Föhr 2018 – Tag 12: Surfing the wind. Das Prequel.

Ich wache um 8.30 Uhr auf, weil jemand in der Küche rumort. Es ist Beach Body. Zur Begrüßung hält er anklagend eine leere Tüte vom Bäcker, die er aus dem Papiermüll gefischt hat, in die Höhe und fragt: „Hast du etwa Brötchen gegessen?“

„Kann schon sein“, druckse ich rum.

„Etwa mit Weißmehl?“, fragt Beach inquisitorisch.

Ich zucke mit den Schultern. „Vielleicht?!“

Beach ist einer Ohnmacht nahe und muss sich an der Arbeitsplatte abstützen. „Du weißt schon, dass Weißmehl das reinste Gift für deinen Körper ist, oder?“, fragt er, nachdem er sich einigermaßen gefangen hat. „Da kannst du gleich Zyankalikapseln schlucken.“ Jetzt riecht er an der Tüte. „Waren das sogar Camping-Wecken?“

„Aber die sind so le…“ Beach bringt mich mit einer Handbewegung zum Schweigen.

„Die sind aus Hefeteig“, erklärt er. „Hefe ist der Endgegner der Strandfigur. Dein Kryptonit.“ Dann verstummt Beach.

„Bist du sauer?“, frage ich ihn, nachdem er eine ganze Weile nichts gesagt hat.

„Nein, Christian, ich bin nicht sauer“, erwidert er. „Ich bin nur sehr, sehr enttäuscht.“ Ach du meine Güte, jetzt hört sich der Fitness-Schinder auf einmal an wie ein beschissener Sozialpädagoge.

„Da müssen wir wohl noch härter trainieren“, erklärt Beach schließlich. „Wenn schon der Geist schwach ist, muss wenigstens der Körper stark sein. Beziehungsweise werden.“

Guten Morgen! #schoenefoehrien #werbungdaortsnennung #keincash

Ein Beitrag geteilt von Familienbetrieb (@betriebsfamilie) am Aug 3, 2018 um 1:01 PDT

Nachdem ich mich umgezogen habe, laufen wir los. Beach Body schlägt die bekannte Strecke entlang der Strandpromenade ein. Er ist heute sehr schmallippig und ungewohnt wortkarg. Die Sache mit den Camping-Wecken scheint ihn wirklich verstimmt zu haben. Nicht einmal zu seinen üblichen motivierenden Beleidigungen sieht er sich in der Lage.

Nach viereinhalb Kilometern knurrt Beach knapp: „Und zurück …“ Ich freue mich schon, dass wir heute nicht ganz so weit laufen, aber da ergänzt er: „… über den Strand.“ und springt die asphaltierte Promenade hinunter in den Sand. Ich hüpfe hinterher und versuche, mit Beach Schritt zu halten. Bei jedem Schritt rutsche ich weg und habe große Mühe, das Gleichgewicht zu halten.

Vielleicht haben Sie seinerzeit Rocky III gesehen und erinnern sich, wie Rocky gemeinsam mit Apollo Creed am Strand trainiert. Gazellengleich rennen die beiden über den Sand, sie werden immer schneller, bis ihre Füße den Boden nicht mehr zu berühren scheinen, und auf ihren muskulösen Körpern schimmert der Schweiß ästhetisch in der Sonne.

So sieht das bei mir nicht aus. Eher wie bei den Elefanten in der Tier-Doku „Die Wüste lebt“, die nach dem Verzehr von gärenden Früchten durch die Steppe torkeln.

Auf dem rutschigen Sand komme ich kaum voran, jeder Schritt bedeutet eine fast schon unmenschliche Kraftanstrengung.

„Der Sand ist so weich“, beklage ich mich schnaufend.

„Weißt du, was auch weich ist?“, fragt mich Beach zischend.

Ich zucke mit den Schultern.

„BESCHISSENES WEIẞMEHL IST AUCH WEICH!“

„Aber das Laufen auf dem Sand ist echt zäh!“, jammere ich weiter.

„Weißt du, was auch zäh ist?“, fragt Beach bedrohlich knurrend.

„DRECKS HEFETEIG IST AUCH ZÄH!“ Die Halsschlagader von Beach schwillt auf die Größe eines Schifftaus an.

„Das ist aber wirklich total schwer, das Strandlaufen“, wehklage ich erneut.

„Weißt du, was auch total schwer ist?“, fragt mich Beach jetzt.

Ich zucke wieder mit den Schultern.

„VERFICKTE CAMPING-WECKEN SIND TOTAL SCHWER!“. Das Gesicht von Beach verfärbt sich lila-violett. Er sieht aus wie eine cholerische Aubergine.

Nach einer dreiviertel Stunde erreichen wir die Ferienwohnung, wo ich mich kaum auf den Beinen halten kann. Beach erklärt, dass ich bis zum Urlaubsende Saftfasten müsse, wenn das mit der Strandfigur noch etwas werden solle. Nur mit Mühe kann ich ihn davon abhalten, mich im Appartement einzuschließen, damit ich nicht „irgendeinen beschissenen Schrott“ zu essen hole.

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Nachdem Beach gegangen ist, schleiche ich auf Umwegen zum Bäcker, wobei ich mich an den Hauswänden entlangdrücke, aus Angst Beach lauert mir irgendwo auf. Ich schaffe es zwar unbemerkt zur Bäckerei, aber dort schiebt Beach vor dem Eingang Wache. Erst nach einer halben Stunde zieht er ab, hängt vorher aber noch ein Schild mit einem Foto von mir ins Schaufenster, auf dem steht „Ich muss leider draußen bleiben.“

Glücklicherweise trage ich meine Sonnenbrille und mein Cap, das ich tief ins Gesicht ziehe, so dass ich es unerkannt in den Laden schaffe. Dort erhalte ich zwar die ersehnten Camping-Wecken, da ich aber ohne den Sohn gekommen bin, gibt es kein Gratis-Brötchen für mich. „Kein Kind, kein Gratis-Brötchen.“ So ist die Regel und da lässt das Verkaufspersonal nicht mit sich diskutieren. Ich überlege, mir eine T-Shirt mit einem Foto von Tochter und Sohn bedrucken zu lassen. Vielleicht bekomme ich dann auch mal ein kostenloses Mini-Brötchen. Oder zwei.

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Am Strand ist es heute wieder sehr heiß und ich lümmle mich im Strandkorb rum. Nach zwölf Tagen Camping-Wecken zum Frühstück wird es zunehmend schwieriger, eine Sitzposition einzunehmen, bei der der Bauch nicht übermäßig viele Speckfalten wirft und man kann ja auch nur für eine begrenzte Zeit die Luft anhalten.

Vielleicht sollte ich doch mal die Ernährungsvorgaben von Beach befolgen. Oder ich schicke nicht immer die Kinder zum Eis holen, sondern gehe selbst. Auf dem Weg zur Eisdiele und zurück könnte ich circa 15 Kalorien verbrauchen. Wenn ich das ungefähr 450 Mal mache, habe ich ein Kilo Körperfett verloren. Also muss ich mehr Eis essen, um mein Idealgewicht zu erreichen. Ich sollte Diätratgeber schreiben. („Schlank und rank, dem Eis sei Dank“). Vielleicht sollte ich mich aber auch einfach mal in den Schatten setzen, bevor die Sonne aus meinem Hirn endgültig ein Bœuf Stroganoff gekocht hat.

Zur Abkühlung gehe ich baden. An unserem Strandabschnitt sind sehr Familie und entsprechend auch viele kleine Kinder im Wasser. Da bin ich immer in der Zwickmühle, ob ich mich von diesen im Meer fernhalten oder ihre Nähe suchen soll. Einerseits spritzen kleine Kinder immer so viel rum, was insbesondere unangenehm ist, wenn man sich noch nicht an die Wassertemperatur gewöhnt hat, und im ungünstigsten Fall, wenn man so eine Kinder-Fontäne volle Kanne abbekommt, kann es zu einem spontanen Herzstillstand kommen. Das ist vor allem eine Woche vor Urlaubsende recht ärgerlich, weil die Ferienwohnung ja bereits voll bezahlt ist. Andererseits ist es ganz praktisch im Wasser kleine Kinder in der Nähe zu haben, denn sie pieseln andauernd ins Meer. Dadurch ist die Wassertemperatur in einem Umkreis von zehn Metern um bis zu drei Grad wärmer. Außerdem fällt es in der Nähe von Kindern auch nicht so auf, wenn man selber Wasser lassen muss.

„Ich muss Pipi. Kommt jemand mit ins Wasser?“

Warum niemand aus der Familie mit mir ins Meer gehen möchte.

— Familienbetrieb (@Betriebsfamilie) 3. August 2018

Im Strandkorb zu unserer linken gibt es mal wieder neue Nachbarn. Ein Großelternpaar, beide so alt wie rund, mit ihrer Tochter und ihrer Enkelin. Die Großmutter hat eine Verletzung am Bein, die mit einem 5×10-Zentimeter-Pflaster bedeckt ist. Angeblich ist sie mit dem Fahrrad gestürzt, aber Sie und ich wissen, was tatsächlich passiert ist: Der aggressive Kraken hat wieder zugeschlagen! Oder der Strandkorb ist verflucht und bringt seinen Mietern großes Unglück, das sich in Beinverletzungen ausdrückt.

Kurz nachdem die vier ihren Strandkorb bezogen haben, erzählt die Großmutter ihrem Mann, das Bürgerbüro hätte angerufen, ihre Führerscheine seien endlich da. So wie sie das sagt, klingt es wie eine gute Nachricht. Da die beiden aber altersbedingt stark kurzsichtig und leicht schwerhörig sind, bin ich eher skeptisch, was es für die allgemeine Verkehrssicherheit bedeutet, wenn sie hinterm Steuer sitzen. Sobald ich herausgefunden habe, wo das Paar herkommt, lasse ich es Sie wissen, damit sie dort im Straßenverkehr erhöhte Vorsicht walten lassen können.

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Um viertel nach zwei verlassen wir unseren Strandkorb und gehen Richtung Südstrand. Dort haben wir den Sohn zu einem Surfkurs angemeldet, weil die Frau und ich körperlich und geistig nicht in der Lage sind, den ganzen Tag über mit ihm im Wasser zu spielen.

Der Kurs ist zwar nicht ganz billig, aber wir kaufen uns damit ein Stück Erholung. Ohnehin verliert man im Urlaub ja irgendwann das Gefühl für die finanziellen Ausgaben, und Geld spielt keine Rolle mehr. Zumindest so lange der Bankautomat noch welches ausspuckt. Die Ernüchterung kommt dann nach dem Urlaub, wenn man am Computer den Kontostand kontrolliert und den Rest des Tages hospitalisiert vor und zurück wippend im Schreibtischstuhl sitzt.

Im Vergleich zu unserem gewohnten Familienstrand ist der Surferstrand jugendlicher, der Coolness-Faktor ist wesentlich höher und die Sixpack-Dichte um ein Vielfaches größer. Entsprechend deplatziert fühle ich mich dort.

In dem Kurs des Sohnes sind noch sieben andere Kinder und Erwachsene, die das Surfen erlernen wollen. Nach einer kurzen Einführung auf dem Trockenen, geht es in die Neoprenanzüge und dann im Wasser auf die Bretter. Die Frau und ich setzen uns ein wenig abseits an den Strand und schauen nur ab und zu nonchalant rüber zu den Bemühungen der Surfschüler und des Sohnes. Man möchte ja nicht wie peinliche Helikoptereltern rüberkommen, die zu ihrem Kind ins Wasser springen und eine Milliarde Bilder knipsen, die sie dann Freunden, Verwandten, Bekannten, Kollegen und Wildfremden ungefragt unter die Nase halten. Nach kurzer Zeit merken wir allerdings, dass der Zoomfaktor unserer Handykameras seine Grenzen hat und verlegen unseren Platz auf Höhe der Surfgruppe des Sohnes, wo wir eine Milliarde Bilder knipsen, die wir demnächst Freunden, Verwandten, Bekannten, Kollegen und Wildfremden ungefragt unter die Nase halten.

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Ein Beitrag geteilt von Familienbetrieb (@betriebsfamilie) am Aug 3, 2018 um 11:29 PDT

Glücklicherweise verfügt der Sohn über eine recht hohe Frustrationstoleranz, was ihm bei seiner ersten Surfeinheit zugutekommt. Er hält zwar ganz gut sein Gleichgewicht auf dem Brett, aber beim Versuch das Segel aus dem Wasser zu ziehen, landet er anfangs immer wieder in dem selbigen. Eigentlich hätte er auch mir zwanzig Euro die Stunde bezahlen können, und dafür hätte ich ihn an unserem Strand vom Steg ins Wasser geschubst.

#fail

Ein Beitrag geteilt von Emil_judo (@emil_judo06) am Aug 3, 2018 um 2:26 PDT

Nach knapp zwei Stunden wird der Sohn aber zunehmend besser. Mit größtmöglicher Härte gegen sich selbst – und vor allem gegen die anderen Badegäste – schafft er es sogar zweimal mit dem Brett bis an den Strand zu surfen. Die Bilanz des ersten Surftages: Der Sohn hat eine gehörige Menge Salzwasser geschluckt, einmal die Segelstange einer anderen Schülerin gegen den Kopf bekommen, sich einmal die eigene Stange zwischen die Beine gehauen und eine Menge Spaß gehabt. Also, ein voller Erfolg!

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Ein Beitrag geteilt von Familienbetrieb (@betriebsfamilie) am Aug 3, 2018 um 11:23 PDT

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Nach dem Surfkurs gehen wir zum Supermarkt. Dabei sind wir alle dermaßen hungrig, dass es an ein Wunder grenzt, dass wir nicht wahllos irgendwelche Beutel, Tüten und Kartons aufreißen und an Ort und Stelle Essen in uns reinstopfen. So etwas dankt einem ja auch keiner. Möglicherweise liegt das auch an dem befremdlichen Schauspiel, das wir bieten, als wir direkt hinter den Kassen getrocknete Salami und Beef Jerkys verschlingen, wie Löwen ein frisch gerissenes Gnu.

Im Anschluss an unser Abendbrot gehen wir nochmal zum Strandkorb. Dort spielen wir Ball und Frisbee getreu dem Motto „Play like nobody‘s watching“. (Und ich hoffe inständig, dass uns wirklich niemand beobachtet hat.)

Im Ferienappartement gibt es zum Tagesabschluss das obligatorische Kniffeln. (Die Kinder protestieren schon gar nicht mehr.) Wir werfen in drei Runden sensationelle acht Kniffel, der Tagessieg geht – und das dürfte Sie nicht wundern – an mich, die Gesamtführung behält die Tochter. Noch.

Gute Nacht!

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