Gelungene Desinformationsstrategie: Die Eurobonds-Debatte Mitte August 2011 als Agendasetzung der Bundesregierung gegen die Warnung der Deutschen Bundesbank vor den Haftungsrisiken aus dem Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM)

"Deutschland wird zum Zahlmeister Europas" titelte die Webseite der WELT am 13.08.2011 und berichtete, dass die Bundesregierung nunmehr die Einführung von Eurobonds erwäge:
"Die Bundesregierung zieht im Kampf gegen die Euro-Krise weitergehende Maßnahmen in Betracht als bisher bekannt. Nach Informationen der „Welt am Sonntag“ denkt sie über eine viel engere finanz- und wirtschaftspolitische Zusammenarbeit in der Euro-Zone nach. Regierungsmitglieder würden sogar so weit gehen, für die Rettung der Gemeinschaftswährung bislang selbstauferlegte Grenzen zu überschreiten. Das zeigte sich in dieser Woche in Gesprächen, die die „Welt am Sonntag“ führte. „Die Bewahrung der Euro-Zone mit all ihren Mitgliedern hat für uns absoluten Vorrang“, hieß es."
Mit dieser Meldung (die am Sonntag, 14.08.11, wohl auch in der Printausgabe der Welt am Sonntag - WamS - erschien) wurde eine breite Debatte losgetreten. So erschien am 14.08.11 z. B. bei FAZ.net ein Artikel "Transferunion. Regierung schließt Eurobonds offenbar nicht mehr aus". Am Dienstag, 16.08.11, fand das Treffen mit Nicolas Sarkozy statt, bei dem das Thema Eurobonds angeblich nicht erörtert wurde. Die Regierung - Angela Merkle, Wolfgang Schäuble, schlossen Eurobonds aus; die Medien spitzten aber vor allem darauf, dass sie das 'nicht für alle Zeiten' tun wollten.
Also tobte in Deutschland die heftige Debatte pro und kontra Eurobonds weiter. So meldete z. B. die Augsburger Allgemeine am 20.08.2011 "Rösler: Eurobonds wird es nicht geben": "Keine Eurobonds mit der Bundesregierung. Dies stellte FDP-Chef und Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler klar."
Im Handelsblatt "wetterte" am 22.08.11 Prof. Dr. Hans Werner Sinn in einem Gastbeitrag gegen "die süße Droge Eurobonds" und und und ... .
Merkwürdig an dem ganzen Diskurs war, dass Wolfgang Schäuble und Angela Merkel jedenfalls für mich recht glaubwürdig dargelegt hatten, dass und aus welchen Gründen sie Eurobonds (auf absehbare Zeit) ablehnten. Wer sonst, wenn nicht eine/r von diesen beiden Bossen, hätte aber der WELT die Information geben oder den Eindruck vermitteln können, dass die Bundesregierung der Einführung von Eurobonds nicht (mehr) ablehnend gegenüberstehe?
Nun könnte man zwar denken, dass das ein Versuchsballon war und dass Schäuble und Merkel nur angesichts der massiven öffentlichen Kritik eingelenkt haben. Dem steht aber entgegen, dass die Eurobonds aus Rechtsgründen (Änderung der EU-Verträge) ohnehin nicht kurzfristig eingeführt werden können; mindestens 2 Jahre wurden als Vorlaufzeit genannt.
Die Regierung kann also gar nicht die Absicht gehabt haben, Eurobonds einzuführen, denn die aktuellen Probleme, etwa Griechenlands, lassen sich rein zeitlich so nicht lösen.
Es spricht daher alles dafür, dass es sich bei der WELT-Meldung nicht um einen Testballon handelte, sondern um eine Desinformationsstrategie des "Agenda-Setting". Dieser amerikanische Begriff wird in der Wikipedia wie folgt definiert:
"Agenda Setting (engl.) bzw. Agendasetzung bezeichnet das Setzen konkreter Themenschwerpunkte." Weiter lesen wir dort (meine Hervorhebung):
"Die theoretische Grundlage der Theorie des Agenda Setting bildet die These von Bernard C. Cohen (1963), die Medien hätten zwar keinen großen Einfluss auf das, was das Publikum zu einzelnen Themen denkt, aber einen erheblichen Einfluss darauf, worüber es sich überhaupt Gedanken macht."
Wie aus den o. g. Rahmenbedingungen erkennbar wird kann es also gar nicht darum gegangen sein, Eurobonds einzuführen, oder das Publikum darauf vorzubereiten. Es ging auch gar nicht darum, etwa den Widerstand gegen Eurobonds abzubauen. Vielmehr verfolgte die Regierung einzig und allein das Ziel, dass die Öffentlichkeit über Eurobonds diskutieren sollte, sie auch gerne ablehnen sollte.
Warum? Einige Kommentatoren haben das Treffen Merkel-Sarkozy mit dieser Kommunikationsstrategie in Zusammenhang gebracht: "Angela" könne dann vor die Öffentlichkeit treten und behaupten, sie habe ja das Schlimmste abgewendet, während man aber in Wirklichkeit doch irgendeine Sauerei ausgeheckt habe.
Nur: Das Ergebnis des Treffens war eher vage; es ist nicht erkennbar, dass Angela Merkel dort irgendwelche finanziellen Vereinbarungen getroffen hätte, die über die Solidarhaftung im Rahmen des Eurozonen-Rettungsschirms (Euro-Rettungsschirms), offiziell "Europäischer Stabilitätsmechanismus" (ESM) genannt, hinausgeht.
Es muss der Regierung also darum gegangen sein, eine andere, für sie noch weitaus unangenehmere Debatte zu überblenden, also sozusagen ein kommunikatives Gegenfeuer anzuzünden, wie das manchmal die Feuerwehr bei Waldbränden tut.
Welcher mediale Waldbrand loderte am 13.08.11? Für dieses Datum kann keinen akuten Brandherd erkennen. Jedoch trat am 22.08.2011 ein Medienereignis ein, das sich für die Regierung (und aus Sicht der Regierung) zu einem gefährlichen Brand hätte entwickeln können:
Die Bundesbank begehrte auf. Und zwar warnte sie in ihrem an diesem Tag veröffentlichten Monatsbericht nicht vor (fiktiven) Eurobonds, sondern vor den Risiken jener Haftung, welche die Bundesregierung im Rahmen des ESM übernommen hatte (und die Ende September 2011 vom Parlament gebilligt - oder besser: abgenickt - werden sollen). Die Medien haben die Bundesbank-Warnungen auch keineswegs unterschlagen (alle Artikel vom 22.08.11):
"Bundesbank warnt vor Transferunion" - Financial Times Deutschland.
"Euro-Schuldenkrise. Bundesbank warnt vor Marsch in die Transferunion" - Focus.
 "Schuldenkrise. Bundesbank kritisiert EU-Beschlüsse scharf" - FAZ (meine Hervorhebung): "Die Deutsche Bundesbank hat die Beschlüsse der Politik im Kampf gegen die europäische Staatsschuldenkrise ungewohnt scharf kritisiert. Mit den Entscheidungen vom Euro-Krisengipfel Ende Juli erfolge ein weiterer großer Schritt in Richtung gemeinschaftlicher Haftung und geringerer Disziplinierung durch die Kapitalmärkte, schreibt die Notenbank in ihrem am Montag in Frankfurt vorgelegten Monatsbericht. Im Gegenzug seien die Kontroll- und Einflussmöglichkeiten auf die nationalen Finanzpolitiken jedoch nicht spürbar verstärkt worden. ..... Zudem kritisierte die Bundesbank, dass die Griechenlandhilfen aufgestockt und die Sparvorgaben verlängert wurden, ohne dass die ursprünglich vereinbarten Sparmaßnahmen überhaupt ohne Abstriche umgesetzt wurden: „Um die Glaubwürdigkeit (...) zu erhalten, wäre auf Zielverfehlungen mit Nachbesserungen seitens des Programmlandes und nicht mit einer Aufweichung der Anforderungen des Hilfsprogramms zu reagieren“."
 Das Handelsblatt übernahm diese dpa-Meldung ebenfalls und unter dem gleichen Titel.
Auch in der WELT erschien die Meldung; dort unter der Überschrift "Falsche Anreize. Bundesbank kritisiert EU-Beschlüsse für Pleiteländer".
Der brisante Teil des Berichts ist in dem Kapitel "Öffentliche Finanzen" enthalten, den man von der Seite "Monatsberichtsaufsätze" der BuBa separat herunterladen kann (die vollständigen Monatsberichte von dieser Webseite).
Die einschlägige Passage (S. 66 - 69 des Gesamtberichts, vorliegend von mir manuell aus dem pdf-Format umgewandelt und daher ohne Absätze und Anmerkungen und möglicher Weise mit kleinen Fehlern behaftet; Hervorhebungen von mir) lautet:
"Zu den Beschlüssen der Staats- und Regierungschefs des Euro-Währungsgebiets und der EU-Organe vom 21. Juli 2011 Bei der Gründung der Währungsunion wurde als Grundprinzip vereinbart, die Finanzpolitik in nationaler Eigenverantwortung zu belassen. Gleichzeitig wurde aber die Notwendigkeit gesehen, die gemeinsame Geldpolitik und andere Mitgliedstaaten gegen potenziell unsolide Finanzpolitiken einzelner Länder abzusichern. So wäre bei einer insgesamt zu expansiven Fiskalpolitik die Geldpolitik zu einem restriktiveren Kurs gezwungen, um Preisstabilität zu gewährleisten. Im Hinblick auf die Tragfähigkeit der Finanzpolitik steigt bei einer hohen staatlichen Verschuldung der Anreiz, Druck auf das Eurosystem zu einer lockeren Geldpolitik oder einer Monetisierung der Staatsschulden auszuüben, um durch niedrige Zinsen oder hohe Inflation die realen Lasten eines hohen Schuldenstandes zu verringern. Der Schutz der Geldpolitik sollte vor allem durch die disziplinierende Wirkung der Finanzmärkte und auf der europäischen Ebene verankerte fiskalische Regeln für die nationalen Finanzpolitiken erreicht werden. Um einen Anreiz zu solider Haushaltspolitik zu schaffen, wurde im Vertrag von Maastricht festgeschrieben, dass weder die Gemeinschaft noch die Mitgliedstaaten für die Schulden eines anderen Mitgliedstaates eintreten oder haften dürfen. Die Folgen einer unsoliden Finanzpolitik, beispielsweise in Form steigender Finanzierungskosten aufgrund von Risikoaufschlägen auf die zu zahlenden Zinsen, sollten vor allem auf den betreffenden Staat selbst konzentriert und nicht wie bei einer gemeinschaftlichen Haftung oder Transferunion auch auf die anderen Länder der Währungsunion verteilt werden. Darüber hinaus wurden im Vertrag selbst und in dem ergänzenden Stabilitäts- und Wachstumspakt Regeln für die nationalen Finanzpolitiken vereinbart und insbesondere Obergrenzen für die staatliche Defizit- und die staatliche Schuldenquote festgelegt. Dass sich die aktuelle Staatsschuldenkrise in einigen Ländern der Währungsunion trotz dieser Regelungen entwickeln konnte, ist auf eine Reihe von Gründen zurückzuführen, denen für die betroffenen Länder zum Teil ein recht unterschiedliches Gewicht zukommt. Eine zentrale Ursache liegt darin, dass die fiskalischen Regeln in vielen Fällen weder im Vorfeld der Finanzkrise noch im nachfolgenden schweren Wirtschaftseinbruch angemessen umgesetzt wurden. Bei Griechenland kam hinzu, dass die statistische Basis völlig unzulänglich war und die Lage der öffentlichen Finanzen über Jahre erheblich günstiger dargestellt wurde als sie tatsächlich war. Außerdem wurden die grundlegenden Strukturprobleme einiger Volkswirtschaften und deren potenzielle Wirkungen auf die Finanzmärkte und die öffentlichen Finanzen unterschätzt. Darüber hinaus war die Bewertung der Staatshaushalte durch die Finanzinvestoren sicherlich zu optimistisch, und die Gefahr steigender Zinsen hatte, nach einem Jahrzehnt mit nur sehr geringen Risikoaufschlägen auf Staatsanleihen von EWU-Ländern, offenbar an Abschreckungspotenzial verloren. Angesichts der Zuspitzung der Staatsschuldenkrise wurde zunächst Griechenland und dann – im Rahmen neu geschaffener Rettungsfonds auf EWU- und EU-Ebene – Irland und Portugal unter Beteiligung des IWF finanzielle Hilfen gewährt. Dabei wurden die Hilfskredite an finanz- und wirtschaftspolitische Auflagen geknüpft. Die Zinsen wurden zwar deutlich unter dem Marktniveau festgesetzt, aber immer noch mit einem spürbaren Aufschlag gegenüber den Finanzierungskosten für Staaten mit sehr guter Bonität versehen. Aus ökonomischer Sicht waren die zur kurzfristigen Stabilisierung geschaffenen Hilfsfonds und die an strikte finanz- und wirtschaftspolitische Auflagen gebundenen Programme angesichts der Risiken für die Stabilität der Europäischen Währungsunion alles in allem vertretbar, wenngleich schon hier die perspektivischen Anreize für solide Staatsfinanzen geschwächt wurden. Um dies zumindest teilweise zu kompensieren, wurden parallel Änderungen am Rahmenwerk der Währungsunion vorbereitet, die zukünftig Staatsschuldenkrisen besser vorbeugen sollten. Gleichwohl wurde der grundlegende Rahmen der Währungsunion nicht geändert. Vielmehr bleibt das Prinzip der Nicht-Haftung und die Eigenverantwortlichkeit der Mitgliedstaaten für ihre Finanzpolitik sowie das Haftungsprinzip der Investoren für ihre Anlageentscheidung konstitutiver Bestandteil der Währungsunion. Die Vorhaben umfassen im Hinblick auf die Prävention vor allem Modifizierungen des Stabilitäts- und Wachstumspakts, die Einführung eines Verfahrens bei makroökonomischen  Ungleichgewichten  und  den  „Euro-Plus-Pakt“. Die Stärkung der Prävention ist prinzipiell zu begrüßen, bleibt aber speziell beim Stabilitäts- und Wachstumspakt zu zaghaft. Zudem wurde die Errichtung eines Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) beschlossen, um auch im Anschluss an die Mitte 2013 auslaufende Europäische Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) Staatsschuldenkrisen – falls sie trotz der verbesserten Prävention eintreten – besser bewältigen zu können. Anfang Juli haben sich die Unsicherheiten an den Finanzmärkten erhöht, und unter anderem sind die Zinsen für die Staatsanleihen einiger größerer EWU-Staaten (u. a. Italiens und Spaniens gestiegen. Mit den Beschlüssen der Staats- und Regierungschefs des Euro-Währungsgebiets und der EU-Organe vom 21. Juli 2011 wurden vor diesem Hintergrund schon nach kurzer Zeit (und noch bevor der Ratifizierungsprozess in den beteiligten Länder angelaufen ist) an entscheidenden Stellen erneut Änderungen an den Reformvorhaben vorgenommen. Außerdem werden die Hilfen für Griechenland erheblich ausgeweitet, indem ein bis Ende 2014 laufendes weiteres Hilfsprogramm im Umfang von 109 Mrd € angekündigt wurde. Darüber hinaus wurde auch eine freiwillige Beteiligung des privaten Sektors an der Schließung der Finanzierungslücke Griechenlands in Aussicht gestellt. Weiterhin wurde die Laufzeit künftiger Hilfskredite der EFSF an Griechenland, Portugal und Irland auf 15 bis 30 Jahre verlängert und insbesondere auf Zinsaufschläge auf die Refinanzierungkosten der derzeitigen EFSF-Programmländer weitgehend verzichtet. Schließlich wurde beschlossen, den Instrumentenkasten der EFSF und des ESM deutlich auszuweiten, wobei die konkrete Ausgestaltung jeweils noch nicht bekannt ist. So sollen sie auf der Grundlage eines vorsorglichen Programms tätig werden können, Darlehen zur Rekapitalisierung von Finanzinstituten auch an Nicht-Programmländer vergeben dürfen und die Möglichkeit erhalten, an den Sekundärmärkten für Staatsanleihen zu intervenieren. Die zur rechtlichen Absicherung des ESM bereits zuvor vorgesehene Ergänzung des Artikel 136 AEU-Vertrag soll aber nicht geändert werden, sodass grundsätzlich der ESM nur aktiviert werden darf, um als Ultima Ratio eine unmittelbare Gefahr für die Stabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt abzuwehren und die Finanzhilfen strengen Auflagen unterliegen müssen. Mit den jüngsten Beschlüssen erfolgt ein weiterer großer Schritt in Richtung gemeinschaftlicher Haftung und geringerer Disziplinierung durch die Kapitalmärkte, ohne dass im Gegenzug die Kontroll- und Einflussmöglichkeiten auf die nationalen Finanzpolitiken spürbar verstärkt werden. Besonders gravierend ist, dass mit den neuen Kreditkonditionen der Anreiz für Länder mit einem Hilfsprogramm deutlich gesenkt wird, durch finanz- und wirtschaftspolitische Reformen möglichst schnell wieder solidere öffentliche Haushalte zu erreichen und an den Kapitalmarkt zurückzukehren. Sollten diese Konditionen auch für zukünftige Hilfsprogramme (oder gar den ESM) übernommen werden, würden diese Anreizprobleme perpetuiert und der Anreiz zur Inanspruchnahme eines Hilfsprogramms erhöht. Auch durch Sekundärmarktkäufe werden die Anreize für eine angemessene Finanzpolitik zusätzlich reduziert. Während Staaten mit unsolider Haushaltspolitik auf Hilfen rechnen können, werden Länder mit soliden Finanzen stärker zur Finanzierung herangezogen. Es stellt sich die Frage, wie beispielsweise ein verbesserter Sanktionsmechanismus im Stabilitäts- und Wachstumspakt unsolide nationale Finanzpolitiken verhindern soll, wenn bei fortgesetzter Regelmissachtung schließlich eine Abschirmung vom Kapitalmarkt zu sehr vorteilhaften Konditionen erfolgt, die sogar weitaus günstiger sind als diejenigen von einigen Hilfe leistenden Ländern. Sofern Anleihen von Ländern ohne Hilfsprogramme am Sekundärmarkt gekauft werden, ist unklar, wie eine strikte Bindung an Konsolidierungs- und Reformauflagen durchgesetzt werden kann und wie dies mit der Anforderung in Einklang zu bringen ist, dass Hilfen nur als letztes Mittel bei Gefahr für die Stabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt eingesetzt werden sollen. Diese Voraussetzungen müssen auch für etwaige präventive Programme gelten. In jedem Fall werden wichtige Grundprinzipien, wie Subsidiarität, finanzpolitische Eigenverantwortung und ein gegenseitiger Haftungsausschluss – und damit auch die disziplinierende Funktion der Kapitalmärkte – weiter deutlich geschwächt. Für Griechenland wurde ein zusätzliches Hilfsprogramm aufgelegt, das die Finanzierung des griechischen Staates während einer nunmehr deutlich ausgedehnteren Anpassungsphase absichern soll. In diesem Zusammenhang sollte es eine zentrale Voraussetzung bleiben, dass die ursprünglich vereinbarten finanz- und wirtschaftspolitischen Anpassungsmaßnahmen auch tatsächlich ohne Abstriche umgesetzt werden. Um die Glaubwürdigkeit der Konditionalität der Hilfen zu erhalten, wäre auf Zielverfehlungen mit Nachbesserungen seitens des Programmlandes und nicht mit einer Aufweichung der Anforderungen des Hilfsprogramms zu reagieren. Es muss weiterhin klar sein, dass die Hilfen nur im Gegenzug zur Programmumsetzung gewährt  werden  (Konditionalität).  Dies  bedeutet auch, dass die Zinseinsparungen durch die günstigeren Kreditkonditionen gegenüber dem ursprünglichen Plan zur zusätzlichen Defizitreduktion genutzt werden und nicht etwa zur Kompensation von Zielverfehlungen bei den übrigen Ausgaben oder den Einnahmen. Die für Griechenland in Aussicht gestellte Beteiligung privater Gläubiger ist freiwillig und im Ergebnis für sie nicht unvorteilhaft  (vgl.  hierzu  auch  die  Erläuterungen  auf S. 72 ff.). Zu begrüßen ist, dass sich die Staats- und Regierungschefs dazu verpflichtet haben, griechische Banken mit ausreichenden Sicherheiten für die Refinanzierung auszustatten und notfalls Mittel für deren Rekapitalisierung bereitzustellen [Anm. von mir: Wir finanzieren also die Werterhaltung für die Aktienbesitzer insolventer griechischer Banken!]. Die Stützung nicht mehr solventer Finanzinstitute ist – unter Beachtung des europäischen Wettbewerbsrechts – eindeutig eine fiskalische Aufgabe. Auch hier ist die Trennung von Geld- und Finanzpolitik gemäß den vertraglichen Vorgaben zu beachten. Die Geldpolitik hat keine Legitimation, solche Risiken oder Belastungen zwischen den Steuerzahlern verschiedener EWU-Staaten umzuverteilen. [Anm. von mir: Kritik an Anleihekäufen durch die EZB?!]  Insgesamt droht durch die Beschlüsse vom 21. Juli der ursprünglich vereinbarte institutionelle Rahmen der Währungsunion zunehmend an Konsistenz zu verlieren: Die Finanzpolitik wird weiter durch demokratisch legitimierte Parlamente auf nationaler Ebene festgelegt. Daraus resultierende Risiken und Belastungen werden aber in stärkerem Maße durch die Gemeinschaft und insbesondere die finanzstarken Länder aufgefangen, ohne dass dem wesentlich weitreichendere Eingriffsmöglichkeiten gegenüberstehen. Eine gemeinsame europäische Finanzpolitik oder eine politische Union mit demokratisch legitimierter Weisungsbefugnis einer zentralen Ebene gegenüber der nationalen Haushaltspolitik zeichnet sich auf der politischen Ebene gegenwärtig nicht ab. Damit besteht die Gefahr, dass die Verschuldungsneigung der EWU-Staaten eher noch zunimmt und die gemeinsame Geldpolitik verstärktem Druck zu einer lockeren Ausrichtung ausgesetzt wird. Wenn kein grundsätzlicher Regimewechsel mit weitgehender Aufgabe der nationalen fiskalischen Souveränität vollzogen werden soll, wird es entscheidend sein, den immer  noch  vertraglich  vorgeschriebenen  Haftungsausschluss  und  die  damit  zusammenhängende Disziplinierung der nationalen Finanzpolitiken über die Kapitalmärkte nicht vollständig zu entkernen, sondern im Gegenteil wieder zu kräftigen."
Wenn diese Worte in den Mittelpunkt der öffentlichen Debatte gerückt wären, hätte die Regierung sich zumindest jegliche Hoffnung auf eine Kanzlermehrheit bei der Parlamentsentscheidung abschminken können. Es musste also verhindert werden, dass der Öffentlichkeit, insbesondere aber der großen Masse der Koalitionsabgeordneten, die von der Bundesbank aufgezeigten Widersprüche und Gefahren des ESM bewusst werden.
Soweit ich das mitbekommen habe, ist das auch gelungen. Eine breitere öffentliche Debatte über den Monatsbericht der Deutschen Bundesbank hat es offenbar nicht gegeben; die Eurobond-Debatte hat das überlagert.
Und nicht nur sie: am 23.08.11, also genau einen Tag nach der Bundesbank-Kritik, sprach alle Welt nur noch über - Ursula von der Leyen. An diesem Tag titelte z. B. die FAZ: "Schuldenkrise.Von der Leyen will Goldpfand für Euro-Hilfen". Angela Merkel wies diesen Vorschlag sofort zurück. Die Medien sahen hier eine Dissonanz zwischen Merkel und von der Leyen, oder spekulierten gar darüber, ob sich Frau von der Leyen damit ins Gespräch bringen oder gar für höhere Aufgaben positionieren wollte: alles Quatsch! In Wahrheit hat es sich mit Sicherheit um ein abgekartetes Spiel gehandelt und beide werden sich ins Fäustchen gelacht haben, dass die Medien ihnen so auf den Leim gegangen sind.
Am nächsten Tag ging es weiter mit einem noch dickeren Hammer: der Lindauer Rede von Bundespräsident Christian Wulff, in welcher der Präsident die EZB mit erstaunlicher Direktheit kritisierte. Ob auch die ein Teil des medialen Ping-Pong-Spiels scheinbarer regierungsinterner Differenzen war oder nicht, wage ich nicht zu beurteilen. Ausschließen will ich es nicht, dass Christian Wulff sich auch hier, wie schon in der Causa Thilo Sarrazin, als Stimme seiner Herrin aufgespielt hat. Tatsächlich vertrat ein Parteienforscher: die Meinung: "Wulffs EZB-Kritik hilft Merkel eher". Es ist nicht so, dass ich den beiden ein solches Zusammenspiel nicht zutrauen würde. Andererseits kann aber die Rede Wulffs durchaus auch als scharfe Kritik an Merkel, und sogar als Bestätigung der BuBa-Meinung, gedeutet werden. Jedenfalls konnte die Regierung kaum mit hinreichender Sicherheit darauf vertrauen, dass diese Kugel nicht als Querschläger aus der öffentlichen Debatte auf sie zurückfliegen würde. Wegen dieses Risikoaspektes tendiere ich eher dazu, die Wulff-Rede nicht als Teil der regierungsamtlichen Desinformationskampagne zur Ablenkung von den drastischen Warnungen der Bundesbank zu bewerten. Außerdem war am 24.08.11 das Agendasetting ja bereits durch die Eurobond- und die Pfanddebatte erfolgreich durchgeführt, und dass die Medien noch einmal auf den schon zwei Tage "alten" BuBa-Bericht zurückkommen würden, war unwahrscheinlich.
ceterum censeoPOPULISTISCHES MANIFEST(für die Rettung von zwei Billionen Steuereuronen!):Ein Gespenst geht um in Deutschland - das Gespenst einer europäischen Transferunion und Haftungsunion.Im Herzland des alten Europa haben sich die Finanzinteressen mit sämtlichen Parteien des Bundestages zu einer unheiligen Hatz auf die Geldbörsen des Volkes verbündet: ·   Die Schwarzen Wendehälse (die unserem Bundesadler den Hals zum Pleitegeier wenden werden),·   Die Roten Schafsnasen (vertrauensvoll-gutgläubig, wie wir Proletarier halt sind), ·   Die Grünen Postmaterialisten (Entmaterialisierer unserer Steuergelder wie unserer Wirtschaftskraft),·   Die machtbesoffenen Blauen (gelb vor Feigheit und griechisch vor Klientelismus), und selbstverständlich auch·   Die Blutroten (welch letztere die Steuergroschen unserer Witwen, Waisen und Arbeiter gerne auflagenlos, also in noch größerer Menge, gen Süden senden möchten).Wo ist die Opposition im Volke, die nicht von unseren Regierenden wie von deren scheinoppositionellen Komplizen als Stammtischschwätzer verschrien worden wäre, wo die Oppositionspartei, welche sich der Verschleuderung der dem Volke abgepressten Tribute an die europäischen Verschwendungsbrüder wie an die unersättlichen Finanzmärkte widersetzt hätte?Zweierlei geht aus dieser Tatsache hervor:Das Volk wird von fast keinem einzigen Politiker als Macht anerkannt.Es ist hohe Zeit, dass wir, das Volk, unsere Anschauungsweise, den Zweck unserer Besteuerung und unsere Tendenzen gegen die fortgesetzte Ausplünderung durch das Finanzkapital bzw. durch die Bewohner anderer Länder und durch seine/deren politische Helfershelfer vor der ganzen Welt offen darlegen und dem Märchen von dem grenzenlosen Langmut der Deutschen den Zorn des Volkes selbst entgegenstellen.
Textstand vom 27.08.2011. Gesamtübersicht der Blog-Einträge (Blotts) auf meiner Webseite http://www.beltwild.de/drusenreich_eins.htm. Soweit die Blotts Bilder enthalten, können diese durch Anklicken vergrößert werden.

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