Geschichte ist auch Frauengeschichte – ein Blick auf Juliana zu Stolberg

Leben und Wirken von Frauen in der Geschichte gehören zu unserem kulturellen Erbe“, stellt der Landesfrauenrat Niedersachsen e.V. fest. Warum aber wissen wir so wenig darüber? Ein Grund ist sicherlich, dass eine lang und weit verbreitete Meinung war, dass Frauen für Haushalt und Kinder zuständig sind und sich daher nicht frei entfalten durften.

Doch „durch die ganze Geschichte hindurch haben Frauen die Grenzen des ihnen zugedachten Bereichs immer wieder durchbrochen; sie haben getan, was sie für richtig hielten und wozu sie begabt waren: Sie regierten und kämpften in Kriegen, waren Philosophinnen, Schriftstellerinnen, Komponistinnen oder Ärztinnen und bewiesen ihre Fähigkeiten, wenn sich ihnen die Gelegenheit dazu bot. Es hat mehr bedeutende Frauen gegeben, als man denkt, nur fehlt es oft an Informationen über sie. Und das liegt daran, dass die Menschen es als nicht richtig empfanden, wenn Frauen außergewöhnliche Dinge taten. Es widersprach ihrer Vorstellung von der Ordnung der Welt: Für das Außergewöhnliche waren die Männer zuständig, für den Haushalt die Frauen[1].

Erst Ende der 1970er Jahre wurde der „Geschichtslosigkeit der Frau“ ein Ende gesetzt: Gegen heftigen Widerstand traditioneller Historiker wurde die historische Frauenforschung nach und nach an den deutschen Hochschulen vorangetrieben und geschichtliche Lücken so gut es geht gefüllt – ein Prozess, der noch lange kein Ende hat.

Auch in unserem Landkreis gibt es vielfältige Initiativen zur Sichtbarmachung regionaler Frauengeschichte, etwa im „FrauenOrt“ Bad Gandersheim, durch eine Veranstaltungsreihe der KZ-Gedenkstätte Moringen zu Frauen im Widerstand gegen den Nationalsozialismus oder als Stück „Die Zwickmühle“ im Theater der Nacht in Northeim.

Da am 26. April 2020 jedoch auch Welttag der Partnerstädte ist, wollen wir an dieser Stelle einmal einen Blick auf unsere Partnerstadt Stolberg wagen: Von hier stammt Gräfin Juliana zu Stolberg, Stammmutter der älteren und jüngeren Linie des Hauses Oranien und direkte Vorfahrin von Willem-Alexander, König der Niederlande und Prinz von Oranien-Nassau.

Juliana wurde am 15. Februar 1506 auf Schloss Stolberg geboren und wuchs dort und in Wernigerode auf. 1523 heiratete sie Graf Philipp II. von Hanau-Münzenberg. Als ihr Ehemann dann bereits mit 27 Jahren verstarb, übernahm sie (gemeinsam mit ihrem späteren 2. Ehemann) für den erst dreijährigen ältesten Sohn Philipp III. die Regentschaft und führte als Landesherrin die Reformation in Hanau ein. 1531 heiratete Juliana den Grafen Wilhelm von Nassau-Dillenburg. Über das älteste der gemeinsamen Kinder, Wilhelm den Schweiger, sollte Juliana schließlich entscheidenden Einfluss auf die europäische Politik nehmen. Dieser wurde nämlich, nachdem er zunächst in den damals spanisch beherrschten Niederlanden zum Statthalter eingesetzt worden war, zum wichtigsten Führer der niederländischen Unabhängigkeitsbewegung und später erster Generalstatthalter (also gewählter Regent) der Republik der Vereinigten Niederlande. Sein Erfolg im Kampf um die niederländische Unabhängigkeit wäre unmöglich gewesen ohne die moralische wie finanzielle Unterstützung, die seine Mutter ihm und seinen Verbündeten zukommen ließ. In den Niederlanden wird er bis heute als „Vater des Vaterlands“ verehrt.

Geschichte ist auch Frauengeschichte – ein Blick auf Juliana zu Stolberg

Auch seine Brüder schlossen sich dem Kampf an. Insbesondere Johann VI. Graf von Nassau-Dillenburg, Begründer der jüngeren Linie des Hauses Oranien, der als einziger von Julianas Söhnen den achtzigjährigen Krieg überlebte. Er regierte ab 1559 die nassau-dillenburgischen Stammlande und wurde als der „beste Regent, den Nassau jemals besessen“, bezeichnet.

In den Jahren ihres Lebens und durch ein kluges System von Heiratsbündnissen konnte Juliana ihre Nachkommen in nahezu jedem europäischen Herrscherhaus unterbringen, sodass ein nicht unerheblicher Teil des heutigen europäischen Adels direkt oder indirekt mit ihr verwandt ist. Juliana pflegte Zeit ihres Lebens eine umfangreiche Korrespondenz mit ihren Familienmitgliedern. Sie starb am 18. Juni 1580 auf Schloss Dillenburg und wurde in der evangelischen Stadtkirche beigesetzt.

In den Niederlanden wird sie als Stammmutter des Königshauses verehrt. Straßen, Plätze und Schulen sind nach ihr benannt und auch Königin Juliana, die von 1948 bis 1980 regierte. In Den Haag erinnert ein Denkmal an ihren Anteil am Befreiungskampf der Niederlande; daran, dass sie ihre Söhne verlor und fast alles Hab und Gut der Sache der Niederländer opferte.

Hanna Bludau, ehrenamtliche Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Hardegsen

Artikel erstmals veröffentlicht im Hardegser Stadtgeflüster 04/2020


[1] Kerstin Lücker, Ute Daenschel: Weltgeschichte für junge Leserinnen, Schriftenreihe der Bundeszentrale für politische Bildung, 2008, S. 2f


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