Täglich wird hier eine Seite einer Geschichte veröffentlicht – sie trägt den Arbeitstitel Gestatten, Walter und untersteht dem alleinigen Copyright von Pascal Wiederkehr. Die Geschichte stammt aus einem Manuskript, welches nur grob überarbeitet wurde, und kann deshalb Fehler in Grammatik und Rechtschreibung aufweisen.
Teil 1
Sonntagabend, Walter
Zürich
Sind Sie bereit? Bin ich bereit? Nein bin ich nicht, ich habe Hunger und Durst und es ist arschkalt hier in dieser Umgebung. Der Boden hat keinen Teppich, die Decke keine Lampen, die Wände haben keine Bilder und ausserdem heizt hier auch niemand, deshalb ist es wohl auch so kalt. Ich friere mir die Extremitäten ab. Hier wohnt ganz bestimmt keiner, wer würde denn freiwillig den Schlaf in einem weichen Bett gegen das hier tauschen, nur um dem eigenen Büro näher zu sein? Ein Perversling wahrscheinlich, ein homosexueller, pädophiler, nekrophiler Kellerasseln Liebhaber oder mein aktuelles Opfer. Ich hasse es schon jetzt. Ganz schlimm, dann fällt es am Ende auch viel leichter. Ich bin der Tod und du bist meiner Liste, ich bin der Diener der Unterwelt. Nur die Kälte kann mich hier noch davon abhalten meine Aufgabe zu erledigen, das ehrlich verdiente Geld abzugreifen, meinen Lebensabend als fröhlicher Auftragsmörder im Ruhestand zu verbringen. Dummer Hund, dummer Trottel, wer reist hier hin und hat keine warmen Klamotten dabei? Wie ich habe ich das verdient? Anzufrieren und elendig in einem Büroturm zu sterben. Glock ist geladen, jetzt schraub ich noch kurz den Schalldämpfer auf. Küsschen meine Kanone, du bist der Schatz der mir das Leben erhellt. Sind das Schritte die ich höre? Genau, das Opfer schreitet glücklich von der morgendlichen Katzenwäsche zum Treppenhaus, damit sie wieder einen weiteren zwölf Stundentag an ihrem Schreibtisch verbringen, viele elektronische Nachrichten lesen und auf das erste Burnout zuarbeiten kann. Doch heute rette ich sie von der Boshaftigkeit des Arbeitsalltags. Leise schleiche ich mich an und ziehe ihr den Griff der Pistole über den Kopf. Das wird sie für eine Weile mit schmerzverzerrtem Gesicht auf dem Boden liegen lassen. Ach ich liebe Gewalt. Und ich liebe meine Knarre. „Ahhh, scheisse“, schreit sie jämmerlich und sackt schmerzhaft auf die Knie. Ihre Kniescheiben knallen auf den steinharten Betonboden. Jetzt wünscht sie sich einen Spannteppich. „Sie werden heute das Zeitliche segnen, meine Liebe. Schliessen Sie doch bitte die Augen und lassen Ihr Leben Revue passieren“, sage ich mit fester, ruhiger Stimme. „Nein lassen Sie mich leben. Bitte, ich habe nichts getan“, flüstert sie weinend und versucht gar nicht erst aufzustehen. Langsam drehe ich mit dem Lauf der Glock Kreise auf dem Hinterkopf des Opfers, zögere damit die schrecklichen, letzten Sekunden noch ein wenig heraus. Dann beende ich das unwürdige Spiel und drücke ab. Der Schuss ist nur sehr schwach hörbar, wobei die Wirkung von handelsüblichen Schalldämpfern in Filmen stark übertrieben wird. So leise ist der Schuss nicht. Die Kugel tritt in den Hinterkopf ein und das Opfer kippt leblos nach vorne, Blut tritt aus der Wunde, findet die Lücken in den kurzen Haaren, fliesst auf den Betonboden. Wäre er mit einem Teppich belegt gewesen, dann hätte dieser das Blut aufsaugen können, doch so bildet sich nur eine hässliche Lache. Ich finde das nicht schön.
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