“Sie kommen nicht, wie es kürzlich im Parlament in London gesagt wurde, um sich in die „Hängematten unseres Sozialsystems“ zu legen.Solche Formulierungen zeugen entweder von Bösartigkeit oder von beschämender Unkenntnis der Situation – meist wohl von beidem. Sie kommen, die Immigranten, weil sie zuhause kaum mehr zu leben haben. Und weil sie irgendwo – die moderne Kommunikation lässt grüssen – gesehen oder gehört haben, dass es Länder gibt, wo es den Menschen gut geht, wo es Arbeit gibt, wo es die Chance gibt, das eigene Leben mit den eigenen Händen zu verdienen.
Natürlich gibt‘s auch den Missbrauch, und leider stürzen sich viele Medien genau auf diese Fälle. Aber die Missbräuche sind die Ausnahme. Wie sonst wäre zu erklären, dass es die Migration auch in Richtung USA gibt, wo kein europäisches Sozialsystem für menschenwürdige – provisorische – Aufnahme sorgt? Wie sonst wäre zu erkären, dass es selbst innnerhalb von Afrika – von den einen Staaten in andere – starke Migrationsströme gibt?
Die GAZETTE hat bei ihren Leserinnen und Lesern einen hervorragenden Ruf, weil sie hinter die Kulissen blickt, nach Ursachen fragt und auch Prognosen abgibt, soweit dies möglich ist. Auch diesmal haben wir versucht, genau das zu leisten: zum Thema der Migration – der weltweiten Migration wohlgemerkt, nicht nur der Immigration in Deutschland und in der Schweiz, die von rechtspopulistischen Kreisen gerne als spezifisch europäisches oder gar als spezifisch deutsches oder schweizerisches Problem bezeichnet wird, damit sie als Argument zum politischen Stimmenfang taugt.
Aber wir haben auch die Freude am Leben nicht vergessen – und in diesem Punkt sind wir sehr europäisch geblieben: mit je einem Ausflug in die Vergangenheit Frankreichs und in die Vergangenheit Italiens. Ja, auf die Errungenschaften der Renaissance und der Aufklärung wollen wir nicht verzichten…”
Christian Müller
Chefredakteur
Quelle: http://gazette.de/die-gazette/archiv/gazette-45/editorial/articles/50.html