Gelesen > A Dance with Dragons

Ab Seite 500 geht er dann doch ab, der Tanz mit den Drachen. Das heißt, so ziemlich nach der Hälfte der lang ersehnten Fortsetzung von George R. R. Martins „Song of Ice and Fire“-Epos kommt langsam so etwas wie Spannung auf. Ach.

Was hatte ich mich gefreut! Fünf Jahre habe ich auf „A Dance with Dragons“ (ADWD) gewartet. Meine Begeisterung für die SIF-Serie habe ich damals ja schon zum Ausdruck gebracht. Nun, bei ADWD muss zumindest niemand befürchten, lesenderweise den Geburtstag seiner Mutter zu verpassen. Oder diesen langweiligen Film im Fernsehen.

Na gut, besser als Fernsehen ist es doch, vor allem in der zweiten Hälfte. Da entwickelt das Buch auch wieder Schmöker-Qualitäten. Vorher aber ist es nur mit kognitiver Dissonanz zu ertragen. Ihr wisst ja: wenn man schweine viel Geld für etwas bezahlt hat, oder seinen Jahresurlaub opfert, dann muss das einfach toll sein. Auch wenn das Auto ab der zweiten Woche dauernd in die Werkstatt muss oder die Fiji-Inseln kein Südseeparadies sind, sondern ein Moskito verseuchter Alptraum aus Beton, unfreundlichen Menschen und 42° im Schatten bei 150% Luftfeuchtigkeit.

Natürlich kann das auch ins Gegenteil umschlagen, in übertriebene Enttäuschung. Ähem.

Also von vorne. Ich versuche, so wenig wie möglich zu spoilern, aber wer bisher nur die „Game of Thrones“-Fernsehserie kennt und sich die Spannung nicht verderben will, sollte zum Fazit vorscrollen.

Wer sich mit der SIF-Serie befasst, weiß natürlich, dass ADWD nicht Teil 5 ist, sondern Teil 4.2. 4.1 war das vor fünf Jahren erschienene „A Feast for Crows“ (AFFC). In AFFC erzählt Martin, wie es im Süden der Seven Kingdoms nach dem Ende des „War of the five kings“* weiter geht. ADWD sollte den gleichen Zeitraum umfassen, nur im Norden und jenseits der narrow sea. Allerdings führt Martin die Geschichte dann doch weiter (etwa ab Seite 500) und man erfährt z.B. wie es mit Arya, Cersei, dem Kingslayer und anderen Figuren aus AFFC weiter geht. Also ist ADWD eher zwei Bücher. Dick genug ist es.

Wer aufgepasst hat merkte, dass das Buch etwa zu dem Zeitpunkt spannend wird, als es wirklich zum fünften Teil der Serie wird. Vorher liest es sich wie Melasse. Das liegt vor allem daran, dass Martin einfach nichts einfallen will. Man kann dabei zusehen, wie er mit der Schreibblockade ringt.

Inhaltlich äußert sich das im völligen Stillstand der Geschichte. An den beiden Hauptschauplätzen, der Mauer und Mereen, geht nichts mehr. Jon Snow ist von Stannis und seinen eigenen Leuten blockiert und als er einen Befreiungsschlag unternimmt, endet das … nicht so gut. Daenerys sitzt auf ihrem Thron und zagt und zaudert. Ihre Drachen werden bald weg gesperrt und so tanzt nichts und niemand mehr. Selbst eine meiner Lieblingsfiguren, Tyrion Lannister, wird zu einem langweiligen Säufer degradiert. Und weil ihm nichts einfällt, wiederholt Martin immer und immer wieder das, was mal gut an seinen Büchern war.

Als ich das erste Mal „… for the night is dark and full of terrors“ las, lief mir ein Schauder den Rücken runter. In ADWD wir R’hllor so oft angerufen, in endlosen langweiligen Litaneien, dass ich angefangen habe, ganze Seiten zu überspringen. Martins wenig zimperliche Art, Gewalt nicht zu beschönigen, wird durch die Reek-Figur und den Winterfell-Schauplatz zu einer Art Folter-Porno. Und der eine gute Einfall, Reek, halb wahnsinnig, mit seiner Identität ringen zu lassen, wird ad absurdum geführt durch die ständige Wiederholung von „My name is Reek, it rhymes with [weak/freak/meek/etc.]“.

So, das war genug Enttäuschung. Es gibt auch Gutes zu sagen über ADWD. Die Storyline an der Mauer war schon spannend, auch im ersten Teil. Und als Martin dann doch eingefallen ist, wohin er mit der Geschichte will, konnte ich stellenweise das Buch nicht aus der Hand legen und rief ein paar Mal „Lapis’ gewölbte Augenbrauen des Todes“ hervor.

Leider fiel ihm dann aber zu viel ein. Der zweite Teil ist stellenweise ein Teppich, der am Rande ausgefranst ist. Überall lose Enden. Statt diese aber abzuschneiden oder einzuweben, ribbelt Martin das Gewebe weiter auf.

Im Vorwort äußert er die Hoffnung, in „Winds of Winter“, dem nächsten Buch, alle Personen und Schauplätze wieder unter einem Deckel zu versammeln. Nach der Lektüre von ADWD bin ich skeptisch, ob ihm das gelingt. Aber die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Ich werde die nächsten Teile sicher lesen. Nur wie ein kleiner Junge an Heiligabend, werde ich bestimmt nicht mehr auf George R.R. Martin’s Bescherung warten.

 

*Ich benutze die englischen Begriffe, weil ich die Serie nur auf englisch gelesen habe und Verwirrung vermeiden will.

 


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