Carlos Fabra, „vom Volk freigesprochen“.
Gehen Sie doch mal im Alter von 63 Jahren zur Bank und beantragen eine Hypothek mit einer 35-jährigen Laufzeit, die sie also abzahlen müssen, bis Sie den 98. Geburtstag hinter sich haben. Der Bankberater wird sich mit dem Zeigefinger an die Stirn tippen oder einen Lachkrampf bekommen. Genau solch eine Hypothek ist aber keinerlei Problem, wenn Sie Politiker sind, wie jetzt in Spanien nachhaltig bewiesen wurde.
Dies ist eine aussergewöhnliche Geschichte. Sie ist nur deswegen aussergewöhnlich, weil sie jetzt öffentlich wird. Viele andere solcher Geschichten kann man nicht publizieren, weil sie nie bewiesen werden können. Insofern ist es eine keineswegs aussergewöhnliche bemerkenswerte Geschichte über den konservativen Politiker Carlos Fabra (Partido Popular), Präsident seiner Partei im Bereich Castellón (Valencia).
Die Plaza de las Salesas – für das mondäne Penthouse soll Carlos Fabra seine Hypothek bis fast zu seinem 99. Geburtstag abzahlen.
Fabra hatte sich 2002 ein Penthouse da gekauft, wo alle eins wollen: 200 Quadratmeter an der bekannten Plaza de Las Salesas im Herzen von Madrid. Jahre später beantragt er bei der Bank Bancaja eine Erweiterung dieser Hypothek, die bis zum Jahr 2045 abzuzahlen ist, wenn der Kunde 98 Jahre alt ist … oder wäre. Sie wird ihm problemlos gewährt und am 22. Dezember 2009 unterschrieben.
Wer jetzt glaubt, da habe die Bank nicht aufgepasst, irrt sich gewaltig. Das Ganze hat System: Allein zwischen 1995 und 2004 hatten Banken und Sparkassen in Spanien dem Herrn Politiker Kredite im Gesamtwert von mehr als fünf Millionen Euro eingeräumt. Die Rückzahlungen dieser Kredite leistete Carlos Fabra mit einem Monatseinkommen von 6.000 Euro brutto. Geht doch gar nicht, sagen Sie? – Geht doch! Allein zwischen 1999 und 2004 gingen auf dem Konto des Ehepaars Einzahlungen im Gesamtwert von 8,3 Mio. Euro ein, von denen rund die Hälfte aus unerklärlichen Gründen nicht zu belegen ist.
Jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft. Der Vorwurf (und bleiben wir unnötigerweise vorsichtshalber im Konjunktiv): Carlos Fabra und seine Frau María Amparo Fernández hätten alle diese Kredite und Hypotheken mit Nominalwerten zwischen 100.000 und 600.000 Euro nur aufgenommen, um Geld zu waschen. Die Rückzahlung sei jeweils durch Gelder erfolgt, die der PP-Präsident von Castellón bei seinen Politiker-Geschäften schwarz „erwirtschaftet“ hätte.
Spaniens Regierungschef Mariano Rajoy (r.) sieht keinen Grund, Massnahmen gegen Carlos Fabra zu ergreifen, der vielleicht wirklich nicht gegen parteiübliche Verhaltensweisen verstossen hat.
Nun musste der feine Herr vor Gericht seinen gesamten Besitz offenlegen. Der Staatsanwalt hat heute die vorläufige Beschlagnahme von Gütern im Wert von 4,2 Mio. Euro angeordnet, weil er sicherstellen will, dass Carlos Fabra nach den nun folgenden Korruptions-Prozessen wegen Vorteilsnahme, Bestechung und verschiedener Fiskaldelikte die entsprechenden Strafen zahlt und sein Vermögen nicht etwa vorher verschwinden lässt.
Der hochrangige Politiker hatte schon vor Jahren wegen Steuerbetrug vor Gericht gestanden, doch vier der fünf Fälle waren wegen Verjährung niedergeschlagen worden. Nach der Wahl 2007 trompetete Carlos Fabra daraufhin stolz, er sei „vom Volk freigesprochen“ worden. Ein Jahr später erklärte der PP-Chef Spaniens und heutige Regierungschef Mariano Rajoy den Parteikollegen zum „Musterbürger“ – es sei „ein enormes Glück“ so jemanden an der Seite zu haben. Auch heute sieht Rajoy bisher keinerlei Veranlassung, Carlos Fabra sein Vertrauen oder das der Partei zu entziehen. Unschuldsvermutung, Sie wissen schon …