Frankreichs unterschätzter Süden

Languedoc und Roussillon (Okzitanien)

„Languedoc-Roussillon - ist doch Geschichte!" befand vor kurzem ein Freund und Frankreichkenner. Recht hat er. Ein nationaler Verwaltungsakt ordnete 2016 die gesamte französische Landkarte neu, die Provinz Languedoc-Roussillon und ihr westlicher Nachbar Midi-Pyrénées verschmolzen zur Megaregion „" (Okzitanien).

Der neue Name greift zurück auf den mittelalterlichen Sprachraum, wo Okzitanisch Verwaltungssprache war, eine Mischung aus Latein, Romanisch und Arabisch. Bis die ungewohnte Bezeichnung in der Reiseliteratur ankommt, wird es aber noch dauern. Bleiben wir also der Einfachheit halber bei „Languedoc-Roussillon".

Filmfans sind die Locations vertraut: der Strand von Gruissan aus „ Betty Blue - 37,2 Grad am Morgen" (1986), die mittelalterlichen Gassen von Uzès und Carcassonne aus „ Cyrano de Bergerac" mit Gérard Dépardieu (1990) und „ Robin Hood" (1991) mit Kevin Costner, das Château de Puivert aus „ Die Neun Pforten" mit Johnny Depp (1999). TV-Serienjunkies (auch deutsche) kennen Sète und Umgebung, wo Hauptkommissarin „ Candice Renoir " ermittelt. Filmregisseure aus aller Welt lieben das Languedoc-Roussillon und seinen perfekten Mix aus Meer und Mittelalter, Geschichte und Moderne, dramatischer und meditativer Landschaft.

Und auch uns zieht es immer wieder hierhin, in Frankreichs unterschätzten Süden. Neben Uzès im Departement Gard ist einer unserer Lieblingsorte Limoux (Aude). Die unaufgeregte Kleinstadt eignet sich bestens als Ausgangspunkt für einen mehrwöchigen Urlaub.

Der Überlieferung nach wurde an der Abtei Saint-Hilaire bereits Schaumwein getrunken, lange bevor die Champagne das „Copyright" für sich beanspruchte. Der „Blanquette de Limoux" gilt als Vorläufer aller „Crémants". Lohnenswert: der Besuch bei Alain Cavaillès, einem jener kleinen Winzer, deren teils außergewöhnliche Produkte nie den deutschen Markt erreichen.

Limoux ist nur eine halbe Stunde von der Weltkulturerbestätte Carcassonne entfernt, eine Dreiviertelstunde vom beschaulichen Bücherdorf Montolieu und eine gute Stunde vom nächstgelegenen Strand (Gruissan Plage). Der bietet zwar wenig Luxus, aber viel Atmosphäre, nicht nur seiner unverwechselbaren Pfahlbauten wegen. In der Nähe bei Peyriac streifen wir um den Etang du Doul und stoßen dort auf wildlebende Flamingos - atemberaubend.

Weiter im Süden lockt das Licht der „Cote Vermeille". Zu Beginn des 20. Jahrhunderts ließen sich in Collioure zahlreiche Künstler nieder und beeinflussten von hier aus die Kunstwelt. Der Geschichte der „Fauvisten", wie sie sich nannten, hat sich die Stadt auf vielfache Weise angenommen, unter anderem auf einem Themen-Rundweg („Chemin du Fauvisme").

Von Collioure aus ist es nur einen Steinwurf bis Port Vendres, dem größten Fischereihafen im Roussillon - und zu „ Pujol", einem Fischhändler mit Restaurant. Wer guten Fisch der schönen Aussicht vorzieht, ist hier genau richtig. Überhaupt: für „Foodies" ist Languedoc-Roussillon ein Synonym für „Schlaraffenland". Die Region ist der größte Produzent von Bio-Lebensmitteln in Frankreich, die Anzahl von Hofläden beachtlich. Im Hinterland von Argelès finden wir bei Ursula und Vincent die besten Erdbeeren weit und breit, für Kirschen fahren wir weiter: zum Kirschfest nach Céret.

Dort schmecken sie zwar nicht besser als anderswo, dafür ist die Atmosphäre umwerfend und der Ort sehenswert, bei schönem Wetter sowieso, und bei schlechtem lockt zusätzlich das Museum für moderne Kunst, eines der besten außerhalb von Paris.

Die besten Kirschen (Sorte: Rainier) entdecken wir viel später, auf einem kleinen, aber feinen Markt in dem verschlafenen Pyrenäendorf Formiguères, zusammen mit Käse, Wurst und Gemüse aus Dorf und Region und einem Huhn, das, wie so oft in Frankreich, mit Kopf und Innereien sehr komplett, aber extra-lecker ist. Hier macht Einkaufen richtig Spaß, selbst der Bäcker ist hervorragend.

Formiguères liegt in den katalanischen Pyrenäen, einem wilden, teils archaischen Landstrich, im Winter ein Magnet für Skifahrer. Trotz der Narben des Skitourismus ist die Landschaft ein maximales Wander- und Naturerlebnis. Schnee und Wasser machen im Mai noch viele Wege unpassierbar, aber es gibt immer Alternativen.

Eine davon bei Angoustrine: an einem regnerischen Tag finden wir Unterschlupf in der verlassenen Kapelle Saint Martin d'Envalls - ein magischer Ort.

Sie diente einst als Gotteshaus auf der jährlichen Wanderung von Mensch und Tier zu Sommer- und Winterweiden. Der Beginn der so genannten Transhumance wird auch heute noch in den Dörfern mit großem Spektakel gefeiert. Wer sich das ansehen will, sollte Route und Programm allerdings zeitig erfragen, denn im Süden ticken die Uhren irgendwie anders, und auf Informationen von Websites ist ohnehin kein Verlass ...

Einfacher ist ein Besuch des Sonnenofens bei Font Romeu, theoretisch jedenfalls. Aktuell ist die Ausstellung nicht zugänglich - aber was heißt das schon?

So stehen wir- trotz anderslautendem Anschlag - auch am Fort de Bellegarde vor verschlossener Tür, einem der weniger bekannten Werke des wohl berühmtesten Festungsarchitekten Frankreichs, Sébastian Le Prestre de Vauban.

Jeglicher Ärger über verpasste Gelegenheiten oder sonstiger Urlaubsstress fällt ab bei einem Besuch der Bains Saint Thomas. Das Thermalbad ist wie ein Amphitheater in eine der zahlreichen Schluchten gebaut, überschaubar, ohne Schnickschnack und zu moderaten Preisen. Den Effekt des Heilwassers genießen wir ganzjährig: die Pflegeprodukte aus dem angrenzenden Shop werden auch nach Deutschland verschickt.

Geistige Entspannung findet man in Klöstern und Abteien wie Serrabona, wo Landschaft, Gebäude und Garten eine meditative Einheit bilden. Unerwartet stoßen wir auf die Prieuré Santa Maria del Vilar, die versteckt im Hügelland der Vorpyrenäen liegt.

Besuche sind nur im Rahmen einer Führung möglich, was uns zunächst zögern lässt ... aber nur kurz. Unser intimes Zweiergrüppchen wird begleitet von einer weltoffenen jungen Nonne, deren „Führung" sich zu einem denkwürdigen Gespräch entwickelt, mit viel Herz, Sympathie und philosophischer Tiefe.

Zurück in Richtung Limoux passieren wir Rennes-le-Château, jenen geheimnisvollen Ort, der seit den Zeiten der Templer geheimnisumwittert und Schauplatz zahlreicher Krimis und Mysterythriller ist. Dan Brown soll hier die Vorlage für seinen Bestseller „Sakrileg" gefunden haben ...

Unser Bedarf an Mystik ist damit gedeckt, die Erkundung der Katharerburgen verschieben wir, zusammen mit dem Departement Lozière, auf einen zukünftigen Urlaub.

Warum keine Städte in diesem Beitrag? Die brauchen zweifellos einen eigenen: die Weltkulturerbe-Stadt Nîmes, das dynamische Montpellier, Bézier, die älteste Stadt Frankreichs, die mittelalterliche Schönheit Narbonne und Perpignan, die französische Metropole Kataloniens - sie alle sind spannend und mindestens einen Tagesausflug wert. Bleibt noch der Klang des Okzitanischen: Immer mehr Radiostationen senden in okzitanischer Sprache, darunter Radio Lenga d'Oc (95.5 FM). Hört einfach mal rein, wenn Ihr da seid!

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