Freiheit (von) der Religion

In Deutschland sind Staat und Religionsgemeinschaften zwar getrennt, aber nicht ganz: das Verhältnis des Staates zu den Religionsgemeinschaften soll ein förderndes und wohlwollendes sein. Freiheit der Religion versus Freiheit von der Religion? Förderung der Religionen, aber keine demokratischen Forderungen an sie?

Trotz fehlender Ankündigung der heutigen Veranstaltung auf der Website der Uni war der Hörsaal 5 auf dem Campus Westend gut besetzt, und das, obwohl das Thema keins ist, das gerade brennt. Dann schon eher der Atomausstieg, weswegen Sabine Leutheusser-Schnarrenberger abgesagt hatte. Immerhin hatte sie einen Text verfasst, den Moderator Prof. Dr. Günter Frankenberg verlas: Einschränkungen des staatlichen Neutralitätsgebots, etwa aus organisatorischen Gründen, oder die Festlegung auf den Vorrang der christlich-jüdischen Glaubenstradition seien zu vermeiden. [Im Klartext: Dem Islam sollte endlich die Anerkennung als "Körperschaft des öffentlichen Rechts" (?) gewährt werden].

Prof. Dr. Ulrich K. Preuß plädierte für die Religionsfreiheit unter Berücksichtigung der anscheinend widersprüchlichen Verfassungsvorgaben. Die sonst regelmäßig anzutreffende negative und positive Freiheit in Bezug auf soziale Phänomene sei in Bezug auf die Religionsfreiheit “doppeldeutig”. Alle drei abrahamitischen Religionen verlangten zwar Geltung im sozialen Raum, stünden aber in innerer Distanz zur Gesellschaft: Gott stehe für sie über dem Menschen. Der verfassungsrechtliche Schutz der Religionsfreiheit sei dennoch gerechtfertigt, weil die Religionsfreiheit den jeweiligen Alleinvertretungsanspruch der beiden christlichen Religionen zivilisiere. Für Muslime wird in der Kairoer Menschenrechtserklärung ein Religionswechsel ausgeschlossen: Der “Rechtgläubige” brauche keine Religionsfreiheit.

Teil der Religionsfreiheit sei die staatliche Nichteinmischung in die Ausgestaltung der gelebten Religionen. Eine Religionsgemeinschaft, die etwa für die Errichtung eines Gottesstaates in Deutschland eintrete, sei zu tolerieren. Gestaltungsansprüche der Religionen in den Sphären des Sozialen und der Politik seien dagegen zugelassen. Aber ein rechtlich bindender Beschluss zur Errichtung eines Gottesstaates mit Berufung auf einen Gott sei in einem demokratischen Verfassungsstaat nicht möglich. [Sehr beruhigend!]

Prof. Dr. Axel von Campenhausen, ehem. Kirchenrechtliches Institut der EKD, verwies zwar ausdrücklich darauf, dass er auch Staatsrechtler sei. Half aber nichts, er hatte die Position der beiden Kirchen zu verteidigen. Die Vorteile des deutschen Staatskirchenrechts und seiner “schiedlich-friedlichen Lösungen”: Das kulturelle Erbe der Kirchen werde erhalten. Und es gebe keinen Religionskrieg in Deutschland. [Na sowas!] Dafür müsse der Staat sich mit den Kirchen in sozialen Fragen arrangieren.

Der Knackpunkt Finanzen wurde erst so richtig zum Thema, als das Publikum zu Wort kam. Wie es scheint, leistet der Staat Zahlungen an die Kirchen für ihre Arbeit im sozialen Bereich, etwa im Bereich Kinderbetreuung. Da die Kirchen in diesem Bereich seit 20-30 Jahren mit anderen Anbietern konkurrieren müssen, kann von einer allmählichen Aufhebung des bisherigen Kirchenmonopols ausgegangen werden. Und der Staat finanziert auf Grund verschiedener Konkordate diverse theologische Lehrstühle und Fakultäten, ebenso beispielsweise die Bischofsgehälter.

Außerdem leistet der Staat Ausgleichszahlungen (“Verrentung”) zusätzlich zur Erhebung der Kirchensteuer auf Kosten der Öffentlichkeit. Und zwar, obwohl es seit über 90 Jahren das Verfassungsgebot gibt, die Staatsleistungen an die Kirchen “abzulösen”. Wieviel auf den Tisch der Kirchen gelegt werden müsste, damit staatliche Verrentungs-/Ausgleichszahlungen [wofür eigentlich?] eingestellt werden könnten, war nicht klar. 14 Milliarden? Oder war das der Betrag, den der Staat bereits als Ausgleichszahlung an die Kirchen geleistet hat. 14 Milliarden! [Weiterführend: Carsten Frerks Violettbuch Kirchenfinanzen.]

Die Kirchen haben am Erhalt dieses einvernehmlichen Verfassungsbruchs natürlich ein besonderes Interesse. Bemerkenswert ist, dass Politiker aller Parteien selbst in Zeiten klammster Kassen auf dem Auge der Kirchenfinanzierung vollkommen blind sind. Die Existenz von stabilen Seilschaften ist anzunehmen. Und auf Lobbyarbeit werden die Kirchenmänner sich auch verstehen. [Das daraus erwachsende Problem wurde nicht angesprochen: Wenn andere Religionsgemeinschaften, etwa der Islam, den Status "Körperschaft des öffentlichen Rechts" (?) zuerkannt bekommen, haben auch diese Anspruch auf vergleichbare Zahlungen.]

Aber: Was “der Staat” da ausgibt, ist das Geld aller Steuerzahler. Wobei nur noch ca. 60% der Deutschen sich zu einer der Kirchen bekennen. Die Gruppe der Menschen, die keiner Glaubensgemeinschaft angehört, sei etwa zu groß ist wie die der Katholiken oder der Protestanten: Deren Interesse an einer staatlichen Alimentierung der Religionsgemeinschaften dürfte begrenzt sein. Außerdem, so ein Hinweis aus dem erstaunlich sachkundigen und engagierten Publikum,  sollten wir darüber nachdenken, ob der Schutz der Religionsfreiheit weiterhin wünschenswert sei angesichts der zunehmend fundamentalistischen und damit demokratiefeindlichen Tendenzen innerhalb der Kirchen, nicht nur im Islam.

Ausgerichtet wurde die Diskussion von der Sebastian Cobler Stiftung, die sich für Bürgerrechte im Frankfurter Raum stark macht (Frankenberg). [Fehlende Bürgerinnenrechte im Rahmen der beiden Kirchen und natürlich auch im Islam waren kein Thema.]


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