Flüchtlingsvideospiel zur DDR-Mauergeschichte vorerst gestoppt - Ego-Shooter „1378 (km)“ soll überarbeitet werden

Flüchtlingsvideospiel zur DDR-Mauergeschichte vorerst gestoppt  - Ego-Shooter „1378 (km)“ soll überarbeitet werden
(Berlin, 12.10.2010) Der erste Schock war groß: In einem Trailer wird ein neues Videogame vorgestellt – ein Ego-Shooter. Es ist das Jahr 1976. Der Spieler schlüpft in die Rolle eines Grenzpolizisten der ehemaligen DDR, sein imaginäres Ziel ist ein Republikflüchtling, darüber steht die Überschrift deutsch-deutsche Grenze. Das Online-Rollenspiel trägt den Namen „1378 (km)“ – die Kilometerangabe entspricht der Länge der ehemaligen innerdeutschen Grenze. Das Spiel ist eine Diplomarbeit des 23-jährigen Karlsruher Medienkunst-Studenten Jens M. Stober an der Staatlichen Hochschule für Gestaltung Karlsruhe. Ausgerechnet am 3. Oktober dieses Jahres, im 20. Jubiläumsjahr der Deutschen Einheit, sollte das Spiel online veröffentlicht werden – als kostenloser Download.
Sofort brach eine Welle der Entrüstung los. Bild-Online nannte das Spiel widerwärtig, Axel Klausmeier, von der Gedenkstätte Berliner Mauer, geschmacklos. Auf Opfer und deren Angehörige werde keine Rücksicht genommen. Hubertus Knabe, Leiter der Berliner Stasi-Gedenkstätte Hohenschönhausen, erstattete gar Anzeige wegen Gewaltverherrlichung bei der Berliner Staatsanwaltschaft.
Für den Verband der deutschen Video- und Computerspieler war die Diskussion hingegen geprägt „von den üblichen Vorurteilen gegen First-Person-Shooter“. „Es werden die bewährten Hetzparolen ausgepackt, ohne dass das Programm überhaupt in Augenschein genommen werden konnte“, ließ der Vorsitzende Patrik Schönfeldt auf der Homepage des Verbands vermerken. Auch die Karlsruher Hochschule für Gestaltung sowie die Betreuer des Diplomanden, Medienkünstler Michael Bielicky und Heiner Mühlmann, Lehrbeauftragter für Philosophie und Kulturtheorie, stehen nach wie vor hinter dem Projekt ihres Schützlings. Sie veröffentlichten am 7.10. eine Erklärung auf der Website der Hochschule, in der sie sich kritisch gegenüber „selbsternannten Vertretern der Opfer der ehemaligen DDR“ und „sensationsgierigen Massenmedien“ äußern. Auch sie prangern die voreilige Verurteilung des Spiels an.
Auf der offiziellen Website von „1378 (km)“ gibt sich der Erfinder Jens M. Stober mittlerweile zurückhaltend: Eine Beta-Version des Spieles mit einer Altersfreigabe ab 18 solle demnächst kommen, um das Spiel anhand des Feedbacks überarbeiten zu können. Im Rahmen einer Diskussionsveranstaltung an der Staatlichen Hochschule für Gestaltung Karlsruhe solle dann im Dezember die endgültige Version veröffentlicht werden.
Foto: Jens M. Stober, www.1378km.de
www.vergangenheitsverlag.de

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