von Siegfried R. Krebs
Gleich vorweg: Ich bekenne, „politisch nicht korrekt“ zu sein und es auch nicht sein zu wollen. Nein, ich bin für offene Worte und halte nichts vom Zukleistern der Wirklichkeit. Also lege ich heute mit Rückblick auf den Internationalen Frauentag Einspruch ein gegen bundesdeutsche Gepflogenheiten, wie großes „Binnen-I“, Quote oder Doppelspitze…
Clara Zetkin hat vor 100 Jahren den Internationalen Frauentag als Kampftag für das Frauenwahlrecht und für das Prinzip „gleicher Lohn für gleiche Arbeit” angeregt. Und wo stehen wir heute? Von der wirklichen Gleichstellung der Geschlechter sind wir nach wie vor weit entfernt. Daran hat auch das mit der Weimarer Verfassung von 1919 eingeführte Frauenwahlrecht nicht viel geändert. Daran ändert selbst der Umstand nichts, daß mittlerweile auch Frauen an der Spitze von Regierungen stehen.
„Politisch korrekte” Menschen (warum gibt es eigentlich keine Menschinnen?) wollen mir aber als zeichen von Gleichstellung vorschreiben, statt Studenten jetzt StudentInnen oder Studierende zu sagen. Doch haben sich damit die Chancen für alle Menschen angeglichen oder bestimmt nicht eher der Geldbeutel der Eltern über den Bildungsweg von Mädchen und Jungen? Sogar mehr noch als vor 20 Jahren…
Ich bin in der Politik gegen Quoten und Doppelspitzen, weil nicht das Geschlecht, sondern allein die persönliche Kompetenz und der Wille zur politischen Arbeit über Mandat und Amt entscheiden sollen. Konkret denke ich da an eine Kandidatenkür zur Weimarer Stadtratswahl anno 2009. Bei einer der Parteien wurde damals endlos um die als unanfechtbares MUSS geltende quotierte Liste gerungen.
Und was tat der Wähler oder die Wählerin dann am Wahltag? Sie machten in den Wahllokalen ihr Kreuzchen völlig „politisch unkorrekt” und wirbelten dank des möglichen Kumulierens und Panaschierens gerade für die bewußte Partei die quotierte Liste völlig durcheinander. Mit dem Ergebenis, daß sieben Männer und nur eine Frau in den Stadtrat einzogen. Man hatte sich also die Liste wohl doch etwas genauer angeschaut und nicht nur aufs Geschlecht geschaut…
Was schlußfolgere ich angesichts des Frauentagsjubiläums: Kämpfen wir, Frauen wie Männer, nicht nur am 8. März für eine wirkliche und allseitige Gleichberechtigung, sondern tagtäglich. Ganz besonders am Arbeitsplatz oder im Steuerrecht. Wichtiger als der Posten einer Kanzlerin ist die Allgemeingültigkeit des Grundsatzes „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit” in Industrie, Dienstleistungsgewerbe und vor allem im Handel.
[Erstveröffentlichung: Freigeist Weimar]