Wie wir uns ernähren, ist nicht allein unsere eigene Wahl. Die "Ernährungslandschaft", die wir in unserer Umgebung vorfinden, strukturiert diesbezügliches Wissen und Möglichkeiten. Nachfolgend eine Photo-Serie aus Berlin-Neukölln, die sich am Konzept der "ethical foodscapes" orientiert.
Was "gute" Ernährung ausmacht, ist eine Frage der Aushandlung. Aus diesem Grund interessieren sich Geograph_innen für die räumlichen Prozesse, die politischen Intentionen von Akteuren und die spezifischen Orte, vor deren Hintergrund diese Aushandlung stattfindet. "It is here, then, that we suggest the idea of an 'ethical foodscape' as a way of conceptualising and engaging critically with the processes, politics, spaces, and places of the praxis of ethical relationalities embedded and produced in and through the provisioning of food." (Goodman et al. 2010: 1783).
Eine Möglichkeit ist es, in der (hier: urbanen) Landschaft nach moralischen Bedeutungsproduktionen zu suchen: "Food and food ethics are thus relationally performative as they involve the linking up of the material and constructed self with Others and Other natures in moral webs of meanings [...]." (ebd.: 1784)
Der kleine Ausschnitt aus den "foodscapes" von Neukölln, der hier anhand einer kommentierten Bildserie gezeigt wird, offenbart eine kontrastreiche Landschaft, die räumlicher Ausdruck verschiedener Ernährungspraktiken ist.
Politik mit der Hauswand - in der Sonnenallee wird mit Ausrufungszeichen an die tierproduktfreie Ernährungsweise erinnert...
...ganz in der Nähe, am Hertzbergplatz, gibt es die entsprechende Pizzeria. Ein grüner Zettel an der Eingangstür verdeutlicht die Regeln, die in diesem Raum gelten: "PELZ MUSS DRAUßEN BLEIBEN. DANKE". Frei Haus geliefert wird die Pizza nicht mit der Vespa, sondern dem Drahtesel (sorry, für diesen nicht sehr veganen Begriff, der an die ungleichen Machtverhältnisse zwischen Menschen und Eseln erinnert).
Der "Späti" hat, extra für Nachteulen, gaanz lange auf und springt ein, wenn Bier, Wein, Chips oder Zigaretten uvm. aus sind.
Ein für Neukölln typischer Lebensmittel-Laden. Die Verkaufsfläche nach draußen zu verlagern, entlastet den engen Innenraum.
An dieser Tankstelle präsentiert der Chefkoch noch höchst persönlich die neuesten Sandwich-Kreationen.
Aushängeschild einer Fleischerei: Kühe und Schafe grasen fröhlich auf grünen Wiesen und "liefern" Helal-Fleisch "Beste Qualität"...haben wir es hier mit "artgerechter" Tierhaltung in Grünlandwirtschaft zu tun oder doch nur mit Agrarromantik?
Hühnchenfleisch und dieses rote Design.... etwa ein Pendant zur großen Kette, die Kritiker_innen gerne mal in "Kentucky Fried Cruelty" umbenennen?
Ein Supermarkt.
Ein anderer Supermarkt. Neukölln bietet für fast jeden Geschmack etwas.
Auf dem Heimweg komme ich an dieser Werbeagentur vorbei und frage mich, ob sie eventuell den Auftrag erhalten hat, die Aushängeschilder der Fleischerei oben zu entwerfen. War sie möglicherweise an der Gestaltung der Ernährungslandschaft, die sich mir in Neukölln darbot, beteiligt? Möglich ist das...
Bildquellen:
eigene Bilder
Referenz:
Goodman, Michael K.; Maye, Damian; Holloway, Lewis (2010): Ethical foodscapes?: premises, promises, and possibilities. In: Environment and Planning A, 42 (2010), 8, S. 1782–1796.