Fotografie ist leidenschaft

Immer schneller drehen sich Karusselle von Entwicklungen, die schon gestern schwindelerregend schnell an uns vorbei zogen. Gerade nahmen wir eine Neuheit wahr schon ist sie schon Schnee von gestern. Kaum jemand der nicht beklagt alles habe einen ungesunden Drive angenommen. Kaum jemand der sich nicht etwas Entschleunigung wünscht; etwas Wiederentdeckung der Langsamkeit; etwas simplify your life (abgesehen vielleicht von jenen U20, für die ein Jahr noch eine Ewigkeit ist).

Trotzdem fragen viele im nächsten Atemzug nach dem ausstehenden Update der Lieblingssoftware, dem neuesten Modell des Smart Phones, dem Nachfolgemodell der eben erst gekauften Kamera.

Gerade in der Fotografie befremdet mich Fokussierung auf technische Kennzahlen, Leistungsdaten und Featurismus. Bedeutet Fotografie denn nicht mehr als wie viele Linienpaare ein Objektiv auflösen kann, Rauscharmut bei High-ISO, Megapixel auf Vollformatsensoren, detailscharfe Hautporen in der 100-%-Ansicht, Schärfentiefen im Zehntel-Millimeter-Bereich und so weiter? War Fotografie nicht einmal eine Kunst? Ging es nicht einmal vor allem ums Bild?

Wie viel Prozent trägt die Exzellenz des Equipments zu wirklich exzellenten Fotografien bei? Steht die Zeit in der wir uns in Magazinen, Foren und Debatten mit unserer Ausrüstung befassen (und die Zeit die wir investieren sie uns leisten zu können) in angemessenem Verhältnis zu ihrer Bedeutung für bemerkenswerte Aufnahmen? Macht die Kamera mit den scheinbar besten Kennzahlen in unseren Händen wirklich dermaßen bessere Aufnahmen?

Ich verstehe mich nicht als Künstler. Ich bin nur jemand der Spaß am Fotografieren hat. Als solcher bin ich zu ambitioniert und erfahren um mit jeder beliebigen Ausrüstung arbeiten zu können. Was nach dem Auslösen aus der Kamera raus kommt und was nach der Entwicklung aus dem Computer raus kommt muss passen! Muss meine Anforderungen erfüllen. Doch Linienpaare, Megapixel, Detailschärfe, Schärfentiefe und all die anderen Details sind nur … Details!

Kennzahlen und Featureumfang einer Kamera oder einer Software sagen so viel über das Gerät oder das Programm aus, wie eine Beschreibung von Körpergröße, Gewicht, Augenfarbe und einiger anderer Eigenschaften über den Charakter eines Menschen. Man muss Menschen kennenlernen um ein Gefühl für sie zu bekommen. Und mit wem der eine kann, den findet die andere zum Kotzen. Auch ein Musiker mag sich nach Kennzahlen und Eigenschaften eines potenziellen Instruments erkundigen. Doch wenn er es erst einmal in Händen hält wird lediglich zählen wie es sich für ihn anfühlt und anhört – wenn er ein guter Musiker ist.

Mir geht es so mit meiner Ausrüstung. Natürlich erkundige ich mich zunächst anhand von Daten über einen potenziellen Ausrüstungsgegenstand. Entscheidend ist aber das subjektive Gefühl das mir das Ding dann letzten Endes in Händen vermittelt und wie mir die Ergebnisse gefallen. Testcharts zu fotografieren finde ich dabei so aufschlussreich, wie ich es als Musiker fände die Schwingungen eines Instruments zu messen. Ein Instrument muss keine schönen Schwingungskurven zeichnen können sondern meinen Ohren gefallen. Eine Kamera muss keine Labortests bestehen sondern meinen Augen gefallen.

Eine Kamera muss sich gut anfühlen. Sie ist mein Instrument und ich muss sie vor allem lieben um gerne mit ihr zu fotografieren. Liebe hat nichts Fakten zu tun, ist nicht rationell und oft nicht zu begründen. Fotografie ist Leidenschaft. Und Spaß. Und Subjektiv. Daten sind da nebensächlich, so lange das Instrument gut klingt.

Allerdings habe ich den Eindruck, dass Daten, Techniken und große Zahlen wichtiger geworden sind als alles andere. Es ist OK wenn sich einer vor allem an der Technik freuen kann. Warum auch, wenn es Spaß macht immer mit den neuesten Gadgets spielen zu können. Aber es ist nicht Fotografie! Oder zumindest nur am Rande.


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