Gastbeitrag: Jobbörsen haben noch eine Zukunft

Es ist einfach Jobbörsen zu kritisieren. Und ich gebe zu, ich tue es selbst regelmässig und gerne. Gleichzeitig bin ich als Personaler aber überzeugt, dass Jobbörsen nach wie vor wertvolle Rekrutierungsinstrumente sind und auch eine Zukunft haben (können). Obwohl die ersten Jobbörsen vor etwa 15 Jahren gegründet wurden, sind die meisten immer noch mehr oder weniger aufgemotzte online Versionen von Stellenanzeigen aus Tageszeitungen. Ich finde dies frustrierend, denn Jobbörsen

  • könnten viel innovativer sein und dadurch Arbeitgebern und Stellensuchenden einen bedeutenden Mehrwert bieten
  • werden, genauso wie Tageszeitungen, dem Dinosauriersyndrom unterliegen, falls sie so weitermachen.

Lehren aus der Vergangenheit

Jahrelang machten Tageszeitungen gutes Geld mit Stelleninseraten. Als die ersten Stellenbörsen aufkamen, ernteten sie bloss ein süffisantes Lächeln aus der Printecke. Heute haben Tageszeitungen zwar immer noch einen wöchentlichen Stellenteil, aber die offenen Stellen (und der Umsatz) haben dramatisch abgenommen.

Was ist denn schiefgelaufen?

Die Marktführer fühlten sich unschlagbar und nahmen weder neue Konkurrenten noch die Bedürfnisse ihrer Kunden ernst. Stellenbewerber gewöhnten sich aber schnell daran, dass sie bei Jobbörsen 24/7 die neusten Stellenanzeigen kostenlos konsultieren konnten und auch der Bewerbungsprozess wurde bedeutend schneller und einfacher. Die Arbeitgeber wiederum mussten weniger bezahlen, konnten Drucktermine ignorieren und brauchten keine Mediaagentur um Inserate zu veröffentlichen.

Ist Social Media der neue böse Wolf?

Wer mit mir spricht (oder mich googelt) wird schnell feststellen, dass mich Social Media fasziniert. Trotzdem glaube ich aber nicht, dass Jobbörsen wegen Social Media verschwinden werden. Jobbörsen sind nützlich um kurzfristig Informationen zu veröffentlichen (Einwegkommunikation oder Broadcasting), das wahre Potenzial von Social Media für die Rekrutierung liegt aber im Aufbau der Arbeitgebermarke und in der Möglichkeit echter Interaktionen mit (potentiellen) Bewerbern. Gleichzeitig bin ich aber überzeugt, dass in naher Zukunft mehr und mehr Rekrutierungsbudgets für Social Media Aktivitäten investiert werden, falls Jobbörsen nicht sehr bald innovativer werden.

Herausforderungen

Der Trämler Jörg Buckmann wehrt sich schon lange gegen die Sichtweise, dass Stellensuchende Bittsteller sind. Doch viele Recruiter denken im Grunde genommen immer noch, dass Bewerber dankbar sein müssen, wenn sie ihr CV überhaupt einsenden dürfen. Diese Einstellung ist nicht nur arrogant, sondern auch dumm und weltfremd. Für mich gibt es keinen Zweifel, dass sich die Welt der Rekrutierung in den nächsten Jahren dramatisch verändern wird. Dabei werden aber nicht technologische Neuerungen der entscheidende Faktor sein, sondern eine veränderte Sichtweise von Arbeitgebern und Dienstleistern. Die einseitige Kommunikation wird sich mehr und mehr in einen Austausch verwandeln. Das heisst, dass blosse Angaben zu Haupttätigkeiten, notwendigen Kenntnissen und ein Link zu Pressemitteilungen nicht mehr ausreichen werden. Potentielle Mitarbeitende werden sich vermehrt für die wahre Identität einer Unternehmung interessieren und werden mehr wissen wollen über Firmenkultur und die Menschen, die dort arbeiten.

Die Zukunft der Jobbörsen

Jobbörsen sind wie bereits gesagt praktisch für kurzfristige Publikationen, für langfristige Interaktionen aber kaum geeignet. Gleichzeitig verfügen sie aber über langjährige Erfahrung in der Welt der Rekrutierung sowie ausgezeichnete technische Kenntnisse und eine oft starke Marktposition. Deshalb bin ich überzeugt, dass es nur an den Jobbörsen selbst liegt, ob sie sich auf ihren Lorbeeren ausruhen und gelegentlich ein paar pro Forma Neuerungen einführen wollen. In diesem Fall werden sie zwar nicht unbedingt aussterben wie die Dinosaurier, aber garantiert ins Land der Irrelevanz abdriften und sich mit ihren Print Kollegen über die böse, böse Welt beklagen können.

Die Alternative dazu gefällt mir persönlich viel besser: Jobbörsen können sich auf Ihre einstige Rolle als führende Innovatoren besinnen und Dienstleistungen anbieten, welche die aktuellen und zukünftigen Bedürfnisse von Kandidaten und Recruitern befriedigen. Doch dazu wird es viel Mut, Engagement und auch einige verrückte Ideen brauchen.

Gastautor: Etienne Besson ist überzeugter HR Profi und begeisterter Social Media Nutzer. Seine about.me Seite zeigt, wo er im Cyberspace zu finden ist.


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