Bill Callahan „Apocalypse“ (Drag City)
Die Apokalypse ansich ist ja nun zu jeder Zeit ein dankbarer Stichwortgeber gewesen, auch heute findet man auf die Schnelle jede Menge nützliches, sinnfreies oder verworrenes Hirnfutter dazu. Ob nun der neutestamentarische Johannes, quasi eine Art Platzhirsch unter den Offenbarungsverkündern, herhalten muss oder als Gegenentwurf doch lieber Helge Schneider (Akopalüze nau!), gern darf der eifrige Hobbypessimist auch auf der geeigneten Website seine Meinung darüber kundtun, ob die heimelige Steinkugel im Sinne der Majas nicht doch schon im Dezember nächsten Jahres mit einem lauten Plopp! den Geist aufgeben wird.
Ohne die passende Affinität zum Weltuntergang tut man sich natürlich schwerer, die Apokalypse, und sei es auch nur der Name einer Platte von Feingeist Bill Callahan, mit offenen Armen willkommen zu heißen. Allzuviel Angst muß man als Hörer trotzdem nicht haben, auch nach den ersten Durchgängen des neuen, dritten Albums des Mitvierzigers aus Maryland läuft man nicht wie ein Abbild von Munch’s Schrei durch die Gegend. Callahans Apokalypse fühlt sich nicht kalt und und fremd an, wenngleich sich von Beginn an eine unheilvolle Note in den verzerrten Sound mischt und bis zum Ende der sieben Songs auch nicht mehr verschwinden mag.
Der Mann ist für seine naturnahen, oft naiv anmutenden Sprachbilder schon häufig gescholten worden, sie sind offensichtlich jedermanns Sache nicht und was der eine abschätzig belächelt, erwärmt dem anderen das Herz. Gehört man zur zweiten Gruppe, war schon auf dem grandiosen “Sometimes I Wish We Were An Eagle” viel Anrührendes dabei, “Apocalypse” setzt diesen Weg unbeirrt fort. Die Parabel vom Viehhirten (“Drover”) macht mit trockenem Trommeln und kreischendem Neil-Young-Feedback den Anfang, darauf folgt der ebenfalls rauhe, tieftraurige Schmerzgesang “Baby’s Breath”. Dessen dunkle Poesie läßt einen schaudernd zurück – “Good plans are made by hand, I'd cut a clearing in the land and for a little bed, for her to cry comfortable in” – es folgt das verquer swingende “America!”, sarkastischer Lobgesang auf’s Vaterland, ganz im Stile des patzig grummelnden Lou Reed.
Hernach zieht Callahan allmählich den Stecker, die Stücke werden reduzierter, elegischer und bleiben natürlich hörenswert: “Riding For The Feeling” ist der Titel entliehen – “With the TV on mute, I'm listening back to the tapes on the hotel bed, my my my apocalypse…” – der Text als Lobpreis der Selbstvergessenheit, träumerisch, auch “Free’s” versöhnt ein Stück weit mit der anfänglichen Düsternis (“… to be free in bad times or good”), bevor “One Fine Morning” das Vorangegangene über acht Minuten nochmals vermischt und zusammenfasst, ruhig, ja besinnlich, das Cover im Blick “the mountains bowed like a ballet in the morning sun“. Als verwirrende Fußnote hinterläßt Callahan am Schluß eine kryptische Zeichenfolge, die dann doch nicht mehr ist als die Nummerierung der Platte im Gesamtkatalog – soll also keiner behaupten, dass, wer der gewichtigen Gefühlswelt anhängt, nicht auch Humor haben kann.
http://www.dragcity.com/artists/bill-callahan