George
Alex Gino
Übers.: Alexandra Ernst
Fischer, 2016
978-3737340328
14,99 €
Sei, wer du bist!
George ist zehn Jahre alt, geht in die vierte Klasse, liebt die Farbe Rosa und liest heimlich Mädchenzeitschriften, die sie vor ihrer Mutter und ihrem großen Bruder versteckt. Jeder denkt, dass George ein Junge ist. Fast verzweifelt sie daran. Denn sie ist ein Mädchen! Bisher hat sie sich noch nicht getraut, mit jemandem darüber zu sprechen. Noch nicht einmal ihre beste Freundin Kelly weiß davon. Aber dann wird in der Schule ein Theaterstück aufgeführt. Und George will die weibliche Hauptrolle spielen, um allen zu zeigen, wer sie ist. Als George und Kelly zusammen für die Aufführung proben, erzählt George Kelly ihr größtes Geheimnis. Kelly macht George Mut, zu sich selbst zu stehen.
Seit vier Tagen versuche ich diese Rezension zu schreiben. Ich will dem Buch nichts Schlechtes, ich will den Lesern nichts Schlechtes, die das Buch mochten. Tatsächlich ist es ein schwieriges Thema, das viel zu wenig besprochen wird. Als Kinder- bzw. Jugendbuch wollte ich es mir, trotz Deklaration, nicht vorstellen.
Woran man sich gewöhnen muss, ist die Perspektive, die Alex Gino wirklich außergewöhnlich gewählt hat. Zwar ist George ein Junge und seine Umwelt sieht ihn auch als Jungen, er selbst denkt, fühlt und betitelt sich als „Sie“. Dieser Kniff ist am Anfang für mich sehr verwirrend gewesen. Zwar wusste ich, was mich im Buch erwarten würde, aber erst einmal dachte ich, dass ich doch ein Buch über ein „ganz normales“ Mädchen lese und fragte mich, wo die Transgender-Thematik verborgen wäre. Aber ich wollte mich überraschen lassen, wollte keine Klappentexte lesen, wollte ungezwungen an dies Thema herangehen.
Nach der Verwirrung war es einfach für George und mich. Schnell hatte ich ihn in mein Herz geschlossen. All die verschlossenen Türen, all die Wut auf jemanden, der ihn als Junge sieht. Ihre Gefühle waren groß und offen, nachvollziehbar auch für ein junges Leserpublikum. Die beste Freundin Kelly ist all das, was George sein möchte. Die Freundschaft ist groß und weit – eine Stütze, die er braucht und die er nutzt. Spät erklärt er Kelly, was ihn besonders macht. Immer wieder hat er Angst vor seiner Mutter, seinem Bruder und seinem Umfeld. Viele predigen Aufgeschlossenheit, aber immer wenn sie sich einen Schritt nach vorne wagt, erkennt sie, dass es noch ein weiter Weg ist.
Die Rezension zu schreiben, ist schwierig, weil ich ihr gerecht werden will. Dem kleinen Mädchen, das in einem falschen Körper geboren ist. Ich will niemandem auf die Füße treten, niemanden verletzen und nichts falsch machen. Während des Buches fragt man sich immer wieder, wie man selbst reagieren würde. Wir können alle sagen: Das würde ich nicht machen. Ich wäre offen und würde keine dummen Bemerkungen machen oder ähnliches. Aber meist ist es nicht so. Wir haben Vorurteile und mit denen versucht Alex Gino aufzuräumen. Er versucht zu zeigen, dass sie kämpft um sie selbst zu sein. Täuschung kann ein Leben zerstören, wir wollen doch alle nur wir selbst sein.
Ich bin erwachsen und habe das Buch verstanden. Die großen Gefühle, die vielen Worte, den Umgang und die Probleme. Ich frage mich aber, ob jüngere, die nicht sind wie George, das Ausmaß verstehen. Ob das Buch dann tatsächlich aufrütteln kann. Meist sind es Kinder, die Dinge einfach als gegeben hinnehmen. Die noch jung, die Hand ausstrecken und Dinge nicht so ernst nehmen, wie wir Erwachsenen. „George“ ist ein wichtiges Buch, aber in der Zielgruppe wird es viele Fragezeichen hervorrufen und das nicht nur, weil manchmal unklare Wörter benutzt werden. Trotz der simplen Sprache wird es erst eine große Verwirrung geben und wenn die sich gelegt hat, weiß ich nicht, ob es dann noch ein Kinderbuch ist.
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