gegenden, in denen prähistorische Landwirtschaft betrieben wurde), hatten bei der Untersuchung 11 Genkopien, Hunde, die hauptsächlich in Australien und der Arktis vorkommen, nur 3 Genkopien des Amylasegens. Der Wolf hat 2 Kopien.

Bei uns Menschen ist es ähnlich, auch hier war die Ausbildung der Fähigkeit zur Verdauung von Stärke abhängig vom Standort. Bei einer Untersuchung*** von 50 Studenten europäischer Herkunft zeigte sich, dass diese 15 Genkopien hatten. Der Schimpanse hat 2 Kopien.

Die meisten Hunde verfügen folglich über eine relativ gute Fähigkeit der Stärkeverdauung, wobei diese aber noch von anderen Faktoren beeinflusst wird, so z. B. auch von der gefütterten Menge. Eine Gewöhnung an die Verdauung von Kohlenhydraten führt sogar zu einer verstärkten Produktion von Amylase in der Bauchspeicheldrüse.

Macht Getreide Hunde fett?

Klar, Getreide kann fett machen. So wie fettes Rindfleisch das auch kann. Denn fett macht nicht das Nahrungsmittel, sondern der Energieanteil, der über dem liegt, was verbraucht wird. Übergewicht resultiert aus einem falschen Verhältnis von Energieaufnahme und Energieverbrauch. Energielieferanten in der Ernährung sind Kohlenhydrate und Fette. Also macht nicht Getreide fett, sondern überschüssige Energie.

Getreidefreie Hundeernährung – die eierlegende Wollmilchsau?

Abgesehen davon wird der Verbrauch der Energie auch von den Darmbakterien gesteuert. Eine ungünstige Besiedlung mit „falschen“ Bakterien kann auch den Energiestoffwechsel beeinflussen. Eine gesunde Darmflora ist wiederum davon abhängig, ob sie ausreichend mit Ballaststoffen versorgt ist. Getreide in der Vollkornvariante ist ein sehr guter Lieferant von Ballaststoffen.

Ist Getreide „nicht artgerecht“?

Ein Argument, das vor allem Barfer häufig nutzen, die eine Ernährung des Hundes als natürlich und artgerecht ansehen, welche sich am Wolf orientiert, lautet:

„Der Wolf geht ja schließlich nicht auf das Getreidefeld und pickt dort Körner“.

Nein, tut er nicht. Der Mensch aber auch nicht. Der Mensch hat lediglich mithilfe seiner Intelligenz und entsprechenden Fähigkeiten, über die der Wolf nicht verfügt, herausgefunden, wie er diese Körner genießbar machen kann.

Der heutige Wolf und unsere Hunde haben den gleichen Stammesvater. So wie wir Menschen und die Affen vom gleichen Vorfahr abstammen. Die besondere Fähigkeit des Hundes lag und liegt in seiner Anpassungsfähigkeit. So hat er sich im Laufe seiner Geschichte stets an die menschliche Ernährung angepasst, das hat sein Überleben gesichert. Und da Getreide in den letzten rund 10.000 Jahren in den überwiegenden Erdteilen eine sehr wichtige Rolle in der menschlichen Ernährung spielte, gehört es folglich auch zur „artgerechten“ Hundeernährung.

Erhöht Getreide das Risiko einer Diabetes-Erkrankung?

Immer mal wieder hört man, Getreide könne das Risiko, an Diabetes zu erkranken, erhöhen. Das wird darauf zurückgeführt, dass – platt ausgedrückt – Kohlenhydrate ja eigentlich Zucker sind und viel Zucker könnte zu Diabetes führen. Das ist so natürlich nicht richtig, der größte Risikofaktor für Diabetes ist Übergewicht. Heutzutage nehmen Diabeteserkrankungen zu, während der Getreidekonsum – besonders von Vollkorn – in den letzten 100 Jahren deutlich zurückgegangen ist.

Dagegen ist der Fleischkonsum massiv gestiegen und tatsächlich gilt eine hohe Fleischaufnahme (besonders rotes Fleisch) als Risikofaktor, ebenso wie eine hohe Aufnahme gesättigter Fettsäuren. Dagegen kann eine Ernährung, die viele Ballaststoffe enthält, wie sie z. B. in Vollkorngetreide vorkommen, vor Diabetes schützen.

Getreide kann noch mehr!

Natürlich besteht Getreide nicht nur aus Kohlenhydraten und Ballaststoffen, sondern enthält noch viele weitere gute Nährstoffe wie Fette, Vitamine, Mineralstoffe, Spurenelemente, sekundäre Pflanzenstoffe und sogar Proteine. Nicht umsonst war Getreide und Produkte daraus wie z. B. Brot lange Zeit ein wichtiges Nahrungsmittel für Hunde und ist es in vielen Teilen der Welt noch heute.

Viel Fleisch und wenig Getreide …

Es ist aktuell „modern“, Hunde mit hohen Fleischanteilen zu füttern und dafür das Getreide aus dem Napf zu verbannen. Dabei muss sich aber jeder, der so füttert, bewusst darüber sein, dass diese Form der Fütterung nur so lange funktioniert, wie wir eine Massentierhaltung haben. Bei der heutigen Produktion von Fleisch werden zudem viel mehr Ressourcen verschwendet, als bei der Produktion von Getreide, sie ist also deutlich teurer.

Wer meint, es wäre sinnvoll, Getreide durch Kartoffeln zu ersetzen, der muss sich im Klaren sein, dass die Kartoffel die gleichen „Risiken“ birgt, wie das Getreide, sie kann z. B. wie jedes andere Nahrungsmittel auch, ebenso zum Allergen werden.

Fazit

Das Getreide zu verdammen und aus dem Futternapf zu verbannen macht schlicht und ergreifend überhaupt keinen Sinn. Eher wäre es sinnvoll, Fleisch aus Massentierhaltung aus dem Futternapf zu verbannen, denn es schadet sowohl der Gesundheit des Hundes als auch der der Nutztiere, unserer Umwelt, der Gesellschaft, ganz zu schweigen davon dass Massentierhaltung ethisch und moralisch absolut nicht vertretbar ist.

Zielführend sollte eine Ernährung sein, die sowohl die Bedürfnisse als auch die Ressourcen berücksichtigt. Eine Ernährung die naturnah ist und die Umwelt schont, indem die Nahrungsmittel nachhaltig produziert werden. Dahin können wir nicht kommen, indem wir einzelne – in diesem Fall sogar wichtige – Nahrungsmittel verteufeln und ausschließen.

Getreidefreie Hundeernährung – die eierlegende Wollmilchsau?Noch mehr Mythen rund um das Getreide, z. B. was es mit dem „bösen Gluten“ auf sich hat, habe ich HIER aufgedeckt.

Quellen u. a.:

*Erhebungen zur Fütterung von Hunden und Katzen mit und ohne Verdacht auf eine Futtermittelallergie in Deutschland, 2009, https://edoc.ub.uni-muenchen.de/10069/1/Becker_Nicola.pdf

**Diet adaptation in dog reflects spread of prehistoric agriculture, 2016, https://www.nature.com/articles/hdy201648

***Wie die Zahl der Amylase-Gene die Evolution vorantrieb: https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/29760/Wie-die-Zahl-der-Amylase-Gene-die-Evolution-vorantrieb

Diabetes: unnötiger Getreideverzicht könnte Risiko erhöhen: https://www.pharmazeutische-zeitung.de/index.php?id=68161

Diabetesrisikofaktoren: https://www.diabetesinformationsdienst-muenchen.de/erkrankungsformen/typ-2-diabetes/risikofaktoren/index.html


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