“Geht nicht, gibt´s nicht!” – geht gar nicht!

18.05.14 - 1

Besonders so ganz schneidige Manager, die Wirtschaft im Sonnenstudio gelernt zu haben scheinen, erklären aus dem sicheren Schutz ihres Maßanzuges heraus: „Geht nicht, gibt’s nicht.“ Sie setzen stolz hinzu: „Bei mir nicht.“ Sie erklären sich zu glühenden Bewunderern von „Nichts ist unmöglich“ und bewerben sich sofort, wenn es eine Titanenaufgabe zu erledigen gilt.

Albert Einstein sprach dereinst: „Alles Denkbare ist machbar.“ Aber er meinte doch nicht das naiv Wünschbare oder prinzipiell Erträumbare? Ich bin sicher: Er wird da falsch ausgelegt, wenn es wieder einmal heißt: „Geht nicht” gehört einfach nicht in unseren Wortschatz, bitte.“ Damit ist wohl gemeint, dass die Mitarbeiter jedes Unternehmens das Guinness-Buch der Rekorde auswendig lernen sollten, damit sie ein erstes Gefühl dafür bekommen, was herkulesgleiche Menschen schaffen können, wenn sie sich nur ein bisschen bemühen.

„Wir müssen dieses Jahr wachsen – ganz prinzipiell. Mit dummen Entschuldigungen wie Finanzkrisen, Kriegen oder aufgeklärte unverschämt-selbstbewusste Selbst-Google-Kunden sollten Sie es bitte bei mir nicht versuchen, das ist Loser-Talk. Wir müssen unbedingt wachsen, das wissen Sie selbst. Wirtschaften ist Wachstum, und zwar zweistellig.“

Das siegessichere Geht-nicht-gibt’s-nicht unterstellt, dass es stets nur um Dinge geht, die man ändern kann. Diese Unterstellung gelingt besonders Managern leicht. Sie unterstellen zum Beispiel, dass es prinzipiell möglich wäre, ihrem Kind daheim beizubringen, regelmäßig sein Zimmer aufzuräumen oder die Sonette von Andreas Gryphius zu lieben. Also muss auch das jährliche zweistellige Wachstum möglich sein! In diesem Sinne herrschen sie ihre Mitarbeiter an, die Extrameile zu gehen und eben noch eine draufzulegen, nie aber die Flinte ins Korn zu werfen.

Dann aber stellt sich das Wachstum nicht so ein, wie sie es ihren Mitarbeitern als „absolut machbar“ und „seriös realistisch“ verkauften. Und was sagen sie dann? Na?

„Wir haben uns offensichtlich zu viel vorgenommen. Das ist an sich nicht schlecht. Wir wollen uns ja nie zu wenig vornehmen. Die Lage war unglücklich getrübt. Die Finanzkrise, das Chaos in der Ukraine, eine unerwartete Nahrungsknappheit in der dritten Welt und die unselige Diskussion in unserem Land um einen Mindestlohn haben die Verbraucher in die Defensive getrieben. Gerade und besonders unser Unternehmen, das ja leider sehr von den Kunden abhängt, musste darunter leiden. Die Berichte in der Presse über unseren angeblichen Service haben wir immer wieder als infam zurückgewiesen. Unsere Kommunikationsabteilung konnte den Schaden leider nur begrenzen. Insofern haben wir unsere Hausaufgaben nicht gemacht. Wir werden ein bisschen auch vor unserer eigenen Türe fegen und zwei oder drei Manager austauschen müssen. Dann steigt der Aktienkurs auch wieder auf die alte Höhe.“

Macht man das heute so? Die, die unter einem stehen, werden in Winner-Talk-Manier angeschrien, jedes beliebige Ziel zu erreichen, während man sich selbst in Loser-Talk-Manier gegenüber den eigenen Chefs für unverantwortlich erklärt?

Chefs dürfen also öffentlich sagen, man habe die Hausaufgaben nicht gemacht? Wer denn genau hat sie nicht gemacht? Was sind denn hausgemachte Problemfaktoren oder der zu lange verfolgte alte Trott mit den zum Boden hängenden staubigen Zöpfen?

Der tiefschwarze Maßanzug muss es retten. Nach unten erscheint er wie ein Herrschaftssymbol, nach oben eines der stillen Trauer.


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