Franziskus, wer bist du?

Die Welt muss sich an einen neuen Papst gewöhnen. Er heißt Franziskus, und schon der Name scheint eine Revolution zu versprechen. Sicher wird es eine Revolution im Stil, im Umgang geben, aber wird sie auch darüber hinaus wirken? Nach anfänglicher Euphorie beschleichen mich, leider, ernsthafte Zweifel.

Der Chor der Stimmen, die dem neuen Papst kurz nach seiner Wahl zujubelten, ist groß. Dabei herrschte nach der Verkündung des Namens des Papstes auf dem Petersplatz und vermutlich auch vor den Fernsehgeräten erst einmal überraschtes Schweigen. Wiedereinmal hatte es keiner der Favoriten geschafft, sondern Kardinal Bergoglio aus Buenos Aires, mit seinen 76 Jahren wohl eher ein Übergangskandidat. Als ich ihn dann so natürlich sprechen hörte, den neuen Papst, der sich den Namen Franziskus gab, übrigens nicht Franziskus I., das wird er erst, wenn es einen zweiten gibt, ließ Vatikansprecher Federico Lombardi verkünden, war auch ich begeistert. Ein freundlicher, natürlicher Mann, einfach, humorvoll, ohne übermäßiges Pathos. Der erste Lateinamerikaner auf dem Stuhl Petri, ein Mann, der durch die Millionenstadt Buenos Aires lieber im Bus statt in der Limousine fuhr. Und der Name Franziskus bedeutete doch wohl, dass er sich für die Armen einsetzen und den Prunk der Kirche nicht so wichtig nehmen würde, dass er die verstaubte Amtskirche ins 21. Jahrhundert holen und den Menschen wieder näherbringen könnte. Auch für Nichtkatholiken, ja für Nichtgläubige sind diese Fragen wichtig, ist doch die Katholische Kirche die einzige einigermaßen fest stehende weltumspannende Organisation halbwegs westlicher Prägung, die zumindest auf ihren unteren Ebenen eine soziale Ausrichtung besitzt. Diese soziale Komponente sah ich mit der Wahl von Franziskus gestärkt, genau wie beispielsweise Franz-Josef Hanke, der dies in seinem neuen Blog schrieb.

Doch schon 2 Stunden nach seiner Wahl, ich hatte dem neuen Pontifex gerade auf Twitter gratuliert und ihm Glück gewünscht, begann sich das Bild einzutrüben, das sein erster Auftritt in mir hatte erblühen lassen. Eine Twitternutzerin schrieb mir: “Homosexualität als “Schachzug des Teufels” zu bezeichnen, spricht ja schon bände. Wieder so ein ewig Gestriger.” Den Ausspruch hatte Kardinal Bergoglio 2010 getan, als in Argentinien die Homoehe eingeführt wurde. Aber etwas anderes hatte ich auch nicht erwartet. Kardinäle, die für die Homoehe sind, gibt es nicht. Sie wurden ja alle von Papst Benedikt XVI. oder Papst Johannes Paul II. ernannt. Wichtig blieb für mich, was Bergoglio nun als Papst tun und sagen würde.

Die erste Antwort erhielt ich am Donnerstag. In seiner ersten Messe mit den Kardinälen sagte der neue Papst einen Satz, der mir gar nicht gefiel: “Wer nicht zum Herrn betet, betet zum Teufel“. Damit stieß er nicht nur die Angehörigen aller anderen Religionen vor den Kopf, sondern auch die Nichtgläubigen, die trotzdem ein gutes und gerechtes Leben führen. Und er betont, dass nur die katholische Kirche den Schlüssel zur Wahrheit und zum richtigen und ehrenhaften Leben besitzt. Das klingt überhaupt nicht modern.

In seiner Heimat nennen viele den neuen Papst den “Kardinal der Armen”. Warum eigentlich? Inzwischen ist erwiesen, dass er im Jahre 1976, als in Argentinien die Militärs die Macht übernahmen, die Sozialarbeit der jesuitischen Priester in den Favelas einstellte. Er war damals Oberhaupt des Jesuitenordens in Argentinien. Und ein Bericht verschiedener Zeitungen, z. B. der taz, enthüllt, dass der heutige Papst Franziskus damals mit den Militärmachthabern eng zusammengearbeitet hat. Das allein wäre vielleicht nur ein Grund zum Stirnrunzeln, bedenkt man, dass die Kirche ihre Märtyrer ehrt und als leuchtende Beispiele deklariert. Insofern hätte man von einem vorbildlichen Jesuitenpriester mehr Standhaftigkeit angesichts einer weltlichen Bedrohung erwarten können. Problematisch wird es aber dort, wo Hinweise auftauchen, dass Bergoglio Priester richtiggehend an die Militärs verraten und ausgeliefert hat. Wenn das stimmt, und es gibt einige Hinweise dafür, die zumindest Zweifel angebracht erscheinen lassen, dann hat er sich selbst einiger Menschenrechtsverletzungen schuldig gemacht. Das disqualifiziert ihn meiner Ansicht nach für das Papstamt, es nimmt ihm die Glaubwürdigkeit im Bezug auf echte Reformen der katholischen Kirche. Anders wäre es meiner Ansicht nach allerdings, wenn er öffentlich bekennen und sich entschuldigen würde. Dann wäre ich mit Sicherheit niemand, der seinen Rücktritt forderte.

Einige Kommentatoren haben in den letzten Tagen bemängelt, dass Papst Franziskus bereits so alt ist, immerhin 76 Jahre zählt der Argentinier. Ich hingegen halte dies eher für einen Vorteil. Eine wirkliche Reform der katholischen Kirche erfordert einen wirklich reformfreudigen Papst, der von reformfreudigen Kardinälen gewählt werden muss. Die müssen aber erst einmal ernannt werden. Wäre nun ein jüngerer, zwangsläufig in sozialen Fragen ebenfalls konservativer Papst aus den Reihen der Kardinäle gewählt worden, hätten wir vielleicht 30 Jahre mit ihm leben müssen, ehe ein echter Papst neuen Typs ans Ruder gekommen wäre. So hat Franziskus wenige jahre, um vielleicht so viele neue Kardinäle zu ernennen, dass bei der nächsten Wahl tatsächlich ein progressiver Papst gewählt werden kann. Auf den muss die Welt, wenn Franziskus es wirklich ernst meint, nur wenige Jahre warten.

“An ihren Taten sollt ihr sie erkennen”, heißt es. Ein Satz, den man auch auf den neuen Papst anwenden sollte. Übergroßer Jubel ist meiner Ansicht nach nicht angebracht, aber ein gewisses Wohlwollen hat der neue Mann in Rom wohl verdient. Eines allerdings, dass halt macht vor Menschenrechtsverletzungen, Zusammenarbeit mit Folterknechten und überheblicher Frömmelei.


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