Gabriel for Kandidat

Von Stefan Sasse

Gabriel for Kandidat

Sigmar Gabriel 2010

Die SPD hat derzeit sicherlich viele Probleme. Einen Kanzlerkandidaten zu finden gehört sicher nach unten auf die Liste. Die aktuelle Debatte um Peer Steinbrück erscheint deswegen wie ein schlechter Witz. Schon seit Monaten geistert besonders bei SpOn, aber auch anderswo, das Gerücht von seiner Kandidatur herum, und wie wir nun aus seinem Munde erfahren habe traut es sich der prominent-abwesende Hinterbänkler auch zu. Keine Frage, Peer Steinbrück könnte, wenn man ihn fragte, bestimmt auch deutscher Kaiser. Nur fragt ihn eigentlich keiner. Dass das seinem Ego nicht überragend gut tut glaube ich sofort; nur der Partei würde es sehr gut tun, ihn in Ehren ergrauen und als Grüßaugust für Agendafans übrig zu lassen. Dass er überhaupt so penentrant erwähnt und gehandelt wird, hat mit zwei Dingen zu tun: zum einen der Bedeutungsverschiebung der "Kanzlerkandidatur" (die es ja eigentlich in Deutschland gar nicht gibt) und zum anderen der verbreiteten Sehnsucht nach Staatsmännern. Beides gilt es kurz zu untersuchen.
Das Phänomen der "Kanzlerkandidatur" ist erst in den letzten zehn Jahren entstanden, und voll durchgeschlagen hat es erst seit Schröders Abgang. Eigentlich kann an der Frage überhaupt kein Zweifel bestehen: Gabriel müsste der Kanzlerkandidat der SPD sein, schließlich ist er auch ihr Parteivorsitzender. Ein Schlachtross, das für den Titel geeigneter sein könnte, weil es viel präsenter oder erfolgreicher ist (wie etwa Schröder 1998) existiert nicht einmal in Ansätzen. Parteivorsitz oder groß gewonnene Landtagswahlen galten bisher eigentlich immer als Voraussetzung und waren dann auch kaum diskutiert. Es war kein überragend demokratischer Prozess, aber einer, der einer gewissen Logik folgt. Für die SPD gilt diese Logik aber nicht mehr. Sie hat keine Führungsfiguren: Steinmeier bleibt der Langweiler und Wahlverlierer von 2009, Gabriel hat kein allzugutes Image und ist auch nicht übermäßig präsent, und Peer Steinbrück ist, nun ja, Peer Steinbrück. Bleiben noch Sekundärkandidaten wie Kraft, Scholz und Wowereit, aber eigentlich sind das auch keine ernsthaften Kandidaten.

Gabriel for Kandidat

Peer Steinbrück 2008

Die SPD ist zudem nicht einmal mehr sicher die zweitstärkste Partei im Land. Die Grünen müssen tatsächlich ernsthafte Überlegungen für den Fall anstellen, dass sie bundesweit stärker abschneiden sollten als die Sozialdemokratie. Wenn als Themen für 2013 Europa und die Geldpolitik sowie erneut Umwelt- und Atompolitik auf der Agenda landen werden, was kaum als ausgeschlossen gelten kann, hat die SPD (und mit ihr die LINKE) noch mehr verloren als 2009, weil für das Thema Europa und Geld traditionell die bürgerlichen Parteien und für Umwelt- und Atomfragen die Grünen den größten Glaubwürdigkeitsbonus genießen, und der nun einmal Wahlen entscheidet - Schröder hat das 2005 überzeugend bewiesen. Zudem besteht ein unglaublich großer Bedarf an markanten Politikerfiguren, das hat die Causa Guttenberg gezeigt, und das zeigt jetzt der Fall Peer Steinbrück. Steinmeier, Merkel und die ganze aktuelle Riege sind nicht gerade das, was man sich unter dem altbackenen Begriff "Staatsmänner" vorstellt (den wir einfach einmal gender-neutral stellen). Sie sind Sachverwalter, eine zufällig nach oben gerückte zweite Reihe. Das gilt eigentlich auch für Peer Steinbrück.
Der aber schafft es, und damit wären wir beim zweiten Punkt angelangt, mit seinem kantigen Äußerungen und schnoddrigen Bemerkungen zumindest als Schatten Helmut Schmidts zu erscheinen, der Deutschen Lieblingskanzler in diesen Tagen. Früher wollten sie alle sein wie Adenauer, heute ist es Schmidt, nach dem sie streben. Man kann verstehen wieso. Man kann von Schmidts Einstellungen und seiner Politik halten was man will - ich denke, dass er deutlich mehr Fehler gemacht hat als man in den allgemeinen Lobesarien auf ihn zugesteht -, aber er hat den Part nach außen vertreten wie vor ihm nur Brandt und Adenauer. Schmidt war Kanzler, und die gravitätische Aura ströhmt noch heute von ihm aus. Gegen diesen Schatten kämpfte Kohl sein Leben lang. Peer Steinbrück ist der einzige noch aktive Politiker, der wenigstens etwas von dieser staatsmännischen Aura ausstrahlt. Er ist ein Sack heiße Luft, keine Frage, aber wenigstens schaut er dabei nach was aus. Merkel ist einfach nur heiße Luft, und Steinmeier bestenfalls lauwarm.

Gutes Beispiel für Schmidts Wirkung
Dieser Sachverhalt macht das Verlangen mancher nach einem Steinbrück als SPD-Kandidat verständlich. Ich habe auch keinen Zweifel, dass die Redaktionsstuben von SpOn bis SZ jubeln würden. Kandidat der Mitte, Staatsmann, erfahren, blabla. Zur SPD passt er aber nicht. Die Partei hat schon Schmidt nur mit Zähneknirschen ertragen, seine Kanzlerschaft war von Ausschlussverfahren gegen Links und ständigen Auseinandersetzungen mit der Basis geprägt. Peer Steinbrück aber würde solche Auseinandersetzungen aktiv suchen, anstatt sie wie Schmidt einfach nur hervorzurufen, und er hätte keinen Willy Brandt als Parteivorsitzenden, der Kompromisse schließen könnte. Steinbrück würde direkt in die Basta-Tradition Schröders springen, ohne auch nur einen Hauch von dessen Klasse, und die Partei gegen sich aufbringen. Steinbrück steht für das Versagen der Politik in der Finanzkrise, er steht für die Große Koalition - die er als Kandidat ohne Zweifel anstreben würde - er steht für die Agenda2010. Peer Steinbrück als Vertreter der Arbeiter? Kaum vorstellbar. Nein, er ist nicht geeignet, und die SPD täte gut daran, ihn möglichst schnell auf das Abstellgleis zu entsorgen.
Gabriel for KandidatDer einzige geeignete Kandidat für das Amt ist Sigmar Gabriel. Ja, er hat keinen besonders guten Ruf, er gilt als unzuverlässig und sprunghaft. Das aber entspricht, wie Spreng schon feststellt, der Partei, der er vorsteht. Die SPD selbst ist sprunghaft und auf der Suche nach sich selbst, und Gabriels Aufgabe ist es, sie auf diesem Weg vorsichtig anzuleiten und dafür zu sorgen, dass der Laden nicht auseinanderfliegt. So sehr man es auch bedauern mag, der rechte Agenda-Flügel der SPD ist Realität, und es gibt einen stattlichen Anteil Wähler, die die SPD tatsächlich dafür wählen. Das ist die Mehrheit derer, die noch da sind. Eine vollständige Abkehr von der Agenda2010 kann sich die SPD tatsächlich nicht leisten, sie muss sie zumindest rhetorisch heiligen - dann kann sie, in alter sozialdemokratischer Tradition, auch in der Realität eine völlig andere Politik machen. Gabriel ist der Flickschusterer, der den undankbaren Job hat, den Kompromiss der Sozialdemokratie für das nächste Jahrzehnt zu basteln. Dafür kann man ihn kaum beneiden. Eine Pflicht, die er eigentlich ebenfalls wahrnehmen muss, ist der nächste Kanzlerkandidat zu sein. Es ist verständlich, dass er das nicht will. Kanzler werden wird er nämlich wahrscheinlich nicht. Peer Steinbrück aber auch nicht.
Alle Bilder Wikimedia Commons. 

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