Gestatten, Walter – Seite 9 – Teil 1 – Sonntagabend, Walter

Täglich wird hier eine Seite einer Geschichte veröffentlicht – sie trägt den Arbeitstitel Gestatten, Walter und untersteht dem alleinigen Copyright von Pascal Wiederkehr. Die Geschichte stammt aus einem Manuskript, welches nur grob überarbeitet wurde, und kann deshalb Fehler in Grammatik und Rechtschreibung aufweisen.

Gespannt sah er dem Nachrichtensprecher mit seiner interessant zusammengestellten Garderobe zu. Knallrote Krawatte, weisses Hemd, schwarzes Sakko sind zumindest sehr kontrastreich. Dieser leitete gerade mit ernster Miene den nächsten Bericht ein, bei dem die Regie im Hintergrund das Bild eines hohen Glaswolkenkratzers zeigte. Darüber stand in weissen Lettern: „Mord erschüttert Finanzwelt.“ Dreimal zwinkerte der Nachrichtensprecher noch in die Kamera, schluckte leer und sagte mit monotoner Stimme: „Heute Mittag wurde im dritten Stock des Memorial Blackwater Tower eine Frau tot aufgefunden. Nach den ersten Untersuchungen der Polizei soll es sich dabei um die Geschäftsführerin Britta Hauser von FDC Incorporated handeln. FDC, das Ergebnis aus der Fusion der Ulrich Privat Bank und der Gaius Stier Gruppe, konnte in den letzten Jahren erfolgreiche Geschäftszahlen vorweisen, geriet jedoch 2009 im Zuge der Finanzkrise in eine Negativspirale. Analysten munkelten unlängst, dass Britta Hauser kaum noch lange in der Geschäftsführung verblieben wäre. Grund zur dieser Annahme waren Aussagen des Hauptaktionärs Doktor Hannes Ulrich gegenüber Financial Times Deutschland. Für Morgen ist eine Pressekonferenz anberaumt worden. Die Polizei will dann genauer über den Fall berichten und Fragen der Presse beantworten.“ Drei leere Schlucker entspannten den Nachrichtensprecher sichtlich. Nach einer kleinen Pause sprach er weiter. „Unsere Reporterin Lea Berger konnte mit dem Assistenten von Britta Hauser sprechen. Sie hat die wichtigsten Informationen für Sie zusammengefasst.“ „Lea, was konnte den der Assistent von Frau Hauser berichten?“ „Nun Steve, zum Mordfall konnte er nichts sagen – er war total erschüttert. Britta Hauser galt als sehr nette und gerechte Vorgesetzte. Zu ihrem Privatleben wusste er nicht viel. Sie erzählte manchmal von Urlaubsreisen nach Italien, einen Lebenspartner hatte sie seines Wissens nicht. Interessant war jedoch die Aussage, dass Britta Hauser jeden Tag direkt zu ihrem Arbeitsplatz im vierzigsten Stock gefahren ist – ausser eben heute. Der dritte Stock steht leer, die FDC hat nur den vierzigsten Stock gemietet. Diese Aussage lässt natürlich viel Raum für Spekulationen, genaueres werden wir hoffentlich nach der morgigen Pressekonferenz der Polizei wissen.“ „Ich danke dir für deinen Bericht“, sagte der Nachrichtensprecher, zeigte seine strahlenden weissen Zähne. „Wie mir die Regie gerade mitteilt können wir nun auch noch ein kurzes Telefoninterview mit dem Hauptaktionär Doktor Hannes Ulrich führen.“ Ein altes Archivbild mit einem griesgrämigen Doktor Hannes Ulrich wurde eingeblendet, aus den guten alten Zeiten mit vollen Haaren und Schnurrbart. Die Qualität der Telefonverbindung liess zu Wünschen übrig, es rauschte und knackte leicht, die Lautstärke des Hauptaktionärs stand im totalen Gegensatz mit der plärrenden Stimme des Nachrichtensprechers. „Ich bin natürlich total erschüttert. Ein grosser Verlust für FDC, ein ganz grosser Verlust. Grossartige Frau. Grossartig“, flüsterte Ulrich mit sehr gefasster Stimme. „Wann haben Sie vom Ableben der Britta Hauser erfahren?“ Ein kurzes verhaltenes Päuschen folgte der Frage, wahrscheinlich hatte er keinen Schimmer mehr wann es war oder wo er gewesen war. Nun es lag ja auch schon einige Stunden zurück. „Etwa zwei Stunden nachdem Sie gefunden wurde, hat mich der Pressechef kontaktiert. Es war schwierig mich zu erreichen weil ich mich gerade am Golf von Mexiko befinde und Libellen vom Öl reinwasche.“ „Vielen Dank das Sie Zeit für uns hatten“, bedankte sich Nachrichtensprecher Steve abrupt, die Regie schien ihm neue Anweisungen ins Ohr zu flüstern. Danach wurde das wahnsinnig ergiebige Interview mit einem hastig zusammengeschusterten Bericht über Doktor Hannes Ulrich vervollständigt. Zur Musik von Enya zeigte das Staatsfernsehen Bilder eines jungen griesgrämigen Doktor Hannes Ulrich mit vielen wirr vom Kopf abstehenden blonden Haaren. Darauf folgten Ulrich rauchend, mit Umberto Ecos „Der Name der Rose“ in den Händen an einen Baum gelehnt und der Finanzguru mit wenig Haaren, dem ewiggleichen Blick bei der Fusion von Ulrich Privat Bank und der Gaius Stier Gruppe. Damit endete der Lobesgesang für den Libellenpflegenden Eckpfeiler der Finanzwirtschaft und Steve gab das Wort an die Sportredaktion weiter.

Copyright Pascal Wiederkehr



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