Forum Mamarum

Vor meiner ersten Schwangerschaft meldete ich mich voll motiviert und hormonell schwer verwirrt in einem großen Mamaforum im Internet an. Schnell fand ich auch die für mich passende Gruppe von Frauen, die wie ich schnellstens schwanger werden wollten. Ich freute mich wie eine Schneekönigin! Es dauerte eine Weile, bis ich die ganzen internen Kürzel für Ereignisse verstand, mit denen ich bis dato nichts zu tun gehabt hatte:
  • ES = kein Roman mit einem mordlustigen Clown, sondern der Eisprung, der mit vielen Tricks perfekt  vorhergesagt werden kann
  • NMT = diese drei unscheinbaren Buchstaben können sogar zwei Bedeutungen haben: für die Hibblerinnen ist es der Nicht-Menstruations-Tag, für die Verhüterinnen der Normal-Menstruations-Tag
  • SS = nicht die Schutzstaffel der NSDAP (die mich in einem Mamaforum auch wirklich sehr verwirrt hätte), sondern einfach die Schwangerschaft
  • Hibbeln = tue ich normal, wenn ich dringend muss, aber nicht kann - soll hier aber die Tätigkeit von Frauen beschreiben, die darauf warten, endlich schwanger zu werden
  • ZS = keine ehemalige saudi-arabische Billigfluggesellschaft, sondern etwas noch Schlimmeres - die zwei Buchstaben kürzen das unschöne Wort Zervixschleim ab
  • ÜZ = nicht die niedliche Abkürzung eines schweizerischen Altherrennamens, sondern schlicht für den Übungszyklus. In diesem Zyklus wird nichts anderes "geübt", als schwanger zu werden - und zwar nicht durch profanen Sex, sondern durch Herzeln
  • ET = kein süßer Alien-Langfinger, sondern das, was all dem Abkürzungshorror endlich die Krone aufsetzen soll: der Entbindungstermin
Diese und zahlreiche andere Neuheiten der Sprachwelt jenseits meines Horizontes lernte ich also brav und konnte schnell ebenso über Tempi-Kurven und ZS-Ausprägungen fachsimpeln wie die alten Mama-Hasen. Soweit, so lustig. Als ich dann überraschenderweise schon im ersten ÜZ schwanger wurde, wechselte ich euphorisch in die passende Gruppe Frauen, die im gleichen Monat wie ich ET hatten. Zunächst war all das auch wirklich noch nett, informativ und spannend. Gleichgesinnte zu finden hat für mich immer den AA-Charakter (ja, ich meine die Anonymen Alkoholiker und nicht etwa einen "Absoluten Anovulationszyklus"):
"Hallo. Meine Name ist Grummelmama und ich bin Hibblerin." "Hallo, Grummelmama."
Zuerst ist es toll, sich unter ähnlich tickenden Menschen zu befinden, aber schnell artet diese Art Gruppenkuscheln auch aus.
Nach einigen Wochen hatte ich das Forum jedoch durchschaut. Und mit ihm die Mütter, die sich dort so tummeln. (Und nicht nur dort, wie ich viel später erst rausfinden sollte)
Im Grunde ist so ein Forum ganz einfach erklärt. Es gibt das Klischee der Übermutter und das der Rabenmutter - und für eins der beiden musst du dich entscheiden. Und dann gibt es da noch die Hauptthemen, die wieder und wieder und wieder (und wieder) durchgekaut werden und regelmäßig zu den schlimmsten Zickenkriegen führen, die ich jemals miterleben durfte:
  • Rauchen in der Schwangerschaft
  • Alkohol in der Schwangerschaft
  • Impfen oder nicht
  • Gehfreis und Türhopser
  • Ohrlöcher bei Babys und Kleinkindern
  • Richtige und falsche Bauchtragen
  • Stillen
  • Schlaferziehung
Diese Themen und ihre Abwandlungen findet man jeden Tag - und die Tragik daran war, dass ich mich viel zu oft auf sie einließ. Ich kann gar nicht sagen, wieviel kostbare Lebenszeit ich drauf verwendete, meine Ansichten zu vertreten, mich zu streiten und mich auf unnötige Diskussionen mit wildfremden Menschen einzulassen, die vom Thema ungefähr so viel Ahnung haben wie eine Stubenfliege von Kurvendiskussionen. Es ist unfassbar, auf wieviel Dummheit, Ignoranz und Unwissenheit man in einem solchen Forum treffen kann. Unfassbar, unheimlich und ungelogen unerträglich. Leider brauchte ich mehrere Jahre, um mich gänzlich aus dieser anstrengenden Welt herauszuhalten und im Stillen für mich zu klären, dass ich weder eine Raben-, noch eine Übermutter bin und keinen inneren Auftrag mehr verspürte, das Leben und die Meinungen anderer zu ändern.
Es gibt einfach Dinge auf dieser Welt, speziell wenn es um Babys und Kinder geht, die für mich keine Diskussionen mehr zulassen. Im Gegenzug dazu ist es aber auch unter aller Kanone, regelmäßig zu vergessen, dass man im Internet mit Menschen und nicht nur mit Nicknames und Pseudonymen zu tun hat und auf eine derart respektlose Weise mit jemandem kommuniziert, wie man es nicht einmal mit seinem schlimmsten Feind tun würde.
Fazit von all dem ist: Frauen untereinander sind anstrengend - und wenn diese dann noch frustrierte Hibblerinnen oder gar schwanger sind, gibt es kein Halten mehr. Jede weiß es besser und ist die Tollere, selbst wenn sie noch gar keine Ahnung hat, was du eigentlich willst. Und ich kann nur jeder Frau, die Kinder hat oder möchte, raten: Mach einen großen Bogen um Mütter- und Schwangerenforen und lerne stattdessen das Stricken oder eine Fremdsprache. Aber was rede ich? Ihr hört sowieso nicht auf mich. Und warum? Weil wir Frauen das brauchen. Irgendwie liegt all das doch in unserem Blut - und Hand auf's Mutterherz:
Es gibt Tage, an denen ist es durchaus entspannend, seinen Frust und seine Aggressionen in einem Streitgespräch über Bauchtragen wegdiskutieren zu können - so unbefriedigend es am Ende auch ausfallen wird.

wallpaper-1019588
Adventskalender 2024: 01. Türchen
wallpaper-1019588
Heiligabend 2024: ProSieben MAXX zeigt sechs „Ghibli”-Filme
wallpaper-1019588
Demon Slayer: ProSieben MAXX zeigt die zweite Staffel
wallpaper-1019588
Direktflüge von München nach Vietnam mit Vietnam Airlines