Gesellschafts-Satire: Gesprächsalarm im Kinderkanal?

Gesprächsalarm im Kinderkanal Dem Gegner ein Podium geben, mit ihm reden, seine Argumente anhören, die eigenen von ihm wiegen lassen - schon in den guten alten Zeiten des Kalten Krieges war das auf beiden Seiten des eisernen Vorhangs ein Straftatbestand. Wer Recht hat, muss nicht diskutieren, schon gar nicht mit jemandem, der nicht Recht hat. Und schon gar nicht muss er das öffentlich tun, vor aller Augen und Ohren. Denn immerhin besteht doch stets die Gefahr, dass einige wenige, irregeleitete, nicht standhaft genug erzogene Gefolgsleute der einzig wahren Wahrheit von dieser oder jener Seite auf die andere hinüberwechseln.
Ein Vierteljahrhundert nur hat es gedauert. Nun ist es wieder soweit. Binnen einer Woche hat die freie Presse im Land gleich zweimal Gesprächsalarm geschlagen: Ein Salafist bei Maischberger beschwor die Gefahr herauf, dass eine junge Generation, die nicht von tausend Schlachten gegen rote Ideologen gestählt ist, zuschaut und morgens mit dem Gesicht gen Mekka erwacht. Und nicht ganz einen Woche später surft dieselbe freie Presse auf derselben Empörungswelle, weil nun der ausgemachte Volksfeind Thilo Sarrazin mit einem neuen Buch bei Günther Jauch gastiert.
Draußen vor der Tür stehen die Demokraten und mahnen friedlich "Sarrazin, halts Maul, sonst stopfen wir es dir". Drinnen sitzt der Auflagenmillionär dem SPDKanzlerkandidatenkandidaten Peer Steinbrück gegenüber und doziert gewohnt trocken über Aushandelsbilanzen, historische Schuld und falsche Weichenstellungen zum gemeinsamen Europa. Sarrazin liefert Bildungsfernsehen im besten Sinne, Steinbrück assistiert ihm in der Rolle des Herzenseuropäers, der nicht widerspricht, sondern dieselben Fakten nur anders gewichtet.
Eine Sternstunde öffentlich-rechtlichen Rundfunks, auch weil Thilo Sarrazin einmal sagt, ja, er sei an falschen Entscheidungen beteiligt gewesen, habe zwar dagegen argumentiert, dann aber gehorcht. Auch Steinbrück hat seinen Bekennermoment: Freilich sei es falsch gewesen, Griechenland nicht schon vor zwei Jahren in die Pleite gehen zu lassen, sagt er. Das ist genau das Gegenteil dessen, was er seinerzeit im selben Brustton der Überzeugung verkündet hatte.
Warum also hätte diese Sendung nie sein sollen, wenn es nach Politikern wie Renate Künast, Wolfgang Schäuble und Patrick Döring  gegangen wäre? Warum hält es der "Stern" wie einst das "Neue Deutschland" für gefährlich, dem Gegner ein Podium zu bieten?
Die Antwort liegt irgendwo zwischen Guido Knopps Geschichtslektionen und dem kürzlich ausgestrahlten Margot-Honecker-Interview, das weniger Interview war als Kinderfernsehen für Erwachsene. Kaum hatte die ehemalige DDR-Politikerin einen Satz gesprochen, tauchten aus der Kulisse schon Zeitzeugen aller Art auf, um richtigzustellen, zu widersprechen und dem Publikum klarzumachen, dass man der verbiesterten Hexe keinesfalls glauben dürfe.
Wer noch bei Verstand ist, hätte das ohnehin nicht getan. Doch das Staatsfernsehen traut der Vernunft seiner Zuschauer so wenig über den Weg wie Politiker und Zeitungsschreiber. Statt Information muss deshalb Propaganda her, statt dem Publikum die Möglichkeit zu eröffnen, sich ein eigenes Urteil zu bilden, liefert der der Medienchor unter Anleitung der Nachrichtenagentur dpa die gültige Deutung immer gleich mit.
Den Menschen gefällt das, wie die heftigen Reaktionen zeigen, die zu beobachten sind, sobald Fernsehen sich die Verständnisvorsorge spart, sobald Zeitungen dorthin schreiben, wo es um die Wurst geht. Ein Klima, in dem jede offen geäußerte Abweichung vom Meinungsmainstream das gesellschaftliche Aus bedeuten kann, ist der Tunnelblick auf die Wirklichkeit nicht nur das, was das Volk von "Spiegel", "Stern", "SZ" und "taz" bekommt, sondern auch das, wonach es dem Volk am heftigsten verlangt. Die Welt ist kompliziert genug, es reicht, wenn man eine Wahrheit verdauen muss. Ob die die richtige ist, spielt keine Rolle.


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