Getreide – Wie der Bock zum Gärtner wurde

Getreide genießt aktuell in der Hundeernährung einen sehr schlechten Ruf. Getreidefrei boomt, Gluten-frei ist total IN. Aber ist Getreide wirklich der Sündenbock, für den man es hält?

In den letzten Jahrzehnten haben sogenannte Zivilisationserkrankungen signifikant zugenommen. Nicht zuletzt liegt die Ursache dafür in der Ernährung, die sich extrem verändert hat.

Bye bye Vollkorn, hello Fleischberge!

In der menschlichen Ernährung haben wir komplexe Kohlenhydrate weitgehend vom Teller verbannt und dafür riesige Mengen Fleisch kombiniert mit Zucker, Auszugsmehlen und ungesunden Fetten aufgehäuft.

Für die Hunde gab es Fertigfutter, dem es zudem häufig an natürlichen Nährstoffen mit all ihren Begleitstoffen mangelte.

Das böse Getreide!

Obwohl der Anteil an komplexen Kohlenhydraten – also auch an Getreide – in der menschlichen Ernährung stark reduziert wurde, kam man irgendwann auf die Idee, das Getreide, bzw. das enthaltene Gluten sei schuld an vielen Erkrankungen.

Als scheinbar auch bei den Hunden die Zivilisationserkrankungen anstiegen, gab man ebenfalls dem „bösen“ Getreide die Schuld. Einem Nahrungsmittel, das schon seit tausenden Jahren auch in der Hundeernährung eine wichtige Rolle gespielt hat.

Man stellte fest, dass das im Getreide enthaltene Gluten, bzw. das darin enthaltene Gliadin die Produktion von Zonulin anregt, einem Protein, das die Durchlässigkeit der Tight Junctions in der Darmwand reguliert. Durch die Lockerung der Tight Junctions wird die Darmwand durchlässig und macht es möglich, dass auch größere Stoffe in den Blutkreislauf gelangen und so in Kontakt kommen mit der Immunabwehr. Entscheidet die Immunabwehr (wohlmöglich fälschlicherweise), dass es sich bei dem Stoff um einen Feind handelt, kommt es zur Abwehrreaktion und zu entzündlichen Reaktionen.

Der Bock wurde zum Gärtner!

Bei der Schlussfolgerung, die viele daraus zogen, nämlich dass Getreide, bzw. Gluten im Organismus Entzündungen begünstigen würde, wurde ein wichtiger Faktor außer Acht gelassen: Das Immunsystem, das einen harmlosen Stoff als Feind einstuft und mit Abwehr reagiert, macht in diesem Moment einen Fehler. Das Problem ist also nicht die durchlässige Darmwand, sondern das fehlgeleitete Immunsystem.

Bei der sehr selten vorkommenden Zöliakie (gluteninduzierte Enteropathie) geht man als Ursache von einem genetischen Defekt aus, bei Hunden ist dieser bisher nur beim Irish Setter bekannt. Dieser Defekt führt dazu, dass das Immunsystem falsch reagiert.

Viel Protein kann ebenfalls Zonulin fördern!

Gerne verschwiegen wird von den Getreidegegnern, dass die Produktion von Zonulin, welches die Darmwand durchlässig macht, nicht nur durch Getreide angekurbelt wird. Auch eine proteinreiche Ernährung kann dazu führen, dass vermehrt Zonulin gebildet wird. Durch das Überangebot können unverdaute Proteine in den Dickdarm gelangen, wo sie von Bakterien abgebaut werden. Diese eiweißabbauenden Bakterien (z.B. Clostridien) vermehren sich und bilden vermehrt Zonulin.

Auch eine schlichte Dysbiose (Verschiebung der Bakterienbesiedlung im Darm), verursacht z.B. von häufigen Medikamentengaben, kann dazu führen, dass vermehrt Zonulin gebildet wird.

Es muss also nicht unbedingt das Getreide sein, das Zonulin fördert …

Doppelt gemoppelt macht es wohlmöglich schlimmer!

Tatsächlich kann „low carb“ in Kombination mit „high protein“ den Effekt sogar verstärken. Pflanzliche Nahrungsmittel und vor allem Getreide enthalten Ballaststoffe. Ballaststoffe wiederum sind sehr wichtig für eine gesunde Darmschleimhaut und ein funktionierendes Immunsystem. Sie unterstützen u. a. die Produktion des Schleims (Muzin), der für eine dicke und dichte Darmschleimhaut benötigt wird und bilden Nahrung für Bakterien, die entzündungshemmende Substanzen produzieren.

Es kann also sein, dass man durch überschüssige oder auch zu viele schwer verdauliche Proteine einerseits die Bildung der Zonuline anregt, andererseits mangels Ballaststoffen die Darmbarriere schwächt und zudem das Immunsystem zur Bildung von Entzündungen „anfeuert“.

Das Problem ist nicht das Getreide, sondern der Organismus!

Reagiert der Organismus empfindlich auf Getreide, ist also i. d. R. nicht das Getreide schuld, sondern der Organismus. Ursachen dafür können sein:

  • häufige Medikamentengaben durch die der Organismus sein Gleichgewicht verloren hat
  • Ernährungsfehler wie die mangelhafte Versorgung mit Ballaststoffen und eine Überversorgung oder falsche Versorgung mit Proteinen
  • wichtige Stoffe, die fehlen in der Ernährung wie z.B. natürliche Nährstoffe mit ihren Begleitstoffen wie sekundären Pflanzenstoffe
  • an letzter Stelle eventuell die Gene

Warum können Zonuline überhaupt die Darmwand durchlässig machen?

Auch diese Frage muss man sich einmal stellen! Wenn es so unnütz oder sogar schädlich ist, wieso kann der Organismus überhaupt Zonuline produzieren und mit deren Hilfe die Darmwand durchlässig machen? Wären diese Vorgänge grundsätzlich schlecht oder überflüssig, hätte der Organismus diese Vorgänge nicht im Zuge der Evolution irgendwann eingestellt?

Bei schwangeren Frauen ist es sogar normal, dass in einem gewissen Stadium die Darmwand durchlässig wird. Es muss also durchaus ein Sinn dahinter stecken, den man bisher wohl nicht identifiziert hat. Zumindest kann Zonulin mittlerweile als ein Biomarker zur Erkennung von Erkrankungen eingesetzt werden, das ist ja schon mal etwas …

Also ist Getreide im Napf ok?

Vollwertiges Getreide kann ein wichtiger Nahrungsbestandteil sein, auch für Hunde. Es liefert Energie, Ballaststoffe und viele weitere gute Nährstoffe. Lass dir nicht erzählen, Getreide wäre grundsätzlich böse und mache den Hund krank und fett. Wichtig ist vor allem eine abwechslungsreiche und ausgewogene Ernährung.

Natürlich spielt auch die individuelle Verträglichkeit eine Rolle. Sollte dein Hund kein Getreide vertragen, solltest du aber unbedingt die Frage stellen, was für ein Problem sein Organismus WIRKLICH hat.

Schon Hippokrates, der 460-370 v. Chr. lebte und als „Vater der Medizin“ gilt, wusste: „Der gesunde Darm ist die Wurzel aller Gesundheit!“. Wie recht er hatte, stellt sich erst jetzt wirklich heraus, da die Wissenschaft gerade in den letzten Jahren viele wichtige Erkenntnisse rund um die Darmgesundheit gewonnen hat. Dazu zählt z.B. auch, wie wichtig Ballaststoffe (z. B. aus Vollkorngetreide) für einen gesunden Darm sind.


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