Jedes Jahr nach Ostern ist es dasselbe Spiel: Die Benzinpreise fallen, die Autofahrer staunen, die Medien zetern und kein Politiker fordert Konsequenzen, die denn auch immer wieder ausbleiben. Ostern ist auch eine Zeit der Rituale. Jedes Jahr freuen sich Autofahrer über sinkende Preise an der Zapfsäule, kaum das das Fest und die Reisezeit vorüber sind. Und jedes Jahr leistet ihnen Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) moralischen Beistand, indem er fordert, "dass den Konzernen da noch genauer auf die Finger geguckt wird". Angesichts drastisch sinkender Benzinpreise trotz Ärger über den Tankstellen-Schlamassel beim neuen Biosprit E10 ist die Freude in diesem Jahr noch größer als sonst. Bleibt die Frage: Gibt es auch mal Konsequenzen? Nachdem Autofahrer in der vergangenen Woche an der Tankstelle tiefer in die Tasche greifen mussten, wie der Automobilclub ADAC feststellte, kostete ein Liter Super vom Biosprit E10 im bundesweiten Schnitt trotz wieder gestiegenen Ölpreises nach Ostern plötzlich wieder viel weniger. Rätselhaft!
Wie der "Stern" herausgefunden hat, richtet sich der Benzinpreis "grundsätzlich nach der Entwicklung beim Rohstoff Öl, aber auch Angebot und Nachfrage spielen eine Rolle". Sinkende Preise nach Hauptreisezeiten wie Ostern oder den Sommerferien sind daher eigentlich keine Überraschung. Allerdings: Ein echter Markt mit jeder Menge Wettbewerb ist die Mineralölbranche nicht. Wenige Konzerne geben den Ton an, Experten sprechen von einem "Oligopol". Hinzu kommt, dass die Unternehmen häufig die gesamte Lieferkette von der Ölquelle über die Raffinerie bis zur Tankstelle kontrollieren - ihnen also niemand so einfach dazwischenfunken kann.
Das Bundeskartellamt untersucht daher seit Jahren, ob die Benzin-Multis die Preisentwicklung untereinander absprechen, damit alle davon profitieren - zum Schaden der Autofahrer. Auch der ehemalige Bundespräsident Horst Köhler hatte seinerzeit stark steigende Benzinpreise gefordert. Der Preis müsse tendenziell eher "höher als tendenziell niedriger sein" als derzeit, mahnte der Politiker im März 2010 bei einem Preis von 1,44 pro Liter.
Um das durchzusetzen, untersucht die Bundeskartellbehörde seit Jahren die vielen Mini-Preisbewegungen an Hunderten Zapfsäulen. Ergebnisse werden im Mai vorliegen. Zuvor schon aber macht Wirtschaftsminister Brüderle Nägel mit Köpfen. Er verwies direkt nach Ostern wieder auf die laufende Prüfung der Bonner Behörde, die die Rätsel der Preisbildung klären müsse. So habe der Benzinpreis vor einem Jahr bei einem Ölpreis, der rund 30 Dollar unter dem derzeitigen lag, und einem Euro, der mit 1,37 viel niedriger stand, 1,44 Euro pro Liter Super gekostet. Eine einfache Verhältnisgleichung aus Benzinpreis, Eurokurs und Ölpreis ergebe ein Jahr später, dass Benzin mindestens 25 Prozent zu günstig sei. Der Rohölpreis sei um 30 Prozent gestiegen, der Benzinpreis hingegen nur um neun Prozent. Auch der Anstieg des Euro um sechs Prozent erkläre die Diskrepanz nicht (Grafik oben).
Der FDP-Minister solle das Wettbewerbsrecht ausschöpfen und notfalls sogar das deutsche Geschäft der Mineralölkonzerne zerschlagen, fordert Rainer Hillgärtner vom Auto Club Europa (ACE). Die Empörung der Politiker findet er "heuchlerisch", wenn dann gar nichts gegen offenbar künstlich niedrig gehaltene Benzinpreise unternommen werde. Tatsächlich ist der Nachweis von konkreten Preisabsprachen an den Tankstellen extrem schwierig, und nach Informationen der "Welt am Sonntag" hat das Kartellamt bei seiner Untersuchung auch keine Hinweise darauf erhalten. Ein Ergebnis sei aber, dass die Benzinpeise nicht immer der Entwicklung auf dem Ölmarkt folgen - so müsste Super im Augenblick eigentlich etwa 1,85 kosten - nach einer Studie des ADAC ist Tanken allerdings gerade sonntags noch einmal im Schnitt um 3,4 Cent billiger als am Freitag. ADAC-Experte Klaus Reindl rät sogar dazu, die Tageszeit zu beachten. Denn: Mittags und nachts, wenn kaum jemand tanke, sei Benzin wegen vermuteter geheimer Absprachen der großen Ölmultis preiswerter als im Berufsverkehr, wenn Autofahrer Schlange ständen.